Grorr – The Unknown Citizens Tipp

Grorr – The Unknown Citizens
    Progressive (Death) Metal

    Label: Vicisolum Productions
    VÖ: 14.11.14
    Bewertung:8/10

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GRORR – schreit es aus Frankreich. Seit über zehn Jahren aktiv, thematisierten die Progressiv-Metaller auf dem letzten Konzept-Album noch eine Ameisen-Zivilisation. Dieses Mal geht es jedoch um ein Gedicht des amerikanischen Schriftstellers W.H. Auden. Auf dem dritten Album werden drei Bürger in drei Abschnitten mit je drei Songs vorgestellt, stellvertretend für viele Menschen.

Das erste von drei Kapiteln bestreitet der Kämpfer, der zur Waffe wird, mit sich hadert, das Biest im Menschen verteufelt und alle Erinnerungen löschen will, um Frieden zu finden.

Eröffnet mit metallischen Schlägen wird eine Riffwand hochgezogen, die mit dem vertrackten Schlagwerk sehr schnell an MESHUGGAH erinnert. Pathetische Orchesterklänge verdichten den Sound, während das metallische Schlagen im Hintergrund eine Leitlinie angibt. Dramatische Growls befassen sich mit der Unmenschlichkeit im Krieg.
Bald geht der Gesang über in melodisches Shouten, pompöse Blechbläser schwanken zwischen freundlicher Harmonie und Apokalypse – letzteres bekommt Unterstützung von fiesen Gitarrentönen, so dass die Stimmung insgesamt ganz schön düster ist. Nachdem die Konfrontation mit dem kalten, bösartigen Selbst hart war, werden in Teil 1.3 „Oblivion" in ruhigen Passagen die Wirren des Soldaten verarbeitet, dessen Biest jedoch immer wieder ausbricht.

Im zweiten Kapitel ist der Krieg vorbei, ein Arbeiter lebt arm und unglücklich vor sich hin, bis er seinen Sinn im Arbeiten für die nächste Generation – genauer seinen Sohn – findet.

Folkloristisch anmutende Instrumente bringen merkwürdige Harmonien hervor. Kombiniert werden diese mit dem bekannten deftigen Riffing und Drums, die nicht jede Taktart verraten.
Auf der Geige kratzt jemand, später meint man, dies sei eine Lebensuhr, die unerbittlich in Richtung Ende läuft. In Teil 2.2 „You Know You're Trapped..." fühlt sich der Arbeiter noch gefangen in seinem Schicksal, orientalischer Mehrfach-Gesang in Italienisch fügt passend eine exotische Note ein. Zackig wird auf dem Bass gezupft, hüpfende Synthies verstärken den Rhythmus und sanft verschwindet der Unmut der harten Sechssaiter im Abschlussgesang der Hoffnung.

Kapitel Nummer drei hat einen Träumer zum Thema, der alles hinter sich lässt und einer Utopie ohne weltlichen Konsum nachhängt, sich jedoch im Ideal verliert und in die Einsamkeit weiter geht.

Träumerisch ist der Einstieg in die letzten drei Stücke wirklich, doch der gnadenlose Taktstock des Schlagzeugers hämmert bald los, ein kontinuierlicher Bass bringt Atmosphäre ins Spiel. Es wird offenherzig gerockt, dann tönt es zeitweise hintergründig wie ein Krankenhausgerät des Herzschlags, und schließlich verhallen die letzten Rufe, Schläge und Töne in der Einöde.

Fazit: Inhaltlich interessant aufgezogen, musikalisch mehr erzählend, als sich an üblichen Songstrukturen orientierend haben GRORR ein starkes Album erschaffen, welches nicht nur metallisch-brutal ist. Die Musik der Franzosen lebt von Riffs und Rhythmen, diverse Stimmungen werden kreativ erzeugt, ohne dass der mächtige Grundsound verloren geht. Viele Fragen werden gestellt, Geschichten erzählt und Anhänger von GOJIRA oder auch MASTODON sind herzlich eingeladen, in „The Unknown Citizens" reinzuhören.