Geschrieben von Mittwoch, 13 Juni 2018 14:44

Guns N' Roses - Konzertbericht aus der VELTINS Arena Auf Schalke, Gelsenkirchen

GUNS N' ROSES rocken Gelsenkirchen GUNS N' ROSES rocken Gelsenkirchen Alle Fotos - Copyright by Guns N' Roses

Gelsenkirchen, 12.06.2018 - Der erste Gig der "Not In This Lifetime"-Tour 2018 in Berlin war für GUNS N' ROSES ein Debakel: Fans und Kritiker regten sich über eine schlecht aufgelegte Band, fehlende Magie, zu wenig Songs und miesen Sound auf. Obwohl die folgenden Auftritte in Dänemark und England deutlich besser aufgenommen wurden, blieb der beunruhigende Gedanke: Was, wenn Axl & Co. auch in Gelsenkirchen, der ersten NRW-Station der teilweise wiedervereinigten Sleaze Rocker, unter den Erwartungen bleiben?

GUNS N' ROSES sind auf Schalke in Bestform

Sämtliche Zweifel werden weggewischt, als gegen halb acht der Introfilm über die drei Video-Screens flimmert und die Menge im Stadion trotz zahlreicher Lücken auf den Sitzplätzen und im Innenbereich frenetisch zu jubeln beginnt. Mit "It's So Easy" und "Mr. Brownstone" legen GUNS N' ROSES entfesselt los wie 30 Jahre zuvor im legendären Ritz. Keine Spur von Lethargie oder alternden Rockstars, die sich nichts mehr zu sagen haben.

Frank Ferrer gibt flankiert von Dizzy Reed und der zauberhaften Melissa Reese den Takt an, Duff McKagan wetzt abwechslend über die Bühne und ans Mikro, Richard Fortus und Slash, wie immer mit Sonnenbrille und Zylinder, duellieren sich, und Axl Rose trifft mit hochrotem Kopf selbst die höchsten Töne, während er gefühlt nach jedem zweiten Song die Garderobe wechselt und seinen charakteristischen Hüftschwung zelebriert.

Rocken voller Energie die VELTINS Arena: Axl und Slash (Copyright: Guns N' Roses)

Die drei Originalmitglieder stehen stets im Vordergrund. Dabei hätte es Richard Fortus mit seinem meisterhaften Gitarrenspiel durchaus verdient, öfter das Spotlight zu genießen, doch wie bei AC/DC ist der Star bei GUNS N' ROSES nun mal das Original an der Gitarre.

Als Rose die Bandmitglieder vorstellt, werden alle frenetisch bejubelt, doch bei Slash wird's ohrenbetäubend laut. Wieso, beweisen zahlreiche Jam-Momente, legendäre Riffs, melodische Leads und gefühlvolle Soli: Der umtriebige Gitarrist quält und streichelt seine Sechssaitige wie kaum ein Zweiter. Kongenial wechselt er von Song zu Song zwischen brutal riffend und leidenschaftlich und setzt sich an diesem langen Abend selbst ein Denkmal.

Bekannte Setlist mit einigen Überraschungen

Das treibende "Welcome To The Jungle" mit Gänsehaut-Kreischen von Rose, der groovige Jam "Double Talkin' Jive", "Coma", das ebenfalls ausgedehnte "Rocket Queen", "You Could Be Mine", "Civil War", "Sweet Child O' Mine": Alle Klassiker von "Appetite For Destruction" und den beiden "Use Your Illusion"-Scheiben sind an Bord. Bei den drei Songs von "Chinese Democracy" sackt die Stimmung ab, es ist Zeit zum Bier holen und pinkeln. Dabei ist der Titelsong gerade live ein echtes Pfund. "Catcher In The Rye" und insbesondere "There Was A Time" wären dennoch die bessere Wahl gewesen als "Better" und "This I Love".

Mit dem VELVET REVOLVER-Cover "Slither" und dem bislang unveröffentlichten, ultraschnellen "Shadow Of Your Love" aus HOLLYWOOD ROSES-Tagen streut das Quintett zwei weitere nicht in Berlin gespielte Nummern ein, auch "Used To Love Her" kommt unerwartet. Nach "Nightrain" feiern die Gunners im Zugabenblock mit "Don't Cry" und "Yesterdays" zwei weitere Songpremieren der aktuellen Tour.

Aus der letztjährigen Setlist übernommen sind zum Glück "Wish You Were Here" sowie "Black Hole Sun" als Tribut an Chris Cornell. Die Interpretation des PINK FLOYD-Klassikers ist der emotionale Höhepunkt der Show: Slash und Fortus stehen auf dem Podest über dem Drumkit vor dem riesigen Screen mit entrückten Wolken-Bildern und solieren sich zum Heulen schön in andere Sphären, bevor Axl am Piano eine höchst intensive Version von "November Rain" mit "Layla"-Intro (ERIC CLAPTON) anstimmt.

Überhaupt merkt man auf dieser Tour, was für eine großartige Coverband GUNS N' ROSES sind und waren. Neben den bekannten Interpretationen von "Live And Let Die" und dem zum Mitsingspiel ausgedehnten "Knockin' On Heaven's Door" prügelt die Band von Duff McKagan an den Vocals angeführt "New Rose" (THE DAMNED) ins Publikum, bevor es Axl mit "Wichita Lineman" (JIMMY WEBB) deutlich ruhiger angehen lässt. Auch den fetzigen THE WHO-Klassiker "The Seeker" machen GUNS N' ROSES mal eben so zu ihrer ganz eigenen Nummer. Selbst das melancholische Thema von "Der Pate ("The Godfather") schafft im Rahmen des ausgedehnten Solo-Spots von Slash seinen Weg zurück ins Set, das am Ende 30 (!) Songs umfasst.

Beeindruckende Show, (später) ordentlicher Sound, bestens aufgelegte Band

Begleitet werden die Nummern von wohldosierten Pyros und Effekten, die in "Paradise City" in einem ordentlichen Feuerwerk münden. Die riesige Bühne mit Treppen und Podest bietet viel Platz zum Posen. Auch wenn Axl und Slash im Gegensatz zum extrem hageren Duff McKagan in die Breite gegangen sind, laufen sie agil von der einen Seite der Bühne zur anderen und tanzen ekstatisch herum. Öfter, als es Berichte zum Gig in Berlin vermuten lassen, suchen die Originalmitglieder die Nähe zu den anderen. Von isolierten Rockstars, die keine Einheit bilden, kann definitiv nicht die Rede sein.

Der Sound ist zu Beginn breiig und mies, nach einigen Songs wird's besser, bleibt aber recht unbeständig (mal zu matschig, mal zu krachig, mal hört man von Axls Gesang viel zu wenig, mal sind die Gitarren zu laut). Spätestens ab der Hälfte kriegt der Soundmann dann doch die Kurve und einen guten, halbwegs ausbalancierten Sound hin - wobei man fairerweise sagen muss, dass die Arena eh nicht für ihren sauberen Klang bekannt ist. Seit Beginn des Sets hat sich das Stadion zunehmend gefüllt, dennoch sind überraschend viele Plätze frei geblieben. Da half wohl auch die Eventim-Aktion mit Tickets für 35 € nicht viel (übrigens ein fetter Schlag in die Fresse derjenigen, die schon vor Monaten ihre zwischen 85 und 140 € teuren Karten erworben haben). Die Stimmung im Innenraum ist von Beginn an gut, der Jubel laut, die Lethargie auf den Rängen legt sich leider erst sehr spät.

 GUNS N' ROSES liefern eine schweißtreibende Show (Copyright: Guns N' Roses)

Als sich die Bandmitglieder ein letztes Mal vor dem Publikum verbeugen und "You Know My Name" vom Band einmal mehr an den schmerzlichen Verlust des SOUNDGARDEN-Sängers erinnert, habe ich Mitleid mit den Berlinern, die GUNS N' ROSES offenbar an einem ganz, ganz schlechten Tag erwischt haben.

Die mit 30 Songs bisher längste Setlist dieses Tour-Abschnittes, mehr als drei Stunden volle Power auf der Bühne, Spielfreude pur, Axl bei Stimme und Slash im siebten Gitarrenhimmel: Wer da nicht strahlt wie Axls neue Zähne, ist definitiv am falschen Ort!

Setlist 

It's So Easy
Mr. Brownstone
Chinese Democracy
Welcome to the Jungle
Double Talkin' Jive
Better
Estranged
Live and Let Die
Slither
Rocket Queen
Shadow of Your Love
You Could Be Mine
New Rose
This I Love
Civil War
Slash Guitar Solo
Speak Softly Love (Love Theme From The Godfather)
Sweet Child O' Mine
Used to Love Her
Coma
Wichita Lineman
Wish You Were Here
November Rain
Black Hole Sun
Knockin' on Heaven's Door
Nightrain

Zugaben:
Don't Cry
Yesterdays
The Seeker
Paradise City