Geschrieben von Mittwoch, 21 März 2018 20:45

Orphaned Land, Lunarsea, Subteranean Mascarade und Road To Jerusalem - Bericht aus dem Galvanik Zug

17.03.2018, Zug - Ein Stück südlich von Zürich, am Ufer des Zugersees, liegt das kleine Städtchen Zug, Hauptort des gleichnamigen Kantons und in Deutschland vermutlich am ehesten bekannt durch die Insolvenzverfahren von Boris Becker. Am Rand des durchaus sehenswerten historischen Örtchens befindet sich das Kulturzentrum Galvanik, ein gemütlicher und liebevoll gestalteter Laden für die kleinen bis mittelgroßen Konzertbedürftnisse. Kurz vor Abschluss des europäischen Abschnitts ihrer aktuellen Tour schauen auch ORPHANED LAND zu ihrem einzigen Konzert in der dreisprachigen Schweiz vorbei.

Road To Jerusalem

1400 Orphaned Land 0191Mit ROAD TO JERUSALEM gibt es direkt etwas Spannendes zur Eröffnung. Die offiziell in Kopenhagen ansässige Vierer- Combo, die Anfang März ihr selbstbetiteltes Debütalbum an den Start gebracht hat, ist so gar nicht das, was man erwartet: Mit einschlägigen Stationen wie HYPOCRISY, SOILWORK, THE HAUNTED, KONKHRA und SCAR SYMMETRY in den einzelnen Biographien rechnet man erstmal mit irgendwas in Richtung Death oder Thrash. Es dauert also einen Moment, bis die Ohren über das Fehlen der erwarteten Blastbeats hinweg sind und den progressiven Hardrock mit psychedelischem 70er Einschlag verarbeiten können. Nachdem das Eis gebrochen ist, kann man sich mit den etwas unerwarteten Klängen der frischen Band aber durchaus anfreunden.

Subterranean Masquerade

1447 Orphaned Land 0559Mit der israelischen SUBTERRANEAN MASQUERADE geht es etwas härter, aber nicht weniger seltsam zur Sache. Die progressive Metal Truppe, für deren aktuelles Album "Vagabond" ORPHANED LAND Schlagzeuger Matan Shmuely noch im Studio saß, sorgt schon vor Konzertbegin mit reichlich Räucherstäbchen für eine angemessene Atmosphäre.

Während man keinem der sieben Musiker mangelnden Enthusiasmus unterstellen kann – und am musikalischen Können gibt es erst recht nichts auszusetzen –, sticht besonders der geliehene Davidavi "Vidi" Dolev heraus, der Sänger Kjetil Nordhus während der aktuellen Tour vertritt. Tanzend, hüpfend, Grimassen schneidend und von Traversen baumelnd singt er sich durch die stellenweise doch recht eigenwilligen Stücke der Band. Begeisterung, die ansteckt – und auch die Technik spielt mit und lässt den progressiven Sound der Band ausreichend gut abgestimmt erklingen, sodass man ihn genießen kann. Leicht skurril aber durchaus sympathisch und musikalisch zu empfehlen.

Dass das allgemeiner Konsens ist, sieht man spätestens, als das Publikum zum letzten Song gemeinsam mit LUNARSEA die Bühne stürmt, um mit der Band zu tanzen.

Lunarsea

1536 Orphaned Land 1276Vergleichsweise unspektakulär kommen dann LUNARSEA aus Italien daher. Die Melodic Death Truppe liefert das, was man nach einem Blick auf die Mitglieder von ROAD TO JERUSALEM erwartet hätte, und das auf technisch durchaus beachtenswertem Niveau. Allerdings muss man sich leider etwas Mühe geben, um sie nach den beiden doch als experimentell zu bezeichnenden Bands nicht als musikalischen Gaumenreiniger wahr zu nehmen.

Trotz der beeindruckenden Gitarrenarbeit, den tiefen Growls im Duett mit gutem Klargesang und insgesamt mitreißendem Songwriting macht sich der Eindruck "gut aber im Vergleich irgendwie langweilig" breit. Vermutlich braucht man nach dem gelungenen Angriff auf alle Sinne, den SUBTERRANEAN MASQUERADE gestartet haben, etwas Solides, um wieder runter zu kommen. LUNARSEA hätten vermutlich einen Programmpunkt vorher eine bessere Figur gemacht.

Orphaned Land

1704 Orphaned Land 1934Nach dem umfangreichen und großartigen musikalischen Vorspiel übernehmen dann ORPHANED LAND die Bühne. Und wie es sich nach einem gelungenen Vorspiel gehört, finden sie das Publikum in erwartungsvoll aufgeheizter Stimmung und bereit, mitgerissen zu werden. Das gelingt den israelischen Metalurgesteinen vom ersten Ton.

Die Auswahl an Songs vom neuen, starken Album "Unsung Prophets And Dead Messiahs" kann sich durchaus sehen lassen, trifft vor allem mit "We Do Not Resist" und "Propaganda" den Geschmack des Publikums, aber auch bei älteren Titeln ist das Schweizer Publikum textsicher. Vidi Dolev darf zu "Let The Truce Be Know" nochmal allen seine Eignung als Gastsänger zeigen und macht dabei neben Sänger Kobi Farhi keine schlechte Figur.

Was man allerdings bemerken muss, ist, dass ORPHANED LAND streckenweise unvorteilhafter abgemischt sind, als die Vorbands. Der Stimmung schadet es nicht, aber es ist dennoch schade um die Details, die dabei verloren gehen – vor allem, wenn man vorher noch gesehen hat, dass es anders geht.

Mit ORPHANED LAND selbst macht man live eigentlich nie etwas falsch und so ist es auch an diesem Abend. Und auch beim Support kann man wie immer ein geschicktes Händchen attestieren. Neben der großartigen Musik der Band und der Botschaft von Toleranz und Einigkeit, die das Publikum auf den ersten Blick auch ohne externe Hinweise lebt, gibt es guten musikalischen Input von außerhalb der eigenen Filterblase.