Enter Shikari - A Flash Flood Of Colour Tipp

EnterShikariAFlashFloodofColour

Stil (Spielzeit): Trancecore / Post Hardcore(42:40)
Label/Vertrieb (VÖ): Ambush Reality (rough trade) (13.01.2011)
Bewertung: 9,5 /10


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Die englischen Jäger aus St. Alban haben wieder zugeschlagen. Mit „A Flash Flood Of Colour" liefert die Band das legendäre dritte Album ab. Das dritte Album hat häufig eine besondere Bedeutung, entscheidet es doch oft über den endgültigen Aufstieg oder die Niederlage. Auch nicht ganz unüblich und nicht unwichtig ist, dass ENTER SHIKARI noch immer in der Originalbesetzung spielen.

„System..." startet mit einem 2UNLIMITED Synthesizer- Gedächtnissound und weckt Erinnerungen an die 90er Dancefloorszene. Dann setzt die Stimme von Roughton „Rou" Reynolds, und begleitet von einem lässigen Beat erzählt er uns, dass er sich als kleiner Junge als Astronaut, Superheld, Feuerwehrmann und Doktor verkleidet hat... und was ist aus ihm geworden? Der Sänger und Tastendrücker einer der innovativsten Bands, die England in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Und England ist nicht gerade zurückhaltend, was gute Musik angeht.

Der Song geht fast nahtlos in den zweiten Track „...Meltdown" über. Stampfender Beat setzt ein und Roughton „Rou" Reynolds schreit „This is gonna change everything!". Recht hat er, denn was in den nächsten knapp 43 Minuten folgt, ist unglaublich genial. „...Meltdown" ist ein eingängiger, tanzbarer, stampfender Song mit vielen progressiven Elementen, präzise platzierten Shouts und Dub Step Breaks. Die 90er Dancefloor Melodie hat sich aus dem ersten Song rüber gerettet und taucht auch hier wieder auf. Glänzen kann der Song außerdem mit einem Refrain, der sofort im Ohr festgetackert wird.

Der nächste Song ist ein alter Bekannter:„Sssnakepit", den Song kann man schon mehrere Jahre auf YouTube hören, was ihn aber nicht schlechter macht. „Sssnakepit" hebt sich durch den Old School Break Beat ab - ich sag' nur Kaugummiketten und Adidas-Schlappen - der dann aber von einem 1a Riff angetippt und weiterbegleitet wird. Besonders prägend ist der Break, der die Attitüde von ENTER SHIKARI gut auf den Punkt bringt: „Yeah, Yeah we're nice guys... until we're not!" Roughton „Rou" Reynolds setzt endlich mal zu den tiefen Growls an und ENTER SHIKARI hauen uns ein derbes, schon fast doomiges Riff auf die Mütze, bevor es wieder in den partymäßigen Refrain übergeht. Abschließend gibt es dann noch einen für ENTER SHIKARI typischen Mitsingpart. Ganz großer Song! Das Outro macht dann übrigens Louis Armstrong.

Beim nächsten Song „Search Party" wird nicht lange gefackelt, innerhalb von 30 Sekunden befindet man sich im schönsten Stadion-Mitsing-Part, der Song überzeugt außerdem mit einem tollen Drumming und zeigt schon vage, dass da sicherlich das ein oder andere Sample aus bekannten Computerspielen gezogen wurde. Der Song hat poppige Anleihen, ohne schmalzig zu wirken. Besondern schön ist, dass Roughton „Rou" Reynolds auch mal wieder alleingestellt zum Gesangseinsatz kommt. Der Mann kann nämlich nicht nur schreien, sondern auch wundervoll singen. Zum Ende gibt es ein schon fast grungiges Riff mit einem Hard Rock Schlagzeugbeat, und unvermittelt geht es wieder in den Refrain, der eigentlich keiner ist, da er den ganzen Song dominiert.

„Arguing With Thermometers" startet mit Growling und ist der wildeste und vielfältigste Song auf der Platte, gleich vom Growling geht er nämlich in den Partymodus, begleitet vom feinsten Indie Riff. Roughton „Rou" Reynolds klingt in manchen predigenden Sprechgesangparts schon fast so ambitioniert wie Zach de la Rocha von RAGE AGAINST THE MACHINE.

„Stalemate" hat mich besonders beeindruckt, ENTER SHIKARI starten mit ruhigem Gesang und Akustikgitarre, ähnlich wie bei „Gap In The Fence" vom Album „Common Dreads". Allerdings hält sich der Song nicht lange damit auf, sondern plötzlich breiten ENTER SHIKARI einen weichen, harmonischen und indiemäßigen Sound aus, der einem richtig das Herz aufgehen lässt. Hört sich an, als ob Sonnenstrahlen den wolkenverhangenen Himmel durchbrechen, und das wird begleitet von einem Trommelschlag, der schon fast beruhigende Wirkung hat. Gerade an diesem Song kann man sehen, dass ENTER SHIKARI eine deutliche Weiterentwicklung gemacht haben und es schaffen konnten, ihren Wahnsinn und ihre unfassbare Kreativität und Musikalität erfolgreich zu kanalisieren. Der Song klingt mit Klavier und Gesang aus... und hinterlässt mich mit einem zufriedenen „Hach".

„Ghandi, Mate Ghandi" startet wieder mit einer Wutrede und droht mit technomäßigen Sounds, und dann kommt ein Sample, bei dem ich mir ziemlich sicher bin, dass es sich um das Geräusch handelt, wenn man bei Nintendos Super Mario den roten Pilz gefangen hat! Harmoniert aber perfekt mit der Wut im Gesang und dem ein oder anderen „Fuck you", das uns der Hintergrundchor entgegenbrüllt. Dann kommt eine (typisch englischer Humor) Stelle, bei der die Musik aussetzt und die Bandkollegen den Sänger ermahnen, sich doch nicht so aufzuregen, wieder runterzukommen und sich doch mal an Ghandi zu erinnern. Schließlich bleibt der ja immer locker. Lustiges Gimmick, schadet dem Song nicht und dauert auch nicht lange.

Wieder ab zurück zu Super Mario und dem Pilzgeräusch. Der Song ist insgesamt etwas irrer, irgendwie das noch krassere Gegenstück zu „Zzzonked" von der Scheibe „Commond Dreads". Tanzbar und trotzdem aggressiv genug. Zeit zum Verschnaufen bringt der Dub Step Sound, der einen zu Ende des Song attackiert und sich anfühlt, als ob einen jemand mehrmals hintereinander ganz langsam mit dem Bulldozer überfährt. „Emergency frequenzy" lallt die Computerstimme dazwischen und zum Outro gibt es nur noch Soundbrei.

„Warm Smiles Do Not Make You Welcome" startet sofort mit zuckersüßestem Indie vs. Computersound, gepaart mit Alternativegesang. Der Song ist unverschämt eingängig und transportiert eine unvergleichliche Leichtigkeit. Die chilligen Vibes sind unverkennbar ENTER SHIKARI und unterstreichen einmal mehr, dass diese Band es schon beim dritten Album geschafft hat, einzigartig zu sein. Es passiert wirklich nicht oft, dass man eine Band mit niemandem vergleichen kann. Bei ENTER SHIKARI ist es so. Die Band hat es geschafft, abseits von allem schon Existierenden eine neue Musik zu erschaffen, ohne sich aus anderen Stilen was zusammenzuklauen. Da die Band von Anfang an sehr stark war und viel Anerkennung bekam, vergisst man, wie mutig diese vier Engländer aus St. Alban waren und sind, immer stringent ihren Weg zu gehen. Respekt.

Apropos klauen, der nächste Song heißt „Pack of Thieves" und glänzt durch ein netten Glockensound im Hintergrund, übergehend in ein etwas heftigeres Schlagzeugedaddel von Rob Rolfe (ja, der heißt wirklich Rolfe mit Nachname!). Wieder ganz groß im Refrain und sehr, sehr eingängig, ohne platt oder vorhersehbar zu sein.

„Hello Tyrannosaurus, Meet Tyrannicide" startet mit einer schon fast High-Noon-artigen Melodie. Der Song dominiert mit einem rockigen Riffing und bringt von allen Songs die meistens Growls mit, allerdings wird die dadurch entstehende Kälte wieder durch spacige Samples gelockert. Die High-Noon-Melodie taucht auch immer wieder auf und die Kampfsituation (um die es in dem Song geht), Groß gegen Klein, wird von der Musik gut unterstützt, „Empires always fall" heißt es in den Shouts. Tja, ENTER SHIKARI müssen kein Imperium stürzen, weil es niemand gibt, der vor ihnen in solcher Konsequenz die Mischung aus Synthesizer und Core (und das ist noch zu wenig) durchgezogen hat.

Der letzte Song „Constellations" beschreibt im Prinzip einen Flug durch das All und hört sich auch genauso an. Es wird durchgehend gesprochen oder klar gesungen, begleitet von Streichern und schon fast meditativen Klängen. Ein warmer Song und eine sehr gute Wahl für den letzten Song. Nach dem Sport macht man ja auch oft Meditation, um wieder runterzukommen. Der Song erreicht am Ende einen Höhepunkt, der sich schon fast wie Stadionrock anfühlt.

Als Vergleich für die Scheibe bietet sich jetzt natürlich „The Path Of Totality" von KORN an, da ENTER SHIKARI auf „A Flash Flood Of Colour" auch einige Dub Step Elemente einfließen lassen. Ich finde ENTER SHIKARI klingen im Vergleich etwas weniger geordnet und unüberlegter, die Songs transportieren für mich mehr Energie und mehr Verspieltheit, dadurch klingen sie besonders und einzigartig. Bei vielen Bands ist es leider so, dass sie langweilig werden, sobald man das System dahinter erkannt hat. ENTER SHIKARI machen eine Ausnahme. Sie sind nicht vorhersehbar, „A Flash Flood Of Colur" ist eine deutliche Weiterentwicklung und bestätigt, was „Taking The Skies" und „Common Dreads" nur angedeutet haben. ENTER SHIKARI haben sich mit ihrem Drittling auf jeden Fall in das nächste Level gespielt und bewiesen, dass sie keine ADHS gestörten Kindern sind, sondern ganz, ganz große Musiker mit einem tollen Gespür für Melodien!

Blöd ist nur, dass ENTER SHIKARI zu ihren Konzerten die Karatetänzer wie Magnete anziehen. Beeindruckt durch die Beats und die spektakuläre Lichtshow, die ENTER SHIKARI im Gepäck haben, lässt sich das nicht vermeiden. Ich werde dann jetzt mal Karate üben.... denn im Februar, wenn ENTER SHIKARI in Deutschland touren, bin ich auch jeden Fall dabei.

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