Uli Jon Roth - Scorpions Revisited

Uli Jon Roth - Scorpions Revisited
ULI JON ROTH war in den Siebzigern nur fünf Jahre lang Mitglied der SCORPIONS. Das ist in Anbetracht des 50. Bandjubiläums, das die Rocker aus Hannover bereits feiern, eigentlich nur ein Klacks. Sein Einfluss in den frühen Tagen, der auf den vier Werken "Fly To The Rainbow", "In Trance", "Virgin Killer" und "Taken By Force" zu hören ist, kann hingegen gar nicht überschätzt werden.

Während sich die SCORPIONS nach geplanter Bandauflösung, Abschiedsalbum und ewig andauernder Abschiedstour gedacht haben: "Och, wir machen doch weiter, und veröffentlichen auch noch 'ne neue Scheibe", verwaltet Roth lieber das Erbe der frühen SCORPIONS, die - das muss wohl jeder Fan zugeben - heutzutage nicht mehr viel mit dem gemein haben, was sie früher einmal waren. ULI JON ROTH hat mit Sänger Nathan James, den Gitarristen Niklas Turmann und David Klosinski, Bassist Ule W. Ritgen, Drummer Jamie Little und Keyboarder Carvin Bahn eine mehr oder minder bekannte Backing Band um sich geschart, um auf dem Doppelalbum "Scorpions Revisited" Songs der vier Alben, an denen der Gitarrist beteiligt war, neu aufzunehmen. Roth hat dabei seine persönlichen Faves heraus gepickt und versucht laut eigener Aussage, die Nummern aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten, ohne die Originale aus den Augen zu verlieren.

Einige Puristen und Hardcore-Fans des originalen Materials werden sich vermutlich schon daran stören, dass es überhaupt jemand wagt, die alten Songs neu aufzunehmen, und dann auch noch ohne Klaus Meine als Sänger - selbst, wenn es der ursprüngliche Gitarrist ist. Andere haben vielleicht genau auf so etwas gewartet, dann eines hat ULI JON ROTH zweifellos geschafft: In den Hannoveraner Studios, in denen die SCORPIONS in den Siebzigern probten, für einen passenden Sound zu sorgen, der weder zu retro noch zu modern klingt. Oder anders ausgedrückt: Die Soundqualität ist bei weitem sauberer und besser als die der Originale. Und so vertont die mehrköpfige Truppe innerhalb von 1 ¾ Stunden auf zwei CDs mit 19 Tracks Klassiker wie "Virgin Killer", "In Trance", "Pictured Life", "We'll Burn The Sky" und das unvermeidliche Opus "Fly To The Rainbow", das Roth mit dem Instrumental "Rainbow Dream Prelude" eröffnet. Eine ganze Latte an weit weniger bekannten Songs der vier Alben mit Roth-Beteiligung ergänzt die Doppel-CD, der in diesem Jahr noch eine Live-DVD/BD folgen soll.

Sänger Nathan James ist kein Klaus Meine. Er vertont die Songs auf seine eigene Weise, die nicht überragend, aber doch meist passend ist. Roth selbst steht selbstverständlich im Mittelpunkt und spielt sich an seiner Sechssaitigen die Finger wund. Das ist für mich ein bisschen zu viel, da in zahlreichenSongs nicht der Song selbst, sondern die frickelige Gitarrenarbeit im Vordergrund steht. Klar, ein Virtuose wie Roth muss sich (jetzt erst recht) in seinen Songs austoben dürfen. Aber wenn es nicht mal eine kleine Atempause ohne Lead, Lick, Filler und Solo gibt, ist das doch ein bisschen übertrieben. Zumal nicht jede der unbekannteren Nummern auch wirklich ein Highlight ist, das der Gitarrist hätte neu vertonen müssen. 

So sind es dann eben doch die bekanntesten Nummern der vier unter Beteiligung von Roth entstandenden Alben, die am meisten Freude bereiten und deren Neuvertonungen ganz hörenswert sind. Handwerklich ist alles gut, Feeling versprüht zumindest Roth auch - aber irgendwie will der Funke mindestens bei der Hälfte des Materials nicht wirklich zünden, so dass "Scorpions Revisited" von allen, die das Material nicht mit der Muttermilch aufgesogen haben (also alle Hörer bis 35...) nur als "ganz okay" durchgewunken werden kann.