Graveyard - Lights Out Tipp

Graveyard - Lights Out - Artwork

Stil (Spielzeit):  Hard Rock (35:36)
Label/Vertrieb (VÖ): Nuclear Blast (26.10.12)
Bewertung: 9,5/10


Graveyard Official / Facebook

Mit der schwedischen Band GRAVEYARD haben sich Nuclear Blast 2011 eine echte Perle des derzeitigen Rockbusiness ins Boot geholt. Nach dem Re-Release ihres Debüts "Graveyard", dem zweiten Album "Hisingen Blues", einer sehr erfolgreichen Headlining-Clubtour und Festivalshows brachten die Musiker in diesem Jahr nicht nur ihr eigenes Bier auf den Markt ("Hisingen Brew"), sondern veröffentlichten zudem den dritten Streich: "Lights Out".

Doch die Lichter sind alles andere als aus für diese außergewöhnliche Band mit ihrer eigenwilligen, an den Hardrock der frühen 70er Jahre erinnernden Musik. Auch das vorliegende Album wurde, wie seine Vorgänger, analog aufgenommen und zeigt eine Liebe fürs Detail und echte Spiel- und Experimentierfreude. Mit "Hisingen Blues", für das sie in ihrem Heimatland mit einem Grammy für das beste Hardrockalbum ausgezeichnet wurden (und mit dem neuen Album wieder nominiert sind), hatten die Jungs die Messlatte schon ziemlich weit oben angelegt, entsprechend hoch waren meine Erwartungen. Schließlich heißt es im Allgemeinen, dass das dritte Album den dauerhaften Platz im Rockolymp verteidigt.

Ein Alarmton und ein langsam einsetzendes Gitarrenriff, zu dem sich bald die zweite Gitarre und ein treibender, schneller werdender Schlagzeugbeat gesellen, bevor sich Joakim Nilssons charakterisitsche Stimme darüber legt – so beginnt das mit 35 Minuten recht kurze Masterpiece. "An Industry Of Murder" heißt der Opener, der gleich mal zeigt, wo der Hammer hängt. Dieser Song hat bereits alles, was den GRAVEYARD-Sound ausmacht: geniale Riffs, die sich verspielt überlagern und eine herrliche Dynamik, die gelungenen Drumparts nicht zu vergessen. Joakims Stimmqualität erscheint mir noch einmal ordentlich gesteigert, die hohen Gesangsparts und die Töne sitzen noch einmal besser, obwohl die Rauheit der Stimme geblieben ist.

Mit "Slow Motion Countdown" geht die Reise weiter. Dieser Song fängt bluesig-balladesk an, Joakims Stimme ist hier fast schon sanft und er zeigt einmal mehr, wie vielseitig sein Organ ist. Der Song steigert sich in eine sehr dichte und schöne Atmosphäre.
Mit "Seven Seven" folgt eines meiner Highlights auf der Scheibe. Einer der rockigsten Songs mit einem kurzen "Uuh" als witziges Detail in einem Break und wundervollen Leadgitarren – hier bleibt bei GRAVEYARD- und Retrofans kein Wunsch offen.

In den Texten ist man diesmal etwas kritischer: "You better turn away, let it get you at the end of this day. You are no less than the past and the stories that they never told." Die Gesellschaftskritik zeigt auch "The Suits, The Law & The Uniforms", welches einen echten Ohrwurmcharakter hat. Hier gefällt mir auch besonders die Melodie des Mainriffs, die sich toll mit den Drumparts verbindet und am Ende schön in eine "Wall Of Sound" inklusive Jazzansätze gesteigert wird. Weiter geht's mit der Nummer "Endless Nights", zu der auch ein sehr witziges Video gedreht wurde. Gewohnt rockig geht es zur Sache, bevor ein toller und groovender Break viel Spannung bietet, um gegen Ende nochmal auf das Gaspedal zu drücken (wird im Video auch fleißig von Joakim vorgemacht).

"Hard Times Lovin´", mein persönlicher Lieblingssong der Platte, ist sehr bluesig und wird im Sound durch eine gute alte Hammondorgel ergänzt. Sound, Arrangement und auch der persönliche Text, der eine Liebste anspricht, erinnern stark an THE DOORS. Zwischen den Gesangslinien rückt in Instrumentalparts die E-Gitarre in den Vordergrund. Wirklich schön melancholisch. Doch schon geht es weiter mit einer enormen Temposteigerung im wütenden "Goliath", zu dem es ebenfalls ein offizielles Musikvideo gibt (sehr sehenswert). Hat man sich einmal in diesen Song reingehört, lässt er einen nicht mehr los. Gute Lyrics in tollem Soundgewand.

"Fool in the End" bietet nochmal alles, was GRAVEYARD ausmacht: tolle Riffs, viele Melodien, unglaubliche Vocals und jede Menge "restless blues". So simpel das Chorusriff auch ist, umso genialer klingt es in Verbindung mit Joakims starker Hookline. Einer der stärksten Songs der Platte.
Bevor die Lichter dann endgültig ausgehen, wird mit "20/20 Tunnel Vision" noch eine ruhigere Nummer nachgeschoben. Tolle Vocals (fast komplett zweistimmig gedoppelt!), sanfte Leadgitarren und eine starke Dynamik bringen ein Album zu Ende, das keine Filler, dafür jede Menge Killer enthält.

GRAVEYARD gelingt es mit diesem Album, scheinbar spielerisch an "Hisingen Blues" anzuknüpfen. Von dem "Gerumpel", das einige andere Bands "zaubern", die sich am Sound früherer Zeiten orientieren möchten, ist hier nichts zu hören – einfach authentisch. Ich bin normalerweise vorsichtig mit Prognosen, aber in diesem Falle bin ich mir sicher, dass wir noch viel von der Band zu sehen und zu hören bekommen werden. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Bassist Rikard Edlund bald wieder erholt und die nächste Tour wieder mit ihm starten kann.