Geschrieben von Freitag, 23 Dezember 2016 15:38

Revel In Flesh im Interview zum Album "Emissary Of All Plagues" und zur deutschen Death-Metal-Szene

REVEL IN FLESH Sänger Haubersson ist nicht nur für begnadete Growls bekannt, sondern auch ein Mann klarer Worte. BurnYourEars sprach mit ihm über die deutsche Death-Metal-Szene, Mainstream und natürlich über das neue Album "Emissary Of All Plagues".

"Emissary Of All Plagues" ist bereits das vierte Album in fünf Jahren, eure Produktivität ist beeindruckend. Dennoch ist die Band ja aktuell noch euer Hobby. Wäre es eine Option für euch, REVEL IN FLESH hauptberuflich zu betreiben?

Wenn wir von einer Band mit der Ausrichtung wie REVEL IN FLESH allesamt leben wollten, würden wir ganz sicher sprichwörtlich den "Kitt von den Fenstern" fressen. Die Band steht für Leidenschaft und nicht für Gewinnmaximierung. Aber es ist auch so, dass der Rahmen eines normalen Hobbys in punkto Zeitaufwand, Finanzen und Hintergrundarbeit total gesprengt wird. Viele denken bei einer Bandaktivität in erster Linie an Gigs, Studio, Partys!

Die Realität sieht jedoch so aus, dass zu jeder funktionierenden Band auch eine gewisse organisatorische Struktur gehört und da kommen dann Dinge ins Spiel, die hinter den Kulissen extrem viel Zeit und Energie fressen. Hauptberuflich steht bei uns jeder irgendwie mitten im Leben: Jeder hat seinen Alltag, der einen klaren Gegensatz zu REVEL IN FLESH bildet.

Aktuell ist immer wieder von Überlegungen zu lesen und zu hören, ob es nicht mittlerweile zwei Metal-Szenen (mit gewissen Überschneidungen) gibt: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die Musik aus rein idealistischen Gründen in ihrer Freizeit machen und in der Underground-Szene bleiben wollen. Auf der anderen Seite die anderen, die auch vor mehr Mainstream inklusive Auftritten auf großen Festivals nicht zurückzuschrecken, weil sie eben auch von ihrer Musik leben wollen. Wie beurteilt ihr derartige Diskussionen?

Für mich sind das oft Diskussionen, die von 'Internetforen-Metallern' geführt werden, die sich auf Festivals in der Regel nicht mal zum Scheißen auf ein Dixie trauen. Ich denke, dass eine Band in erster Linie echt sein muss! Echt gegenüber ihrer Ausstrahlung und echt gegenüber ihrem Schaffen! Es gibt sehr extreme Bands, die große Events spielen, aber in ihrem Schaffen dennoch immer noch für Extreme stehen, etwa BEHEMOTH.

Leute, die im Internet über solche Bands hetzen, vergessen sehr schnell, dass dahinter Lebenswerke von Einzelnen stehen, die sehr viel auf sich genommen haben, um an den jetzigen Punkt ihrer Karriere zu kommen. Man muss gewiss nicht jeden Scheiß mitmachen, aber am Ende geht es auch darum, den Respekt gegenüber anderen zu wahren!

Würdet ihr bei einem entsprechenden Angebot in Wacken auftreten?

Wir haben bisher alles Organisatorische und auch den Booking-Bereich auf Do-it-yourself-Basis gemacht. Uns hat bisher dabei niemand sonderlich unter die Arme gegriffen oder Türen aufgerissen, aber gerade deshalb sind wir stolz auf das, was wir bisher selber geschaffen haben und wissen das auch zu schätzen. Wir würden uns auch erst Gedanken machen, wenn solche Bookinganfragen konkret vorliegen. Alles andere sind Luftschlösser.

Zu eurer neuen Platte: "Emissary Of All Plagues" klingt für mich melodischer und epischer als eure bisherigen Alben. Wollt ihr neben der offensichtlichen Weiterentwicklung eures Sounds auch ganz bewusst ein breiteres Publikum ansprechen?

Definitiv nicht! Unsere Alben sind nicht am Reißbrett und mit der Orientierung für ein bestimmtes Zielpublikum geschrieben. Im Songwriting steckt bei uns nach wie vor ein gewisses "Aus-dem-Bauch-heraus-Gefühl". Es ist jedoch in der Tat so, dass das neue Album unser bisher melodischstes ist. Aber dennoch ist die Entwicklung von "Death Kult Legions" zu "Emissary Of All Plagues" vor allem eines: nachvollziehbar.

Es gab auf dem dritten Album bereits mehr Grooves und Heaviness während dieser Kelch auf Album Nummer vier weiter hochgehalten und mit mehr Melodie sowie dem von dir erwähnten "Epic-Factor" verfeinert wurde. Trotzdem haben wir bei REVEL IN FLESH im Hinblick auf Musik, Artwork, Konzept und der gesamten Essenz noch nie mit unseren Wurzeln, die im 90er Jahre Death Metal liegen, gebrochen. Wer unseren Sauhaufen kennt, weiß vor allem eines: Wir sind echt und unsere Mucke ist echt!

Klar, das Album klingt natürlich nach REVEL IN FLESH: Eine fesselnde Kombination aus Härte, Brutalität und Epik. Man hört allerdings auch immer wieder deutliche Bezugspunkte zu anderen Bands heraus. Das großartige "Fortress of Gloom" hätte beispielsweise auch auf eine frühere AMON AMARTH Scheibe gepasst. "Torture Throne" erinnert mich vor allem wegen des Songauftakts (mit sakralem Hintergrundgesang und dämonisch-verzerrt gesprochenen Vocals) an das Album "Blood Vaults" von THE RUINS OF BEVERAST. Sind solche Anlehnungen bewusst platziert?

Vergleiche sind ein legitimes Mittel für Schreiber. Aber solche Bezüge passieren bei uns nicht mehr intentional! Unser erstes Album "Deathevokation" hatte in gewissem Maße diesen "Tribute an die 90er Welle"-Touch, aber bereits seit "Death Kult Legions" ist unser Stil eigener und vielschichtiger geworden. Das Spektrum öffnet sich mit dem neuen Album natürlich noch weiter, aber ohne Orientierung an gezielten Vorgaben.

By the way, die EP und ersten Alben von AMON AMARTH wurden damals auch in Undergroundkreisen wie das höchste Gut gehandelt, während man heute wohl bei solchen Vergleichen eher belächelt wird. "Torture Throne" kommt zeitlich übrigens aus der Phase des dritten Albums. Der Track stammt musikalisch komplett aus der Feder von Maggesson – und so, wie ich ihn einschätze, kennt er RUINS OF BEVERAST maximal vom Namen her, hehe.

Artwork, Songtitel und Texte bilden bei euch eine Einheit und passen optisch und inhaltlich perfekt zum Death Metal Genre. Woher nehmt ihr die Inspiration für eure Texte?

Die Quelle des Horrors geht dieses Mal zurück auf unseren Coverkünstler Juanjo Castellano. Das Artwork war eine über die Jahre von ihm erstellte Projektarbeit, die bereits den Titel "Emissary Of All Plagues" trug. Beim ersten Anblick des Artworks war ich Feuer und Flamme, weil ich das Konzept von einem zentralen Charakter im Bild, der alles Unheil steuert, total genial fand. Ich musste etwas Überzeugungsarbeit leisten, um das Artwork zu bekommen, aber zurückblickend ist Juanjo Castellano doch sehr stolz auf unser Album.

Hinter dem Cover steckt auch eine Art Horrorgeschichte: Ein Besessener mit geistlichem Hintergrund wird für seine Schandtaten bestraft und lebendig begraben. In der Unterwelt zersetzt sich das Fleisch, aber der Geist drängt zurück aus dem Obskuren unter die Sterblichen. Diese Thematik behandelt auch der Track "Casket Ride". Als "Emissary Of All Plagues" bringt besagter Widergänger nun alle Plagen zurück und legt die Welt in Schutt und Asche. Die "Servants of the Deathkult" sind hierbei seine Gehilfen und in "The Dead Lives on" wird ihr Treiben in bester George A. Romero Manier aufgegriffen.

Es ist in der Tat so, dass Castellanos Hintergrundgedanken, sowie auch der pure Anblick des Artworks, sehr inspirierend für eine lyrisch waschechte Death Metal Scheibe waren. Das Bild ist gewaltig und morbide zugleich. Neben dem Horror-Faktor finden sich auf dem neuen Album beispielsweise bei "Fortress of Gloom" oder "Dead to this World" auch dunkle Emotionen, die eben entsprechend die Stimmung der Songs reflektieren.

Insbesondere die deutsche Death-Metal-Szene macht in den letzten Jahren verstärkt auf sich aufmerksam: CHAPEL OF DISEASE und SULPHUR AEON haben letztes Jahr großartige Alben veröffentlicht, ihr konntet in diesem Jahr mit "Emissary Of All Plagues" nachlegen, DESERTED FEAR haben für Anfang 2017 auch schon wieder ein neues Werk in den Startlöchern. Man hat das Gefühl, dass der "Nachwuchs" hierzulande verglichen mit etablierten Death-Metal-Hochburgen wie Schweden oder die USA besonders stark ist. Wie kommt es zu diesem Qualitätsschub?

Es wird oft vergessen, dass es auch in der Zeit von 1995 bis 2010 sehr willensstarke Death Metal Bands in Deutschland gab, die auch die Flagge hochgehalten haben, als von Trend nicht mehr die Rede war. Ich denke hierbei an FLESHCRAWL, PURGATORY, DEAD, HARMONY DIES, OBSCENITY usw., die doch irgendwie immer präsent waren. Seit etwa 2011 hat sich jedoch die Aufmerksamkeit der deutschen Metal Medienlandschaft gegenüber der heimischen Szene verändert. Plötzlich gab es da einen Fokus drauf, was vielleicht auch dem Nachrücken von jüngeren Schreibern bei einschlägigen Medien zu verdanken ist. Ich denke auch, dass die Underground Stage beim PARTY SAN Festival hier klare Signale gesetzt hat, aber qualitativ guten Death Metal gab es in Deutschland schon immer, leider halt nicht immer mit der verdienten Beachtung.

Zu guter Letzt: Weihnachtszeit ist Jahrespoll-Zeit. Was war euer Album des Jahres 2016?

Ich hasse solche Poll-Dinger, weil sie einem bewusst machen, in welcher Release-Schwemme man eigentlich lebt und dass Musik, die man eigentlich vom Herzen schätzt, doch auch Fließbandware ist. Ich bleibe jetzt beim Death Metal, wo es viele Releases gab, die gut waren, aber aufgrund der Masse an Veröffentlichungen keine langfristige Wirkung hinterlassen konnten. Herausstechend waren für mich – ohne irgendeine Reihenfolge:

BLOOD INCANTATION – "Starspawn"
MORTEM – "Deinos Necromantis"
VANHELGD – "Temple of Phobos"
ENTRAPMENT – "Through Realms Unseen"
GRAVEYARD – "... for Thine is the Darkness"

Haubersson, besten Dank für deine Zeit!

Wir danken dem BurnYourEars für den Support. Mehr REVEL IN FLESH News, Konzerte und Merch-Krempel findet ihr auf unserer Facebook-Seite. Danke an alle Maniacs, die uns bisher supportet haben! Cheerz & HAIL THE DEATHKULT!