Geschrieben von Sonntag, 27 August 2006 12:02

Komplex Open Air 2006 - Der Nachbericht


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Link: http://www.komplex-openair.de
http://www.komplex-schuettorf.de

 
Meine Erinnerungen an das beschauliche Städtchen Schüttorf in der Grafschaft, unweit der Grenze zu den Niederlanden, beschränkten sich bis zum Komplex Open Air auf das Einreihen in eine Blechlawine, um von der A 31 zur A 30 zu kommen, wenn ich nach einem beschaulichen Wochenende bei meinen Eltern wieder zurück nach Hamburg fuhr, weil das Autobahnkreuz Schüttorf noch nicht fertig war. Auch erinnere ich mich dunkel an einen Besuch im Index…. Aber dann hatte ich doch die Gelegenheit, meinen Horizont in Sachen Schüttorf etwas zu erweitern. Aber alles nacheinander.

So begab ich mich am 26.08 gegen halb 12 Uhr vormittags bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg. Mein Kenntnisstand war, dass der Einlass um 12 Uhr starten sollte und schließlich wollte ich pünktlich sein. Und das war ich dann auch. Und zwar überpünktlich. Der Einlass war nämlich erst um halb 1 ( Hätte ich mir doch nur meinen Flyer genauer angeschaut ). Aber kein Problem, ein netter Plausch mit der Dame am Eingang über dies, das und gute Musik vertrieb mir die Zeit.

Um 13.15 ging es dann pünktlich los. FARMER’S FRIEND betraten die Bühne und legten mit bluesigem Krautrock schonmal für die folgenden Bands gut vor. Die sieben Musiker waren altersmäßig gut gemischt und zogen so auch ein gemischtes Publikum vor die Bühne. Und zwar nicht zu knapp. Für die erste Band am frühen Nachmittag hatten sich schon einige Leute von ihren Decken erhoben, die dann den entspannten, rhythmischen Eigenkompositionen mit sehr interessanten, deutschen Texten lauschten.

Dann kamen LHAMA aus Münster und gaben ihren punkig, poppigen Rock zum Besten. Hatte ein bißchen was von SPORTFREUNDE STILLER, wenn ihr mich fragt. Und das lag nicht nur daran, dass LHAMA ebenfalls von 3 talentierten Musiker gebildet wird. Wirklich Stimmung kam allerdings nicht auf. Zuerst standen ganze drei Männekes vor der Bühne. Später immerhin noch ein paar mehr, der Rest pflanzte sich lieber wieder an den Rand und auf den Rasen und trank sich warm. Schade für die Band, denn deren Musik war zwar nicht gerade das innovativste, aber durchaus hörbar.
  Auch die KLEINSTADTHELDEN hatten das harte Los des frühen Nachmittages gezogen. Die Zuschauermenge gestaltete sich auch bei den vier Jungs äußerst übersichtlich. Ebenfalls sehr schade, denn auch der Punkrock / -pop der KLEINSTADTHELDEN hatte was, und diese Band eröffnete beim diesjähringen KOMPLEX den Reigen der guten Coversongs: das gute alte "Listen To Your Heart" von ROXETTE wurde verhackstückt. Sehr schön!

Huppala… wo kommen denn auf einmal die ganzen Leute her??? - Denke ich mir und wundere mich. DER DICKE POLIZIST stehen auf der Bühne und davor wurde es auf einmal ziemlich voll. Deutschpunk war jetzt angesagt. Und zwar nicht der von der lustigen Sorte. Ernste, politsche, sozial- und gesellschaftskritische Texte und Punk der klassischen Sorte bildeten den musikalischen Hintergrund für eine fein anzuschauende Pogosause, die von den Musikern auf der Bühne durch neue und alte Songs angeheizt wurde. Die übrigen Zuschauer hielten ob des Menschenknäuels vor der Bühne, wohl bedacht auf die Gesundheit, etwas Abstand, zollten DDP aber ebenso ihren Respekt. 

Gruuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuunzkreeeeeeeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiisch!!! NEAERA waren jetzt an der Reihe und die 5 Münsteraner legen ein Brett hin. Anders kann ich es einfach nicht sagen. Eigentlich haben NEAERA ihre Wurzeln in der Hardcore-Szene, davon ist aber eher wenig bis gar nichts zu hören. Was da in der Zeit um 17 Uhr aus den Boxen ballerte, war Death/Thrash Geknüppel vom feinsten. Schnelle Riffs und eine nicht enden wollende Doublebass-Orgie paarte sich mit tiefen Growls und aggressivem Gekreische, und auf der Bühne wurde gemosht was das Zeug hielt. Auch ich nutzte diese Gelegenheit, mal wieder meine Nackenmuskulatur zu trainieren. Nachdem ich vorne an der Bühne meine Fotos gemacht hatte, hab' ich dann aber auch zugesehen, dass ich wieder in etwas ruhigere Gefilde kam. Der erste Circlepit des Tages bildete sich und konnte auch getrost mit einem Hexenkessel verglichen werden. Die Menge bolzte und feierte vor der Bühne, und auch Stagediven war angesagt. NEAERA freuten sich sichtlich über den Zuspruch auf ihrem letzten Open Air Auftritt in diesem Jahr. Hat Spaß gemacht. Daumen hoch und an dieser Stelle alles Gute für die Zukunft. 

Eine kurze Verschnaufpause, kurz zur Futterkrippe, ein Stück Pizza zwischen die Zähne geschoben, und weiter gings mit TRIBUTE TO NOTHING. Die vier Briten hatten, wenn ich das so sagen darf, richtig Hummeln im Arsch. Zwar hatten die wohl am Abend vorher ein wenig zu viel getrunken und dann nur 2 Stunden geschlafen, wofür sich Sänger Kris Stammer auch entschuldigte, aber meine Güte, davon hat man nix gemerkt. Die Menge haben sie jedenfalls genauso mitgerissen wie NEAERA. Schweißtreibender Post Harcore / Punkrock schallte aus den Boxen und verwandelte den Platz vor der Bühne abermals in einen Hexenkessel. TRIBUTE TO NOTHING präsentierten den geneigten Hörern neben älteren Stücken auch die neue Platte „How Many Times Did We Live?“, was sich wirklich interessant anhörte. 

Nachdem in den Stunden zuvor schnelle, aggressive und gitarrenlastige Musik geboten wurde, folgte nun ein kleiner Stilbruch. Eine Posaune, ein Saxophon ergänzten nun die üblichen Instrumente auf der Bühne. MARK FOGGO und seine SKASTERS betraten die Bühne. Nachdem ich die Band auf dem WFF letztes Jahr leider verpasst hatte, war ich natürlich richtig gespannt, was da so kommt. Die Holländer um den in England geborenen MARK FOGGO wussten mit ihrem entspannten Mix aus holländischem und britischem Ska zu begeistern. Nicht zuletzt auch dadurch, dass Mr. Foggo auf der Bühne ein echter Entertainer ist. Grimassen kann er schneiden wie kein Zweiter. Die gesamte Band hatte sichtlich Spaß inne Backen und dieses übertrug sich auch auf die Zuschauer. Nach etwa fünf Minuten war ich jedenfalls schon pitschnass geschwitzt. Absolut herrlich war bei diesem Gig, wie MARK FOGGO (erklärter Fußballfan) versuchte, in seinem Liverpooler Dialekt die Abseitsregel beim Fußball zu erklären. Hat er gut gemacht. Zum Abschluß gab es dann einen zweiten Eintrag im Buch der großartigen Coversongs: CHRIS ISAAKs „Blue Hotel“ hört sich auf SKA richtig gut an. Wow. MARK FOGGO’S SKASTERS sind eine Institution in Sachen SKA und werden es wohl auch noch eine Weile bleiben.

Und jetzt wurde es wieder schnell. Die SONDASCHULE bat zur Unterrichtseinheit im Fachbereich SKAPUNK. Deutlich schneller als MARK FOGGO wurden nun mit ausgeklügeltem Skapunk mit deutschen Texten die wirklich wichtigen Fragen des Lebens diskutiert. Songs wie „Aus meiner Freundin hängt ein Faden“ brachten die Menge zum Kochen, Schlagerstar STEFAN SCHEITEL wusste zu begeistern, und im Song „Für dich“ wurde beschrieben, was Männer alles für ihre Frauen tun. Auch außergewöhnliche Sachen waren dabei. Die Reaktion der Audienz war durch die Bank weg positiv, der Pogopit konnte sich sehen lassen. Und mit Aufgehen der Säufersonne hatten auch wohl die letzten Besucher den richtigen Pegel erreicht, um in Erwartung der Headliner die Party zu starten.

Und auf gings im Anschluß nach Nimmerland. Und zwar im Eiltempo mit PETER PAN SPEEDROCK. Das dreiköpfige Rock N Roll Biest aus den mit Bier und Adrenalin getränkten Kellern von Eindhoven haute in gewohnter Manier den Zuschauern ein Rockbrett der Extraklasse um die Ohren. Gitarrist und Sänger Peter van Elderen erschien mir wie eine gute Mischung aus Lemmy und dem Roadrunner, Schlagzeuger Bart Nederhan wurde hinter den Trommeln zum Tier und Bassist Bart Geevers hatte wieder Appetit aufs Mikro. Vor der Bühne fand der schnelle Rock aus Holland den Weg in die Füße des Publikums, und so konnte man sich perfekt gegen die aufkommende Kälte schützen. 

Jetzt war die Zeit gekommen. CALIBAN waren als nächste dran. Allerdings ein bißchen später als geplant. Gegen 23.30 Uhr betraten die Metalcore-Heroes von der Ruhr die Bühne. Sänger Andy war zunächst von ein paar technischen Unpäßlichkeiten etwas angenervt; wurde aber nach autogenem Training der etwas anderen Art – er schrie und grunzte sich die Seele aus dem Leib – wieder handzahm. Viele Leute hatten schon im Vorfeld im Gästebuch des Komplex kund getan, wie sie sich auf CALIBAN freuten, und auf einmal war das Gelände um die Fressbuden wie leer gefegt. Alles drängelte sich vor der Bühne, um die „Wall of Death“ zu bilden. Neben Songs vom aktuellen „Chartstürmeralbum“ "The Undying Darkness" wurden auch ältere Stücke zum Besten gegeben. Die „Wall of Death“ stand wie ne Eins, der Circlepit brodelte und CALIBAN heizten weiter ein. Nach dem letzten Song kamen mir diverse Menschen sehr fertig und sehr glücklich entgegen. 

Und last but not least. "Never mind the Ballacks, here’s the BOLLOCK BROTHERS". So stand es wirklich auf den zum Verkauf angepriesenen T-Shirts. Die BOLLOCK BROTHERS sind bekennende Fußballfans und in gleichem Maße glühende Verehrer der SEX PISTOLS. Das machte sie auch damals (1983) bekannt. Beim Komplex wurde ihnen die Verantwortung für einen würdigen Abschluß eines wunderbaren Tages übertragen, und das haben sie gemeistert! Jock McDonald betrat in gewohnter Manier in seinem Karo-Outfit die Bühne und los ging's. Old School Punk Rock aus England, gewürzt mit einer ordentlichen Prise schwarzem, englischem Humor. Jock McDonald und seine Mitstreiter hatten, trotz der fortgeschrittenen Stunde - es war mittlerweile nach 1 Uhr -, sichtlich Spaß auf der Bühne. "Harley David - Son of a Bitch" schallte aus den Boxen, und mit Special Guest Olaf wurde in würdigem Umfang dem Schüttorf Open Air gedacht. Vor 25 Jahren spielten dort THE CURE und so coverten Olaf und die BOLLOCKS ohne jede Probe oder Absprache „A Forest“ von eben diesen.

Zum Abschluß um 2 Uhr bedankte sich Organisator Rainer Bluhm bei allen Anwesenden fürs Durchhalten und allgemein für das gesamte, sehr gut gelungene Festival, und nach einer letzen Zugabe der BOLLOCK BROTHERS fiel der Vorhang für das diesjährige KOMPLEX OPEN AIR.

Für mich war es dann auch so langsam Zeit, den Weg nach Hause anzutreten. Meine Füße glühten so ziemlich seit dem Auftritt von MARK FOGGO, ich hatte Rückenschmerzen und mir war kalt. Aber saukalt. Also ab ins Auto, Heizung angestellt, Zündung gestartet und ab Richtung Autobahn. 20 Minuten später war ich dann zu Hause und packte mich in mein kuschelweiches Bett.

Fazit: Der Sound war auf dem gesamten Festival gut bis sehr gut und von einigen technischen Problemen abgesehen, die immer mal auftreten können, ging auf der Bühne alles reibungslos von Statten. Die ca. 40 ehrenamtlichen Helfer haben sich auf gut deutsch den Puckel für das leibliche Wohl der Audienz wund geschuftet. Und was die Zuschauermenge angeht…. Da passt wohl noch ein bißchen mehr aufs Gelände. Ich wüsche dem KOMPLEX und seinen Veranstaltern alles gute für die Zukunft! Ich bin nächstes Jahr wieder mit von der Partie. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!

P.S. Den ganzen Tag über, die 5 Minuten Fisselregen bei NEAERA zählen nicht, war das Wetter sehr, sehr angenehm. Petrus scheint wohl mittlerweile zum Rocker mutiert zu sein.

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