Klabautamann - Merkur Tipp



Stil (Spielzeit): Pagan / Black Metal (und mehr) (ca. 49 min.)
Label/Vertrieb (VÖ): Zeitgeister Music (23.06.09)
Bewertung: 9 / 10

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Manchmal ist man doch auch zu und zu schlafmützig! Vor Jahren hatte mir jemand eine CD gebrannt, da waren u.a. zwei Nummern von KLABAUTAMANN drauf; Zeugs, so geil wie leicht befremdlich: schwarz, angemessen räudig, mit folkigen, spätromantischen und obskuren Klängen unbekannter Herkunft kontaminiert. Später dann im Web oder auf `nem Sampler noch einige Male über andere Songs der Truppe aus Bonn gestolpert. Mit dem gleichen Resultat: etwas verwirrt und ziemlich angetan kam ich zum Zwischenergebnis, dass KLABAUTAMANN mit zum Interessantesten gehört, das deutscher Metal zu bieten hat. Zur Anschaffung von „Der Ort" oder "Our Journey through the Woods" kam es dennoch nicht. Die simple Erklärung steht oben.

Nach 4, 5 verstreuten Nummern lässt sich kaum abschätzen, ob sich auf dem Drittwerk großartig was verändert hat. Ich vermute mal: eher nicht.
Auch „Merkur" fußt auf gut gekühltem schwarzem Stahl, Up- und Mid-Tempo, durchbrochen von zahlreichen ruhigen Phasen aus allerlei melodischen und disharmonischen Spielereien: Mal leicht angejazzt und fürs Metallohr etwas schräg, dann wieder akustisch-romantisch. Letzteres mit Hang zum Arpeggio, will sagen: dass die Einzeltöne der Akkorde wie bei einer Harfe diachron gespielt werden. Hübsch verträumt. Dazu noch etwas Death Metal - Einfluß.
Mit dem üblichen Folk / Pagan Black Metal deutscher Bauart hat das am Ende nur an der Basis zu tun; abrupt springt das Duo Steffens / Toyka + Gäste durch die Genres & Atmosphären... Insbesondere die seltsamen Einlagen, die mich an lateinamerikanische Bossa Nova - Kapellen oder an Carlos „Samba" SANTANA denken lassen, führen jedes Nebelschwaden-im-finst'ren-Wald-Clichée ad absurdum. Der heidnische Purist wittert womöglich eine üble Verhohnepipelung und wendet sich mit erhobenem Mittelfinger ab. Selbst Schuld! Denn so skurril sich das liest und auf den ersten Hör auch klingt: es funktioniert! (Wenn denn die eigenen Hörgewohnheiten nicht allzu limitiert sind...)

Die dunkle Naturmystik, die oft die erstaunlich gefälligen Texte von Christian Kolf (Gitarrist / Sänger u.a. von VALBORG) bestimmt, wird durch die freakigen Ausbrüche seltsamerweise nicht gestört, sondern unterstrichen. Das Endergebnis mag ungewohnt klingen, es haucht dem frostig-metallischen Gerüst neue Lebensgeister ein und schärft die Konturen gegenüber der metallischen Basis. --- So abwechslungsreich die Musik, so auch der Vortrag der Texte, die von Tim Steffen als schwarzes Kreischen, dunkles Geraune, gegrowlt, klar oder in dramatischer Mehrstimmigkeit dargereicht werden. --- Den einzigen echten Ausrutscher leisten sich die Bonner (Texter / Gastsänger Christian?) bei „Der Wald ist ein Meer" --- Da gibt's für einige Momente typisch deutsches Klargesangs-Flachpathos, das üblicherweise einigen Teilen der Thüringer Szene den Yes-we- Kitsch-Stempel aufdrückt. Eine verschmerzbare Ausnahme.

Dass vielen Hörern der KLABAUTAMANN zu gewollt intellektuell und künstlerisch oder schlichtweg unausgegoren vorkommen dürfte, kann kaum bezweifelt werden. Ich finde „ihn" eher gekonnt: grenzerweiternd. Wobei weniger die harten Tempo- u. Stilkontraste an sich gefallen, als vielmehr deren Verschleifen beim (mehrmaligen) Hören. Ääh... es hat etwas von der Hell-Dunkel-Dynamik der Lichtverhältnisse in einem dichten Wald, wenn die Sonnenstrahlen durch die Kronen brechen und beinah greifbar zu werden scheinen. (Sorry, wegen dieser dunstigen Formulierung!)
Oder ein bisschen wie bei OPETH' psychedelischem Death Doom. --- Musikalisch ähnlicher und der vermutlich einzig sinnvolle Vergleich aber ist das Holsteiner Duo KERBENOK.  Aber wie auch immer:

Der „Pagan Black Metal mal anders" ist gewöhnungsbedürftig, aber kann zur Gewohnheit werden, weil sich gut groovende Riffs, romantische Anleihen und experimentelle Auswüchse in einem Verhältnis befinden, das -- so habe ich es gehört -- mit- oder hinreißend ist. Er lädt zur fröhlich Bangerey ebenso ein wie zum Relaxen, zum Schwelgen wie zum konzentriertem Zuhören. Und selbst als bloße Hintergrundmusik nervt er (mich) merkwürdigerweise nicht. Jedenfalls order ich jetzt endlich die ersten beiden Alben; mit deucht, da harren noch weitere erlebnisreiche "Waldspaziergänge".