Blackfield - V Tipp

Blackfield - V

Nach dreieinhalb Jahren seit dem letzten Output melden sich BLACKFIELD mit ihrem fünften Album, das den schlichten Titel ”V“ trägt, in aller Eleganz und Schönheit zurück.

Nachdem die letzten beiden Alben eher Alleingängen von Aviv Geffen glichen, da Steven Wilson sich stärker seiner Solokarriere widmete, scheint es jetzt wieder eine echte Kollaboration zu geben. Zwar hat Geffen wie auf allen Alben den Großteil der Songs geschrieben, aber Wilson greift wieder vermehrt in die Performance ein. Er hat auch das Mixing übernommen und die Songs mehrfach überarbeitet. „V“ ist besser als Album Nummer drei und vier, in Sachen Produktion und Sound schneidet es sogar besser als die ersten beiden Alben ab. Die 13 Nummern schwelgen in gefühlvollen eingängigen Melodien, sind in glänzenden Arrangements in Szene gesetzt und ergehen sich in der Kunst vollkommener Melancholie.

Wilson hatte auch die Idee für das Coverartwork. Die Flasche vom Debüt-Cover, die die beiden vor langer Zeit ins Wasser geworfen haben, wurde wie durch ein Wunder wieder an den Strand gespült. Das von Lasse Hoile fotografierte Motiv ziert nun die Frontseite des neuen Albums und steht symbolisch für die wiedergewonnene Stärke des Duos aus den frühen Tagen. Wilson hat der Platte ein übergeordnetes Thema gegeben. Sie stellt ein loses Konzeptwerk dar, das Geschichten vom Ozean und dem Lebenszyklus erzählt – das Meer als Reflektion unseres Lebens.

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Geffen und Wilson – zwei grundauf verschiedene Charaktere

Aviv Geffen und Steven Wilson sind schon ein sonderbares Paar. Auf der einen Seite ist da der extrovertierte, selbstverliebte Israeli, dem das introvertierte, arbeitswütige Multitalent aus Großbritannien gegenüber steht. Für den aus der Pop-Indie-Ecke stammenden Geffen, der zugibt, kein großer Fan von Progrock zu sein, darf ein Song nicht über drei, vier Minuten gehen. Wenn sie im Studio sind und Wilsons Solo über vierzig Sekunden dauert, wird er sofort von Geffen zurechtgewiesen. Steven ermahnt Geffen dagegen ständig, die Orchesterarrangements nicht zu übertreiben. Geffen hat ein sicheres Händchen für großartige Harmonien, würgt seine Songs aber oft abrupt ab. Während Wilson eher zum Epischen, Ausufernden neigt und seinen Kompositionen Zeit gibt, sich zu entfalten.

Obwohl die beiden Freunde, die fast täglich miteinander telefonieren und auch über andere Dinge als nur Musik reden, wenig gemeinsam haben, eint sie doch eines: Sie sind beide hoffnungslose Romantiker. Der eine, der die Trennung von seiner großen Jugendliebe nie richtig überwunden zu haben scheint. Der andere, der als politisch Aktiver ob des Weltschmerzes Trost und Hoffnung in der Musik sucht. Diese hemmungslose Sentimentalität spiegelt sich in ihren gemeinsamen Werken wider, deren Magie man sich nur schwer entziehen kann.

V – eine abwechslungsreiche Platte mit außerordentlicher Ohrwurmdichte

Nach dem Streicher-Präludium „A Drop In The Ocean“ wird das Album von „Family Man“ eröffnet, das einer Session aus den Ende-90ern von PORCUPINE TREE entsprungen sein könnte. Durch die geschmeidigen Keyboard-Klänge stichelt ein dezent rockiges Riff. In FLOYDschen Bombast getauchte feinfühlige Melodien und seelenvoller Gesang formen einen faszinierenden Artrock-Song. Eine Steigerung im PORCUPINE-TREE-Kontext findet das darauf folgende „How Was Your Ride?“. Unvorstellbar schöne Gesangsharmonien gleiten über einen fragilen Klavierlauf, der den Hörer mit einer wehmütigen Wucht trifft. Produzenten-Legende Alan Parsons setzt dem einzigartigen Song in seiner unnachahmlichen Oldschool-Manier am Mischpult das Sahnehäubchen auf. Auch bei „Family Man“ und „Sorrys“ hatte er seine Zauberfinger im Spiel.

Besonders Geffens Gesang, der in gut der Hälfte aller Lieder zu hören ist, hat deutlich an Anziehungskraft gewonnen. Das beweist das auf akustische Gitarre und dezentes Piano reduzierte „Sorrys“. Seine rauchige, zittrige Stimme gibt dem sehr persönlichen Song, der das Vernachlässigen seiner Vaterrolle beschreibt, in seiner Zerbrechlichkeit eine äußerst emotionale Tiefe.

Die gezielte Kombination mit Streichern ruft verschiedene Assoziationen hervor. Während diese zusammen mit cleanen Gitarren im Indie-like „We’ll Never Be Apart“ an R.E.M. gemahnen – eine ähnliche Symbiose taucht in dem leichtfüßigen märchenhaften Instrumental „Salt Water“ auf – ist bei „Life Is An Ocean“ im Zusammenspiel mit Piano eine gewisse RADIOHEAD-Verbundenheit nicht zu leugnen. Ein Highlight stellt sicher „October“ dar: eine unerfüllte Liebe, ein von Sehnsucht geplagtes Herz, Romantik pur. Perlendes Pianospiel und die in den Himmel ragenden Streicher des London Sessions Orchestra, auf denen der zu Tränen rührende Gesang Wilsons thront, ziehen einem den Boden unter den Füßen weg.

Selbst das im ersten Moment mit härteren Gitarren sperrig wirkende „The Jackal“ wird im weiteren Verlauf genial ins gewohnte BLACKFIELD-Soundgefüge eingebettet, das Wilson mit einem fulminanten Gitarrensolo veredelt. „Undercover Heart“, das an manchen Stellen fast James-Bond-Soundtrack-Qualitäten annimmt, besticht durch einen zum Sterben schönen Refrain, von dem man sich wünscht, dass er nie mehr enden würde. Als Background-Sängerin ist die Israelin Alex Moshe zu hören, die auch kurz in dem heiteren „Lately“ vertreten ist, und in dem trip-hopigen „Lonely Soul“ auf ganzer Linie zu überzeugen weiß. In stetiger Wiederholung hypnotisierend sorgt der Track mit den charakteristischen Streichern für wohlige BLACKFIELD-Wärme.

Den Abschluss des Albums macht „From 44 To 48“, die einzige Wilson-Komposition, die spontan an ALAN PARSONS PROJECT erinnert. Eine mit ruhigem Ernst vorgetragene Nummer von überwältigender Anmut, die einen, wenn die Streicher wieder einsetzen, wie die Flasche des Covers auf den Wellen des Ozeans dahintreiben lässt, in deren Glanz sich das Leben spiegelt.

BLACKFIELD haben mit „V“ zu alter Stärke zurückgefunden und präsentieren ihr seit Jahren bestes Album, wenn nicht das beste ihrer ganzen Karriere. Neben der Standard-CD gibt es „Blackfield V“ zudem als Limited-Edition mit CD und Blu-ray, die einen High-Resolution-Stereo- und 5.1-Surroundsound-Mix des Albums enthält. Vinylfreunde kommen mit der Doppel-LP oder der limitierten Picture-Disc-LP auf ihre Kosten.

Besetzung:

Aviv Geffen – vocals, guitar, keyboards
Steven Wilson – vocals, guitar, keyboards
Tomer Z – drums
Eran Mitelman – keyboards

Tracklist:

01. A Drop in the Ocean
02. Family Man
03. How Was Your Ride?
04. We'll Never Be Apart    
05. Sorrys    
06. Life is an Ocean
07. Lately
08. October
09. The Jackal
10. Salt Water
11. Undercover Heart
12. Lonely Soul
13. From 44 to 48