Geschrieben von Donnerstag, 20 Mai 2010 19:46

Rhapsody Of Fire - Interview mit Gitarrist Luca Turilli zu "The Frozen Tears Of Angels"



Für RHAPSODY OF FIRE kann es momentan gar nicht besser laufen: "The Frozen Tears Of Angels" ist das erste Album seit vier Jahren und noch dazu ein absoluter Meilenstein, der einen deutlich härteren und dunkleren Sound als die Vorgänger präsentiert. Für die Italiener stellt die CD einen Neuanfang dar. Gitarrist Luca Turilli erklärte am Telefon, wie es zu der neuen Ausrichtung des Bandsounds kam, wie Englisch, Latein und Italienisch zueinander passen, welche Filmsoundtracks ihm am Herzen liegen und weshalb Sascha Paeth ein Tausendsassa ist, der auf mehreren Hochzeiten tanzt.


Hey Luca! Alles klar bei dir? Was steht momentan bei dir an?

Momentan genieße ich es vor allem, dass wir endlich in der Lage dazu waren, das neue Album zu veröffentlichen. Darüber sind wir so glücklich, das glaubst du gar nicht. (lacht)

Das bedeutet, du bist sehr zufrieden mit der neuen Scheibe.

Absolut! Das war nach vier Jahren Stille ein wichtiger Schritt für uns, es ist absolut fantastisch.

Es hat ja tatsächlich eine ganze Weile gedauert, bis ihr "The Frozen Tears Of Angels" herausbringen konntet. Ist das ausschließlich dem Rechtsstreit mit eurem alten Management Magic Circle Music zu verdanken?

Ja, mit Magic Circle haben wir einen Rechtsstreit laufen, weshalb ich auch gar nichts zu dieser Sache sagen kann. Aber die Veröffentlichung der neuen CD ist ein Schritt in eine positivere Richtung.

Also kann man sagen, dass die Situation nun einem Neubeginn gleichkommt?

Auf jeden Fall! Du musst verstehen, wenn man vier Jahre nichts veröffentlichen kann, dann ist das für eine kreative Person sehr schwierig. Vier Jahre sind eine lange Zeit.

Die Pause wegen des Rechtsstreits hat ca. ein Jahr gedauert, von 2008 bis 2009. Hätte das Album also eigentlich bereits ein Jahr früher erscheinen können?

Nein, nein, ganz und gar nicht! Zumindest nicht in dieser Form. Wenn wir genug Zeit gehabt hätten, hätten wir wohl eine anders klingende CD veröffentlicht. In unserem normalen Rhythmus hätten wir nach "Triumph Or Agony", das 2006 erschienen ist, 2008 ein neues Werk veröffentlichen müssen. Das Ergebnis hätte dann aber wohl anders geklungen. Dank der vier Jahre Zeit haben wir die Möglichkeit bekommen, zuvor aufgenommene Songs durchzuhören und uns dafür entschieden, nichts von dem alten Material zu benutzen. Wir haben also wieder bei Null angefangen. Komponiert haben wir die Songs ca. ein Jahr, bevor wir ins Studio gingen, also im September 2009.

Also sind wirklich alle Songs komplett neu.

Genau. Ich will gar nicht wissen, wie viele Songs wir in den letzten Jahren in die Tonne geschmissen haben. (lacht) Wahrscheinlich um die 30 oder 40.

Die Fans können jedenfalls sehr zufrieden mit "The Frozen Tears Of Angels" sein, es ist absolut fantastisch.

Oh, vielen herzlichen Dank!

Es klingt definitiv wie ein Neuanfang. Würdest du mir zustimmen, dass es das bisher härteste und düsterste RHAPSODY OF FIRE-Album ist?

Definitiv! Es gibt einige Leute, die unsere Musik als "cheesy" empfinden. Dieses Album ist jedoch wie ein Faustschlag ins Gesicht, zumindest für unsere Verhältnisse. (lacht)

"Reign Of Terror" sticht dabei mit Fabios aggressivem Gesang ja geradezu heraus, weil es eine sehr harte Nummer ist, die mich fast schon an Black Metal denken lässt.

Naja, weißt du, ich mag normalerweise keinen Black Metal. In der Regel geht es da ja um negative Vibes, um das Böse und so weiter, und ich bin genau für das Gegenteil. Wir lieben aber extremen Metal mit seinem Adrenalin und der Power dahinter, vor allem mit einer symphonischen Ecke – eben so, wie wir es mit "Reign Of Terror" gemacht haben. Der Kontrast zwischen extremem Metal und der positiven Einstellung von RHAPSODY OF FIRE, wie die Liebe zur Mutter Erde, Respekt und Hoffnung, ist kennzeichnend für diese Nummer. Für uns ist es einfach pures Adrenalin, wenn Fabio so aggressiv singt.

Du hast es ja schon angesprochen, der Kontrast zwischen dem RHAPSODY OF FIRE-typischen Chorus und den harten Strophen ist etwas Neues für euch.

Wir haben schon bei "When Demons Awake" von "Power Of The Dragonflame" etwas Ähnliches probiert, aber das war noch etwas anderes. Wir mögen die mystischen Elemente von Horrorfilmen aus den Siebzigern, die wir auch in unsere Musik zu integrieren versuchen. Das Kino generell ist meine große Leidenschaft, egal ob Horror- oder Actionfilme mit großen Special Effects, und wir versuchen, manche dieser Elemente in unsere Musik zu übernehmen.

Gibt es denn spezielle Einflüsse für den neuen, dunkleren Bandsound?

Nein, eigentlich nicht. Eine Inspiration besonders für dieses Album und auch generell sind aber CRIMSON GLORY. Alex' und mein Lieblingsalbum ist "Transcendence", das war eine sehr wichtige CD für uns. Diese Mischung aus epischer Musik, der – ich weiß nicht wie ich es anders sagen soll – kalten Produktion und gleichzeitig warmen Vibes... Wir wollten ein bisschen was davon für unser neues Album haben, denn in diesem lyrischen Konzept geht es um Kälte. Textlich wollten wir die Reise unserer fünf Charaktere von ihrem Heimatland zu den eisigen, nördlichen Gegenden präsentieren und musikalisch die Gefühle der Charaktere auf dieser Reise darstellen. Ich wollte ein Album erstellen, das sich mehr mit den inneren Gefühlen der Menschen als den typischen Erzählungen wie "Triumph Or Agony" oder "Symphony Of Enchanted Lands II" beschäftigt.

Die Erzählpassagen sind nicht mehr so umfangreich wie auf den letzten Alben ausgefallen. War das eine bewusste Entscheidung?

Nein, aber uns ging es diesmal um ein Album mit 50 bis 55 Minuten Spielzeit, das damit deutlich kürzer als die Vorgänger ausgefallen ist. Auf den letzten beiden Alben musste erst einmal das lyrische Konzept eingeführt und die neue Saga vorgestellt werden.

Um ehrlich zu sein, konnte man bei den Alben manchmal schon das Gefühl haben, dass ihr es etwas übertrieben habt.

Lass es mich so sagen: "Symphony Of Enchanted Lands II" haben wir aufgenommen, nachdem wir die "Herr der Ringe"-Trilogie genossen hatten. Wir wollten den RHAPSODY-Fans das Gefühl geben, nur die Kopfhörer aufsetzen zu müssen und so in Gedanken zu einem ähnlich angelegten Krieg reisen zu können. Wir wollten für unsere Musik und die Fans das selbe Feeling wie das der Filme erreichen. Für uns bleibt "Symphony II" ein enorm wichtiger Punkt in unserer Diskographie, vor allem auch deshalb, weil wir zum ersten Mal mit Christopher Lee arbeiten konnten.

Kommen wir wieder zurück zu "The Frozen Tears Of Angels". Erwähnenswert ist der italienische Song "Danza Di Fuoco E Ghiaccio", der einen an einen mittelalterlichen Hof versetzt.

Ja, absolut. Auf "Symphony II" ist mit "Guardiani Del Destino" ja ein ähnlicher Song enthalten. Dieses Mal wollte ich einen an die Renaissance angelehnten Track komponieren. "Danza Di Fuoco E Ghiaccio" benötigt beim Gesang eine besondere Betonung, denn die Lyrics sind so spezifisch, dass es auf Englisch nicht das Gleiche gewesen wäre. Auf Italienisch kannst du manche altertümliche Worte benutzen, die sich nicht einfach so in eine andere Sprache übersetzen lassen. Wenn Fabio italienisch singt, dann ist das absolut magisch für uns. Deshalb versuchen wir Album für Album, unsere Sprache mit einzubringen.

Das macht die Alben sehr abwechslungsreich, und richtig interessant wird es, wenn neben Englisch und Italienisch auch noch Latein ins Spiel kommt. Aber ist es nicht etwas schwierig, mehrere Sprachen gleichzeitig zu verwenden?

Nein, für mich bedeutet das vielmehr Spaß. Klar, Englisch ist am meisten vertreten, aber irgendwann benutzt man immer die gleichen Wörter. Das Englische erlaubt dir manchmal nicht, genau das auszudrücken, was du zu sagen versuchst, während ich mich mit dem Italienischen viel besser ausdrücken kann. Verglichen mit dem Englischen haben einige italienische Wörter schier unendlich viele Bedeutungen. Latein verwende ich dann, wenn es um mystische, "heilige" Parts geht, da die Sprache dort zu 100 Prozent passt.

Auffällig sind die vielen verschiedenen Soli. Neben dir an der Gitarre setzt Alex verstärkt auf Alleingänge am Keyboard, und besonders hervorzuheben ist das tolle Bassspiel von Patrice, das mir vorher noch nie so aufgefallen ist.

Das ist bei diesem Album auch zum ersten Mal der Fall. Wir hatten kein richtiges Orchester, was sich im Endeffekt als großer Vorteil für den Sound herausgestellt hat. Dank der großartigen Arbeit von Mixer Sascha Paeth konnten wir auf diese Weise den Klang mit lauten Soli und eben lautem Bassspiel akzentuieren. Wie du schon gesagt hast, war das vor allem im Falle des Basses vorher noch nie der Fall.

Sascha hat ja auch die beiden neuen AVANTASIA-Alben produziert. Es scheint, als sei er überall.

Überall! (lacht) Aber in unserem Fall war Sascha nicht der Produzent, sondern er hat das Album nur gemixt. "The Frozen Tears Of Angels" ist die erste CD, die Alex und ich alleine produziert haben. Aber der Mix ist das Wichtigste am ganzen Album, und da ist Sascha nicht zu übertreffen. Wenn wir uns jetzt nach jemand neuem umschauen müssten, würden wir damit alles ruinieren. In Sascha haben wir den heiligen Gral gefunden, er ist der Magier hinter jedem Mix – vor allem bei einer Band wie RHAPSODY, die mit den vielen symphonischen Elementen sehr schwer zu mixen ist. Wir könnten keinen großartigeren Mann und Freund als Sascha für diesen Job finden. Er besitzt ein großartiges Talent, und gleichzeitig ist er die bescheidenste Person, mit der man zusammenarbeiten kann.

Du hast bereits erwähnt, wie wichtig dir Filmsoundtracks sind. Gibt es so etwas wie einen Lieblingsscore?

Mich beeinflussen natürlich die Soundtracks, aber auch die Filme selbst. Was den Soundtrack angeht: "Batman" war wegbereitend für die Gründung von RHAPSODY OF FIRE und ist somit definitiv ein Kandidat für den Favoriten, zusammen mit "Batman Returns". Und natürlich alle Filme mit Tonnen von Special Effects. (lacht)

Und die "Herr der Ringe"-Soundtracks...

Oh, die sind absolut fantastisch!

Kennst du die "Complete Recordings"?

Aber natürlich! Es war eine tolle Idee, den Score der kompletten Filme zu veröffentlichen. Ich reise öfter von Italien nach Frankreich, und ich glaube, in Lyon wird demnächst der komplette Score des ersten Films inklusive Chöre und allem drum und dran aufgeführt, und das ist etwas, was du in deinem Leben auf keinen Fall verpassen darfst.

Kannst du dir vorstellen, selbst einen klassischen Filmsoundtrack zu komponieren?

Ich kann es mir vorstellen, und ich habe bereits einige Demos angefertigt. Aber es ist so: Wenn man vollen Freiraum für seine Songs hat, so wie wir mit RHAPSODY OF FIRE, und man in ein Feld kommt, in dem einem verschiedene Leute sagen, was man zu tun hat... Das würde ich nicht gerade genießen.

Wie sieht's denn mit Tourplänen aus?

Wir fangen gerade damit an, eine Tour zu planen. Ich denke, nach dem Sommer werden wir starten. Erst Europa im September, Oktober und November, dann im Anschluss die ganze Welt. Und natürlich planen wir auch mit Festivalauftritten im Sommer 2011. Nach vier Jahren wieder auf der Bühne zu stehen, ist eine tolle Aussicht.

Auf die Tour kann man sich also freuen. Luca, ich denke, wir sind am Ende angekommen. Ich danke dir sehr für dieses Interview!

Danke ebenfalls, es war mir eine Freude!