Geschrieben von Sonntag, 08 Dezember 2013 14:42

Amorphis, Starkill und Hamferd - Hamburg / Markthalle

AMORPHIS liefern in der Hamburger Markthalle einen guten, doch trotzdem enttäuschenden Auftritt ab. Aber das Vorprogramm ist interessant – schon allein deshalb, weil es ein so ungewöhnliches Paket ist.

(Tamino) Beim Auftritt von HAMFERD ist noch nicht viel los, aber die wenigen, die da sind, lauschen gespannt. Die Truppe von den Färöer-Inseln spielt einen Doom Metal, der stark an MY DYING BRIDE erinnert – todtraurig, übelst langsam und sehr melodienreich. Der Sänger wechselt zwischen emotionalem, pathetischem Klargesang und brutalen Growls.

Ein Anheizer im eigentlichen Sinne sind HAMFERD mit dieser Musik zwar nicht, zumal auch die Musiker nur völlig statisch auf der Bühne rumstehen und in ihren schwarzen Konfirmationsanzügen eher verkleidet als staatstragend wirken. Aber die Musik spricht für sich und die Band hat mit ihrem Auftritt mit Sicherheit ein paar neue Fans gewonnen.

Nach dem atmosphärischen Auftritt von HAMFERD folgt mit STARKILL das komplette Kontrastprogramm. Mit erhobenen Pommesgabeln kommt die Band auf die Bühne, um ihren Melodic Death Metal darzubieten. Dabei haben die Jungs ordentlich Hummeln im Hintern – besonders die Sechssaiterfraktion springt und post um die Wette; es wird sogar zum Synchronheadbanging gerufen.

Der Sänger und Gitarrist will die Leute ständig zum Mitsingen bewegen oder fordert Circle-Pits – die er nur leider bei einem AMORPHIS-Publikum wohl eher nicht erwarten kann. Allgemein habe ich das Gefühl, dass die Jungs heute Abend etwas aus dem Rahmen fallen, zusammen mit einer Band wie TRIVIUM würden die Amerikaner sicher größere Erfolge feiern. Was nicht heißen soll, dass STARKILL heute in Hamburg nicht ankommen: Der Saal ist, anders als noch bei HAMFERD, fast voll und sie scheinen auch den ein oder anderen Die-Hard Fan im Gepäck zu haben. Leider ist der Sound, der bei beiden anderen Bands hervorragend ist, bei den Jungs jedoch so unglaublich grottig, dass man die Gitarren bis auf die Solopassagen fast gar nicht heraushören kann, und stattdessen ein viel zu lautes Schlagzeug zusammen mit dem Bass für einen ziemlichen Soundmatsch sorgt.

An den technischen Fähigkeiten der Musiker besteht jedoch kein Zweifel: Die Finger flitzen über die Griffbretter, was teilweise an eine düstere Version von DRAGONFORCE denken lässt. Während die Band vom Aussehen her locker als Metalcore-Truppe durchgehen könnte, aber modernen Death Metal spielt, geht es bei den Texten in eine ganz andere Richtung: Nicht nur in einem Song wie „Raise Up Your Swords“ geht es um „Swords“, „Honour“, „Steel“ und „Blood“, auch die anderen Songs blättern sich eifrig durchs MANOWAR-Wörterbuch. Alles in allem ein erfolgreicher Auftritt, aber vielleicht wäre für STARKILL ein Tourpackage im Modern-Metal Bereich eher was.

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(Helge) AMORPHIS sind gut, aber auch frustrierend, denn sie könnten viel besser sein. Schon nach wenigen Songs merkt man: Die riechen nach Routine. Nach dem Opener des aktuellen Albums folgt mit dem Folkmetal-Klischee „Narrow Path“ ausgerechnet der blödeste Song von „Circle“. Dann weiter im Text mit zwei soften Ohrwürmern.

Viele Bands gehen live auf Nummer sicher. Aber bei AMORPHIS, die den Anspruch vor sich hertragen, sich mit jedem Album zumindest ein Stück weit neu zu erfinden, nervt das besonders. Auf ihren Alben schaffen sie regelmäßig den Spagat zwischen hart und weich, zwischen Prog und Pop. Vor allem bleiben sie immer spannend und ein wenig unberechenbar. Aber live? Live bringen sie alles, aber keine Überraschungen. Stattdessen ist die Setlist so genau abgewogen und kalkuliert, dass es langweilig wird. Hit reiht sich an Hit – und selbst die Rückbezüge auf ihre Anfänge, die AMORPHIS seit einigen Jahren wieder aktiviert haben, kommen in der Dosis, die man erwarten konnte. Mutig ist das nicht.

Dabei sind AMORPHIS doch mutige Leute, die in jeder Phase ihrer Karriere nicht nur Hits, sondern auch spannende Songs geschrieben haben. Warum spielen sie die nicht? Warum nicht mal ein Konzert geben, das anders ist – und deshalb auch hängen bleibt? AMORPHIS verbinden live jedes Mal Songs, die sich nicht unähnlicher sein könnten, zu einem harmonierenden Ganzen. Selbst zwischen dem Death Metal-Rohling „Vulgar Necrolatry“ und dem modernen „The Smoke“ finden sie einen Übergang – und alle feiern, ob sie den Kram nun kennen oder nicht. Aber AMORPHIS nutzen dieses großartige Potenzial nicht, wenn sie immer das Gleiche an der immer gleichen Stelle bringen. Niemand würde wütend rauslaufen, wenn das uralte „Sign From The Northside“ oder der ungewöhnlich schnelle „Circle“-Bonustrack „Dead Man’s Dream“ den Anfang machte. Oder AMORPHIS einen Teil der Lieder akustisch spielten. Oder vier Stücke von „Tales From The Thousand Lakes“. Oder gar keins.

Stattdessen wäre es ein denkwürdiger Abend, und auch die Band würde vielleicht nicht so müde wirken. Sicher: Nach ein paar Monaten auf Tour darf selbst der fidelste Finne im Arsch sein, trotzdem ist es schade, dass zu der unbeherzten Songauswahl ein Frontmann kommt, der schon dynamischere Auftritte hatte. Aber man kann auch den Eindruck gewinnen, dass da sechs Musiker auf der Bühne stehen, denen es langsam auf den Sack geht, jeden Abend das Gleiche zu spielen. Das haben sie sich aber selbst ausgesucht – warum auch immer.


Setlist AMORPHIS:

Shades Of Gray
Narrow Path
Sampo
Silver Bride
The Wanderer
Against Widows
My Kantele
Into Hiding
Nightbirds Song
Vulgar Necrolatry
The Smoke
You I Need
Hopeless Days
Sky Is Mine
Black Winter Day
House Of Sleep


Fotos by Fotowolle