Geschrieben von Montag, 27 April 2009 18:51

Papa Roach - Interview mit Jacoby Shaddix und Tony Palermo

Papa Roach Bandmitglieder 2006 (vlnr: Dave Buckner, Tobin Esperance, Jacoby Shaddix, Jerry Horton) Papa Roach Bandmitglieder 2006 (vlnr: Dave Buckner, Tobin Esperance, Jacoby Shaddix, Jerry Horton) Foto by Zach Graves from San Jose, United States

Zach Graves from San Jose, United States, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Anfang des aktuellen Jahrtausends eroberte der Nu Metal die Welt und löste sozusagen den Grunge der 90er ab, an dem sich die Fans mittlerweile satt gehört hatten. Neben Bands wie LIMP BIZKIT, KORN oder LINKIN PARK schossen auch urplötzlich PAPA ROACH mit ihrem 2000er Werk „Infest" auf die Bildfläche, welches Ihnen unter anderem durch die Hits „Last Resort", „Broken Home" und „Between Angels And Insects" 3 Platin-Auszeichnungen bescherte. Dabei war „Infest" bereits ihr zweites Werk, denn das eigentliche Debüt „Old Friends From Young Years" erschien schon 1997.

Fast 10 Jahre später und nach 3 weiteren ziemlich erfolgreichen Alben und Hits wie „Scars" und „To Be Loved" bescheren uns PAPA ROACH jetzt ihr mittlerweile sechstes Studioalbum „Metamorphosis". Auf „Metamorphosis" verabschieden sie sich zwar komplett von Ihren Nu Metal-mäßigen Rapeinlagen, der Groove und die Aggressivität der Anfangstage bleibt aber dennoch erhalten. Alle weiteren Einzelheiten zum neuen Album, die zukünftigen Pläne der Band und auch einige private Dinge verrieten uns Frontmann Jacoby Shaddix und der neue Drummer Tony Palermo vor der Show in Hamburg im Interview.

Willkommen in Hamburg! Schön, dass Ihr Euch hierzulande auch mal wieder auf einer Clubtour blicken lasst! Wie war der erste Teil Eurer Europatournee und besonders die Reaktionen der Fans auf die neuen Songs von „Metamorphosis"?

Jacoby: Es läuft total super bisher. Es ist unsere erste Headlining Tour seit über 1 ½ Jahren. Wir sind in letzter Zeit nur als Support unterwegs gewesen für Bands wie MÖTLEY CRÜE, STAIND, SEETHER oder AVENGED SEVENFOLD und hatten immer nur etwa 45 Minuten Spielzeit. Als wir gehört haben, dass es für uns als Headliner nach Europa geht, dachten wir alle nur: „Fuck, yes - this is amazing!" Auf dieser Tour spielen wir 1 ½ Stunden pro Show, was wir in der Vergangenheit noch nie gemacht haben. Das ist total cool, da wir so Songs aus allen unseren Alben spielen können. Ich bin damit verdammt glücklich und gehe sogar jeden Abend nach den Shows raus, um Autogramme zu geben und Fotos mit den Fans zu machen - aber hauptsächlich, um mit ihnen über die jeweiligen Gigs zu sprechen und zu erfahren, was ihnen gefallen hat und was nicht. Insgesamt ist dabei rausgekommen „that this fucking tour kicks ass" und das motiviert uns noch viel mehr. Fast jedes Konzert dieser Tour ist ausverkauft.

Cool! Welche Songs des neuen Albums kommen denn am besten bei den Fans an?

Jacoby: Ich würde sagen „Days Of War" und „Change Or Die", mit denen wir jeden Abend die Shows eröffnen. Als wir das Album geschrieben haben, war es von vorne herein unsere Absicht, dass der erste Song auf dem Album auch der sein wird, mit dem wir die Konzerte eröffnen. Er ist energiegeladen und punkig - einfach perfekt als Intro.

Das stimmt - allein schon auf dem Album.

Jacoby: „Yeah - exactly it gets the people pumped up!" Dann kommt "Had Enough" noch super an - das ist einer der softeren und textlich gesehen sozialkritischeren Songs auf dem Album. Gerade für uns als Band ist es toll, diesen Song live zu performen, da er die Vielfältigkeit unserer Musik zeigt. Die Reaktionen der Leute sind großartig. Ich sage ihnen aber auch immer, dass sie auch auf die Texte achten sollen. Jedenfalls gehen sie total ab, singen und springen mit und haben einfach Spaß. „I Almost Told You" geht auch noch wunderbar.

Auf jeden Fall ! Textlich gesehen ist der Song ja etwas dreckiger.

Jacoby: Absolut! „The first sexual beast we've ever written!" Dieser Song wird definitiv in Strip Clubs gespielt werden. (lacht) Wir drehen in 10 Tagen ein Musikvideo zu dem Song - das wird super.

In 10 Tagen schon? Dreht Ihr das Video in Europa? 

Jacoby: Nein - in Vancouver, Kanada. Wir fliegen direkt nach der Tour dorthin. „Jet-lagged - making a fucking rock video!" So muss es sein. (lacht) Ich freu mich riesig drauf.

Das neue Album sollte zuerst „Days Of War; Nights Of Love" heißen. Warum habt Ihr Euch letztendlich doch für „Metamorphosis" als Titel entschieden?

Jacoby: Ich wollte bereits unsere letzten Alben „Days Of War; Nights Of Love" nennen. Es ist der Titel eines Buches, das ich gelesen habe und sehr mag. Aber letztendlich war uns das als Albumtitel zu lang. Wir wollten einen kurzen, auffälligen Titel, den sich die Leute gut merken können. „Metamorphosis" bringt alles, was mit PAPA ROACH in letzter Zeit passiert ist, auf den Punkt. Die ganzen Veränderungen - wir haben einen neuen Drummer, ein neues Management und einen neuen Booker. Eine komplett neue Energie umgibt die Band und das alleine sind schon viele Veränderungen, durch die wir in letzter Zeit gegangen sind.

Dann umfasst das Album auch viele verschiedene Musikstile: es gibt Punkrock- und Metalelemente, aber auch einige Pop- und Rock'n'Roll-Passagen. Das alles zusammenbetrachtet bedeutet einfach Veränderung und Evolution und das ist die Metamorphose von PAPA ROACH.

Gab es auch persönliche Veränderungen in Deinem Leben, die Dich dazu inspiriert haben, das Album „Metamorphosis" zu nennen?

Jacoby: Ja - vor einigen Jahren habe ich eine schlimme Phase durchgemacht. 2005 hatte ich einen Nervenzusammenbruch, und habe sogar versucht, mein eigenes Haus niederzubrennen. Ich war nur noch ein durchgeknallter, alkoholabhängiger Drogensüchtiger, der sich selbst gehasst hat. Glücklicherweise hatte ich irgendwann einen hellen Moment, in dem mir bewusst geworden ist, dass es so nicht weitergehen kann und ich sterben werde, wenn ich mein Leben nicht änder. Mittlerweile habe ich aber gelernt, mich selbst und auch meine Mitmenschen wieder zu lieben.

Oh - das ist wirklich heftig. Lass uns lieber das Thema wechseln. Ihr habt Jay Baumgardner wieder als Produzent gewählt, mit dem ihr bereits auf „Infest" zusammengearbeitet habt. Was habt Ihr Euch davon versprochen?

Jacoby: Das neue Album sollte nicht zu glattgebügelt rüberkommen. Es sollte facettenreich sein, aber wir wollten es trotzdem nicht überproduzieren. Für Jay zählt das Motto „Weniger ist mehr" und das war uns sehr wichtig. Wir wollten rohe Rock'n' Roll Gitarrenstücke und die poppigeren Songs wie „Carry Me" oder „Lifeline" sollten trotzdem dazu passen. Daher haben wir zum Beispiel bei „Carry Me" viel mit verschiedenen Elementen gearbeitet: mit Gitarren, Keyboards und Stimmharmonien. Das ist die ganze Idee dahinter - das Album sollte nicht nur in eine Richtung gehen oder überproduziert werden. So ist es leider mit vielen Alben heutzutage - es ist kaum möglich, die Songs live so zu performen, wie sie auf dem Album klingen. Schaust Du Dir die Show nachher noch an?

Klar - auf jeden Fall!

Jacoby: Sehr gut! „We fucking perform the shit out of this new material." Ich bin total glücklich mit dem neuen Album!

Cool - ich bin sehr gespannt!

Jacoby: Auch wenn meine Stimme gerade noch etwas heiser ist - nachher wird sie kräftig sein - das verspreche ich! (lacht)

Tony ist der Neue im PAPA ROACH Team. Hat sein Stil als Drummer Euren Sound Deiner Meinung nach beeinflusst?

Jacoby: Auf jeden Fall. Erstmal verstehen wir uns super - er ist ein unglaublich netter Mensch. Er ist sehr lustig und hat einen tollen Humor und wir haben viel gemeinsam. Außerdem muss ich mir nicht mehr so viele Gedanken machen, da man sich absolut auf Tony verlassen kann. Dadurch kann ich mich mehr auf meine Rolle als Bandleader konzentrieren und das ist total cool. Außerdem ist er ein verdammt talentierter Drummer. Immer, wenn ich mich während einer Show zu ihm umdrehe denke ich nur krass, wie viel Energie dieser Typ hat.

Er kommt eher aus der Punk Rock Szene und hat vorher in verschiedenen Epitaph Bands wie PULLEY oder TEN FOOT POLE und einer Rock Band namens UNWRITTEN LAW gespielt. Sein Stil hat also definitiv das Album beeinflusst - besonders „CHANGE OR DIE" ist ein absoluter Punk Rock Kracher. Aber auch das eher ruhigere „Had Enough", das sogar fast ein wenig an U2 erinnert, ist von Tonys Stil geprägt. Er hat Einflüsse aus vielen verschiedenen Bereichen und es war toll mit ihm ein Album aufzunehmen. „I love him to death!"

Bei einigen Songs von „Metamorphosis" hast Du Dich textlich gesehen offensichtlich auch von den politischen Ereignissen in der Welt beeinflussen lassen, wie beispielsweise von der Wahl in Amerika oder der weltweiten Wirtschaftskrise. Meiner Meinung nach merkt man das besonders bei „Lifeline" oder „State Of Emergency". Stimmt das?

Jacoby: Auf jeden Fall.

Tony Palermo gesellt sich für den Rest des Interviews zu uns.

Jacoby: Jedenfalls habe ich natürlich mitbekommen, was zu der Zeit, als wir das Album geschrieben haben, so alles in der Welt passiert ist. Besonders Sacramento hat es sehr hart getroffen. Nirgendwo in Amerika gab es so viele Zwangversteigerungen. Dadurch haben so viele Familien Ihre Häuser verloren, müssen jetzt mehrere Jobs annehmen und zahlen alles mit Kreditkarte, um überhaupt überleben zu können. Diese Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit hat textlich das Album sehr inspiriert.

Außerdem war meine Familie früher auch obdachlos und ich komme aus sehr ärmlichen Verhältnissen. Daher fühlt sich der Erfolg, den ich jetzt habe, nicht immer richtig an und wir haben uns daher entschieden mit einer Organisation namens „Loaves & Fishes" zusammenzuarbeiten. Sie versorgen Obdachlose mit Nahrung und helfen ihnen dabei, von den Drogen loszukommen. Wir haben ihnen unter anderem Wasser, Essen und Schlafsäcke gespendet, um ihnen zu helfen. „State Of Emergency" ist ein bisschen abstrakter. Als wir den Song geschrieben haben, habe ich mich von „Black Hole Sun" von SOUNDGARDEN inspirieren lassen. Normalerweise erzählen meine Lyrics immer eine eindeutige Geschichte aber „State Of Emergency" ist anders. Der Song entführt Dich an verschiedene Orte und bestimmte Bilder entstehen in Deinem Kopf, wenn Du ihn hörst. „And - that's another one where Tony fucking shined!" (lacht)

MÖTLEY CRÜE haben Euch eingeladen, mit ihnen auf dem Crüefest zu spielen und ich finde Euer Album hat viele Einflüsse von Bands der 80er Jahre. Zum Beispiel erinnert mich „Lifeline" an die früheren BON JOVI. Welches sind Eure Lieblingsbands der 80er?

Tony: MÖTLEY CRÜE, D.I.O., VAN HALEN

Jacoby: QUIET RIOT, SKID ROW

Tony: Ich mochte eher die rockigeren Bands, als die Glam-Bands.

Jacoby: "I am a Glam Kid." Ich mochte POISON. Tony findet POISON ziemlich schwul.

Tony: Heute kann ich diese Bands hören und es ist ok und lustig von Zeit zu Zeit. Damals ging das gar nicht. Da habe ich wirklich nur die richtigen Rockbands gehört.

Jacoby: Wie die SCORPIONS - die hören wir immer noch. Wir haben ein oder zweimal die Woche eine Metal-Nacht im Tourbus, da wir alle total viel Old School Metal hören.

Tony: Die SCORPIONS habe ich 1982 zum ersten Mal live gesehen - auf der „Blackout" Tour. Und sie rocken immer noch. Das ist super!

Bleiben wir noch ein wenig bei dem 80er Jahre Thema - Mick Mars unterstützt Euch gitarrentechnisch auf „Into The Light". Wie war es für Euch mit ihm zusammenzuarbeiten? 

Jacoby: Es war fantastisch. Er ist total freundlich und hat einen herrlichen Humor und das bei der Krankheit mit der der arme Kerl leben muss. Seine Einstellung zum Leben ist „fucking amazing" und er ist ein großes Vorbild für mich als Mensch. „And of course he kicks ass as a guitar player!"

Tony: Wenn Leute ihn auf Fotos oder auf der Bühne sehen haben sie meistens durch seine gekrümmte steife Haltung einen komplett falschen Eindruck von Mick. Am ersten Tag vom Crüefest bin ich als Drummer für Nikki Sixx Band SIXX: A.M. eingesprungen und kurz bevor wir auf die Bühne mussten, kam Mick in die Garderobe und meinte: „Nikki, ich hab hier etwas für Dich! Ich wünsche Euch eine tolle Show!" Und er gab Nikki eine Zeichnung, auf der Mick sich selbst auf der Bühne gezeichnet hatte - in extrem gekrümmter Haltung. Es ist wirklich bewundernswert, dass er trotz seiner Krankheit noch über sich selbst lachen kann. Solche Dinge macht er ständig und die Aktion nahm uns komplett das Lampenfieber vor der Show. Nikki war so begeistert und meinte nur: „Oh Mick - that's awesome - thanks dude!"  Mick ist im Herzen immer noch ein Kind. Er ist grossartig!

Euer Song „To Be Loved" wird als Titelsong für die WWE Raw Shows benutzt und war dadurch im Nachhinein erfolgreicher als zu dem Zeitpunkt, als er das erste Mal veröffentlicht wurde. Gibt es noch andere nennenswerte Synchronisations Deals - vielleicht sogar schon für die neuen Songs?

Jacoby: Für die neuen Songs bisher eigentlich noch nicht. „Time Is Running Out" wird für das Spiel "Rockband" benutzt und ich glaube "Lifeline" auch. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube „Lifeline" wird sogar auch auf „Guitar Hero II" verwendet. Dieses Spiel ist einfach der Killer, da es den Old School Rock vielen sehr jungen Kids nahebringt und diese Kids dann später richtig Gitarre lernen wollen.

Ich finde Guitar Hero extrem schwierig.

Tony: Absolut. Ich kann damit noch nicht einmal unseren eigenen Song spielen. Andauernd kommen da diese fiesen schrägen Töne, da ich permanent daneben liege. (alle lachen) Die Kids sind definitiv besser als ich.

Das Video zu „Hollywood Whore" wurde im deutschen Fernsehen verboten, da es zu brutal ist. Wie findet Ihr das?

Jacoby: Great!! Weißt Du, wenn man ein Musikvideo dreht, möchte man einfach etwas Verrücktes drehen und seine kreative Seite ausleben. Viele Bands machen wirklich nur Videos, bei denen sie sicher sind, dass diese dann auch im Fernsehen gespielt werden. Aber das ist für mich kein Rock'n'Roll. Das Motto zu „Hollywood Whore" war „Glorious Blood Bath" und wir dachten nur: „Fuck, yeah!" Paris Hiltons Gesicht wird zerfetzt und sie sieht aus wie ein weiblicher „Eddie" - das IRON MAIDEN Maskottchen - YES!"

Tony: Hast Du es gesehen?

Klar - es ist wirklich cool geworden!

Jacoby: Natürlich wollten wir auch die Aufmerksamkeit der Leute. Über das Video sprechen die Leute, da es so krass ist. Das Internet ist wirklich wunderbar, um die eigene Musik zu promoten. Wenn wir den Song live spielen, ist er ein absoluter Hit und kommt super bei den Fans an. Das Video war übrigens das günstigste Video, das wir je gemacht haben.

Tony: Und das coolste!

Jacoby: Stimmt - außerdem ist unser neuer Drummer in diesem Video das erste Mal in Erscheinung getreten. (lacht)

Nach der Köln Show vor 2 Tagen kam dieses Gerücht auf, dass Ihr bereits im Oktober wieder nach Deutschland kommt und AVENGED SEVENFOLD mitbringt?

Jacoby: Wir haben uns nach der Show mit einigen Fans unterhalten, aber das mit AVENGED SEVENFOLD müssen sie falsch verstanden haben. Wir waren gerade mit ihnen in Amerika auf Tour und hatten extrem viel Spaß. Ganz ausgeschlossen ist es zwar nicht, aber bisher noch nicht spruchreif.

Was sind Eure nächsten Pläne mit PAPA ROACH?

Tony: Touren ohne Ende. „Bringing the rock to the people!"

Jacoby: Ich freue mich schon riesig auf Rock am Ring und Rock im Park im Sommer, wo wir spielen werden. Und dann kommen wir wahrscheinlich als Headliner oder Co-Headliner im Oktober wieder zurück nach Europa. (grinst) Nochmal lassen wir unsere Fans nicht 2 Jahre warten.

Vielen Dank für das Interview, Jungs!

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Setlist Hamburg:

Days of War (Intro) 
Change or die 
Broken Home 
To be loved 
Getting away with Murder 
The World around you 
Forever 
Lifeline 
Crash 
Hollywood Whore 
Had enough 
Time is running out 
She loves me not 
Alive 
Dead Cell 
Between Angels and Insects
---------- 
Scars 
I Almost Told You That I Loved You 
Last Resort