Geschrieben von Mittwoch, 08 November 2017 17:30

Amaranthe im Interview: "The show must go on!"

Vor dem Auftritt im Stuttgarter LKA Longhorn im Rahmen der "Maximum Evocation"-Co-Headliner-Tour mit ELUVEITIE nahm sich Gitarrist Olof Mörck von AMARANTHE kurz Zeit, um mit BurnYourEars über die Tour, die Zukunft der Band, Stalker und Jetlag zu reden.

Zunächst einmal vielen Dank für die Zeit, die du dir für uns genommen hast! Wie geht’s dir?

Sehr gut! Die Tour lief bis jetzt ziemlich gut, das ist heute die sechste Show. Bis heute waren fast alle Shows ausverkauft. Und das Paket mit ELUVEITIE funktioniert auch super. Wir kommen zwar aus unterschiedlichen Musikrichtungen, aber die Kombination hat das Potenzial, demselben Publikum zu gefallen. Daher war alles echt toll bisher!

Gestern habt ihr in Wien gespielt und ELUVEITIE haben den letzten Auftritt gespielt bei dieser Co-Headliner-Tour. Ist diese Reihenfolge fix oder ändert ihr das von Spielstätte zu Spielstätte?

Es wird so bleiben, die ganze Tour lang. Es ist zwar eine Co-Headliner-Tour, aber so wie wir das sehen, ist ELUVEITIE eine Band, die seit echt langer Zeit schon existiert und letztlich macht das uns nichts aus. Sie haben dadurch zwar etwas mehr Spielzeit, aber unsere Setlist kommt ziemlich klar auf den Punkt und ist sehr intensiv, daher ist das eigentlich eine gute Balance.

Wie du schon gesagt hast, stammen ELUVEITIE und AMARANTHE aus zwei völlig verschiedenen Metal-Genres. Wie sieht die Fanbase aus? Überschneidet sie sich oder kannst du manchmal direkt sagen, wer welche Musik hört?

Als wir in Tschechien gespielt hatten, gab es Leute, die als eine Art gallische Krieger verkleidet waren und da bin ich mir sicher, dass das keine AMARANTHE-Fans waren! Aber wenn wir unsere Show spielen, ist der Unterschied zu einer Headliner-Show gar nicht so drastisch. Wir haben unsere Fans, alle sind voll dabei, alle klatschen und springen. Man könnte tatsächlich meinen, dass da ein großer Unterschied ist, aber so ist es überraschenderweise nicht. Es überschneidet sich mehr als ich gedacht hätte.

Es ist mittlerweile mehr als ein halbes Jahr her, dass Jake sich entschied, die Band zu verlassen. Was hat sich in der Band ohne Jake verändert?

Es ist natürlich immer eine schwierige Sache, wenn ein Gründungsmitglied die Band verlässt, aber wir haben mit Nils einen absolut fantastischen Ersatz. Wenn wir Nils nicht hätten, wäre die Sache etwas problematischer gewesen. Und natürlich vermisse ich Jake, aber Nils liefert ebenfalls eine Wahnsinnsshow und er passt super zu der Band, auch in persönlicher Hinsicht. Natürlich ändert sich die Dynamik auf und hinter der Bühne, aber wir haben schonmal den Sänger gewechselt - the show must go on!

Wie habt ihr euch für Nils entschieden?

Jake hatte schon irgendwie davon geredet, die Band zu verlassen. Das war eineinhalb Jahre her, wir waren also eigentlich ziemlich gut darauf vorbereitet. Und wir müssen uns der Situation stellen und Nils war einer meiner Lieblingssänger seit längerer Zeit. Und wenn man sich seine Stimme bei DYNAZTY anhört, klingt sie ziemlich ähnlich wie Jake bei AMARANTHE. Daher war es für uns ziemlich einfach, sich ihn als Sänger für uns vorzustellen. Für einige Zeit hatten wir auch einen echt guten Ersatz von SMASH INTO PIECES, aber er musste sich eben auch sehr auf SMASH konzentrieren. Er hätte zwar ziemlich gut gepasst, vor allem live, aber ich denke seine Stimme wich doch zu stark von Jakes Stimme ab. Nils ist der perfekte Ersatz.

Jake konzentriert sich zwar nun auf andere Projekte, aber wird er noch beim Songwriting für AMARANTHE beteiligt sein?

Nein. Für uns wird er keine Musik mehr schreiben. Wie er meinte: Er hat seine eigenen Sachen und er hat ja auch vor Kurzem ein Album mit CYHRA rausgebracht, da wird wohl jetzt sein Fokus liegen.

Will das zukünftige AMARANTHE anders klingen?

Das könnte sein. Aber nicht unbedingt weil Jake weg ist. Natürlich hat er einen großen Beitrag zum Songwriting geleistet, aber es gibt auch sehr viele Lieder, die komplett ohne Jake geschrieben wurden – sogar auf dem ersten Album. Ja, es gibt die Klassiker "Hunger“ oder "Amaranthine“, die teilweise von Jake geschrieben wurden, aber es gibt auch "1.000.000 Lightyears“, "Automatic“, "Drop Dead Cynical“ und "The Nexus“ – er war nie wirklich ein Teil des Songwriting-Prozesses. Elize und ich werden immer noch klassische AMARANTHE-Lieder schreiben können.

Als eine Band mit einer weiblichen Frontfrau werdet ihr bestimmt mit viel Sexismus konfrontiert.

Unglücklicherweise ja.

Wie geht ihr mit solchen Kommentaren und Kritiken um?

Das Interessante an der ganzen Sache ist, dass der Sexismus im Genre liegt. Es ist ja offensichtlich, dass der Metal männerdominiert ist, aber die größten Beschwerden und Kritiken kommen von Frauen. „Warum ziehst du dich so an? Warum hast du in dem Video nicht mehr Kleidung an?“ oder sie beschweren sich über das Make-Up und Ähnliches. Der Sexismus wird immer da sein, vor allem auch von Männern, die die Frauen objektifizieren und tja, wie wir damit umgehen? Das ist echt schwer aber ich denke, das Wichtigste ist, dass du das, was du bist, niemals änderst. Im Sinne von wie sie aussieht und was sie portraitiert. Sie ist offensichtlich die Frontfrau für die Band und man soll sie scheinen lassen und sie nicht verstecken in mehr Kleidung. Und ich finde, dass es sehr schön zu sehen ist, dass so viele Frauen einen Platz in der Metalszene gefunden haben. Es fängt langsam an, sich zu ändern. Unglücklicherweise ist diese Veränderung nicht schneller, aber sie findet statt.

Hattest du jemals allgemein Hater-Kommentare bekommen, die dich verletzt oder gestört haben?

Die Sexismus-Sache stört mich, da Elize eine sehr gute Freundin von mir ist, aber es ist sehr selten, dass ich persönlich kritisiert werde. Wenn Leute meine Musik kritisieren – ich bin ja sehr verbunden mit meiner Musik – werde ich dennoch nicht persönlich angegriffen. Und wenn es viele Beschwerden gibt wegen der Kontroversität, zum Beispiel als wir „That Song“ veröffentlicht hatten, da gab es furchtbar viele Kommentare. Und da habe ich mich einfach zurückgelehnt, die Kommentare gelesen und darüber gelacht. Wir machen genau die Musik, die wir machen wollen und wenn Leute das nicht mögen, dann sollen sie es sich einfach nicht anhören.

Mit Elize ist das eben anders, denn manchmal hast du mit wirklich seltsamen Menschen zu tun, also richtige Stalker, die sehr seltsame Sachen schreiben und das könnte sie stören. Aber sie ist eine starke Frau, sie kann das verkraften.

Amaranthe hat mit seiner Gründung ein komplett neues Genre gegründet. Kannst du eine Entwicklung dieses Genres über die Jahre feststellen? Denkst du, dass diese Art von Metal mehr akzeptiert und beliebter wird?

Wenn man etwas Kontroverses macht und Menschen darauf heftig reagieren, ist das normal, wenn man ein neues Genre oder Subgenre gründet. So etwas Ähnliches habe ich auch bei IN FLAMES beobachtet. Als die ihre zwei ersten Alben veröffentlicht hatten, waren die Leute extrem enttäuscht, da so viele akustische Gitarren und so viel Melodie dabei waren und das in Kombination mit den Growls. Und heute sehen die Menschen die beiden Alben als Hardcore und original Metal. Ich denke die Perspektiven ändern sich. Das ist wie bei uns. Als wir "Hunger“ zu Beginn veröffentlicht haben, waren die Leute auch super enttäuscht und jetzt sagen sie „Ihr habt ‚That Song‘ und ‚Boomerang‘ rausgebracht, aber ihr wart doch damals so Metal!“ Und ich denke mir: „Das war vor fünf bis sechs Jahren. Da hat man sich beschwert, dass AMARANTHE nicht Metal genug waren.“ Die Grenzen werden stetig verschoben.

Kennst du andere Bands, die ähnliche Musik machen, wie AMARANTHE?

Ja, die sprießen gerade aus dem Boden. Da gibt es zum Beispiel TEMPERANCE aus Italien, die haben wir glaube ich stark beeinflusst. Gestern haben wir die Tschechien von ALIA TEMPORA getroffen, die sind echt neu. Die sind auch sehr offensichtlich von AMARANTHE beeinflusst, mit den Keyboards et cetera. Man kann es auch bei vielen anderen hören, die ich jetzt nicht nennen werde, aber auch in größeren Bands haben sich einige Sachen, zum Beispiel die Keyboard-Melodien, vermutlich bei uns abgeguckt. Also ja, man kann unsere Musik in der Musik von vielen anderen Bands hören.

Macht dich das stolz?

Als Komponist und Songwriter ist es das Größte und Coolste, wenn du andere Menschen beeinflussen kannst. Und du kannst Menschen in die Richtung schicken, die du selbst gut findest. Es ist eine Art Feedback, dass du alles richtig machst, dass andere von dir inspiriert sind.

Habt ihr schon Pläne für 2018?

Ja, das ganze Jahr ist schon geplant (lacht). Wir schauen schon, was wir Anfang 2019 machen werden. Wenn wir gerade nicht touren - wir werden auch nach Südamerika, Russland und Norwegen gehen - werden wir unser neues Album schreiben. Das wird nächstes Jahr bis Anfang 2019 geschrieben und veröffentlicht.

Hattet ihr jemals eine Show, die richtig schiefgelaufen ist oder hattet ihr noch nie ein Panne?

Am Anfang unserer Karriere waren die guten Shows richtig gut und die schlechten Shows waren eine absolute Katastrophe für das Publikum. Aber ich denke, wir haben unsere Stabilität gefunden. Wenn wir jetzt eine Show haben, die nicht perfekt läuft, denke ich nicht, dass die Zuschauer den Unterschied merken würden. Natürlich, wenn wir eine super Show hatten, sieht das Publikum, dass wir absolut energiegeladen sind, aber ein absolutes Desaster hatten wir noch nicht.

Das muss ich euch kurz erzählen. Da war diese eine Festivalshow in Finnland nach unserer ersten Amerikatour 2013 und wir sind gerade erst gelandet. Und zwei Stunden nach der Landung mussten wir gleich spielen. Jeder Einzelne von uns hatte einen Jetlag und wir haben gespielt und ich denke nicht, dass das irgendjemandem aufgefallen ist. Wir haben uns aber wie Scheiße gefühlt.

Das war die schlimmste Show?

Ich würde sagen, dass das meine absolut schlimmste Show war (lacht).

Hast du irgendwelche Tipps, wie man als angehender Gitarrist motiviert bleiben und sich verbessern kann?

Ich wünschte, ich könnte tatsächlich Tricks nennen, aber letztlich kommt es wirklich darauf an, wirklich viel zu üben, eine Gewohnheit und eine Routine daraus zu machen. Wenn man nämlich viel übt, ist die Konsequenz immer, dass man sich entwickelt. Und diese Entwicklung zu sehen, ist das Motivierendste überhaupt. Bei jedem Schritt, den du machst. Wenn du nämlich übst, nur ein paar Stunden am Tag - zwei Stunden täglich reichen, um wirklich gut zu werden - wirst du die Veränderungen sehen und das hilft wirklich. Und man sollte so früh es geht irgendwo auftreten. Sobald man in der Lage ist, irgendwas auf der Bühne zu spielen. Das absolut Coolste ist live zu spielen, die Energie zu spüren. Für mich ist es schon motivierend einfach nur zu spielen, zu üben, zu komponieren und zu touren. Aber manchmal wird man einfach müde, denn diese Band ist super aktiv, fast immer am Touren. Sobald man auf die Bühne geht, macht für mich alles wieder Sinn.

Die Bühne ist also das Motivierendste.

Das und wenn man sich die Ergebnisse der eigenen Kompositionen anhört, zum Beispiel ein neues Album. Das ist das absolut Magischste. Oder einfach nur ein Lied geschrieben zu haben und es sich anzuhören und man es selbst einfach nur gut findet und liebt.

Hast du irgendwelche Schlussworte für unsere Leser?

Es ist toll, wieder in Deutschland zu spielen, in Stuttgart. Es ist glaube ich seit fünf Jahren das erste Mal, dass wir nicht in der Ludwigsburger Rockfabrik spielen. Wir waren hier glaube ich mal mit KAMELOT. Es ist auf jeden Fall super, wieder hier zu sein. Das waren jetzt viele Schlussworte (lacht).