Rhapsody - Live In Canada 2005 - The Dark Secret


Review


Stil (Spielzeit): Film Score Metal (60:09)
Label/Vertrieb (VÖ): Magic Circle Music/SPV (23.01.06)
Bewertung: Gelungen, aber auch notwendig? (7/10)
Link: www.mightyrhapsody.com
Live-Alben sind so eine Sache, die den potentiellen Käufer fast immer vor die Frage stellen, welche eigentlichen Beweggründe es sind und waren, die eine Band respektive Plattenfirma zu dem Schritt bewogen, meist althergebrachtes im neuen Gewand auf den übersättigten Markt zu schmeißen. Da wären zum einen legendäre Schmuckstücke der Bühnengeschichte, die über Jahre und sogar Jahrzehnte aufgrund ihrer fesselnden Energie und Atmosphäre von Einsteigern wie Liebhabern den eigentlichen Studioreleases vorgezogen wurden und immer noch werden – man erinnere sich an die frühen KISS mit „Alive“ und „Alive II“, an THE WHOs „Live At Leeds“ oder an DEEP PURPLEs „Live In Japan“, alles akustische Perlen, die bis heute Maßstäbe setzen. Zum anderen konnten Bands auf Veröffentlichungen ihrer Gigs schon immer die Gelegenheit nutzen, die Außenwelt von ihren spieltechnischen Fertigkeiten zu überzeugen und damit zu beweisen, dass überirdische Leistungen instrumentaler Art nicht nur in heimeliger Studioatmosphäre zu bewerkstelligen sind – hier mögen RUSH mit „Exit… Stage Left“ oder DREAM THEATER mit „Once In A LIVEtime“ und „Live At Budokan“ als Beispiele dienen. Zum dritten allerdings wären da die Relesases, die wohl aus nahezu ausschließlich finanziell motivierten Beweggründen heraus das Licht der Welt erblickten – und so Leid es mir tut, RHAPSODYs „Live In Canada 2005 – The Dark Secret“ müffelt ein wenig nach dieser Art von Geldscheffelei.
Nicht nur, dass sich RHAPSODY über die Jahre ihrer Existenz hinweg bisher nicht gerade den Ruf erspielt haben, auf den Bühnen dieser Welt beheimatet zu sein – wie auch, lässt man sich hierzulande höchstens alle drölf Jahre mal als Supportact irgendwelcher Edelstahlveteranen (in vorliegendem Falle MANOWAR) blicken. Zugegeben: Bands mit einer Bandbreite wie RHAPSODY, denen sogar gängige Genrebezeichnungen zu eng wurden, und die darum für ihr Produkt aus orchestralen Sounds, klassischem Powermetal und höchst bombastischen Arrangements der Kommode ein Schublädchen namens „Film Score Metal“ hinzufügen zu müssen glaubten, haben’s auch schwer genug, die mindestens hundertfuffzich Orchestermusiker samt Christopher Lee und mindestens drei Drachen nebst Jungfrauen auf die Bühne zu wuchten. Und weil’s eben so schwer ist, lässt man’s gleich ganz, schickt die Philharmoniker vom Tape ins Rennen und verlegt sich auf die puristische Version. Nur – so wird man zukünftig wohl nicht viele Blumentöpfe gewinnen können.
Um auf den Gegenstand dieser Rezension zurückzukommen: Der Sound auf „Live In Canada 2005 – The Dark Secret“ ist gut, sogar sehr gut. Eigentlich ZU gut, um den Herren nicht zu unterstellen, sich im Anschluss an die Aufnahmen noch mal für mindestens einen Monat im Studio eingeschlossen und nachbearbeitet zu haben, dass die Schwarte kracht. Diese Vermutung allein kann allerdings nur als halber Kritikpunkt gelten, denn wenn aus derlei Aktionen ein so perfektes Klangbild resultiert, soll’s dem geneigten Hörer doch eigentlich recht sein, oder etwa nicht? Hier scheiden sich gewöhnlich die Geister, und letztlich wird jeder potentielle Käufer diesen Sachverhalt mit seinem eigenen Gewissen vereinbaren müssen. Fakt dürfte aber sein: Hier wurde kräftig gecheatet, das mögen Turilli und Co. zukünftig noch so beherzt dementieren. Und dass 2.500 Kanadier (so das Fassungsvermögen des Metropolis-Theaters in Montreal von offizieller Seite) schon bei der Vorband des Abends eine derartige Lärmkulisse auf den Weg zu schicken imstande waren, legt die Vermutung nahe, dass der Schalldruck, den MANOWAR im Anschluss entfacht haben sollten, für alle größeren Erdbeben weltweit im Juni vergangenen Jahres verantwortlich gewesen sein dürfte.
Dabei wurde beim Konzert in Montreal der Schwerpunkt deutlich auf Stücke der jüngeren und jüngsten Bandvergangenheit gelegt, von elf Titeln stammen allein vier vom letzten Langeisen „Symphony Of Enchanted Lands II“, doch Höhepunkte wie Dawn Of Victory, The Village Of Dwarves oder Emerals Sword sollten auch das Herz von Fans der ersten Stunde zufrieden stellen. Überdies weiß uns Monsignore Lione zwischendurch immer wieder mit seinen Reminiszenzen an althergebrachte Lehren zu erfreuen: Engländer sollten kein Spanisch sprechen, Deutsche kein Englisch und – jawoll – Italiener kein Französisch. Zu komisch, wirklich zu komisch!
Was bleibt also als Quintessenz? „Live In Canada 2005 – The Dark Secret“ ist ein starkes Live(?)album unserer italienischen Freunde, von denen wir uns für die Zukunft allenfalls den Beweis wünschen würden, dass derartige Leistungen auch wirklich auf deutsche Bühnen zu bringen sind – und das, ohne sich an Genregötter wie MANOWAR anhängen zu müssen. Ob sich der Kauf lohnt, möge jeder Liebhaber episch-bombastischen Powermetals bitte für sich selbst entscheiden, festzuhalten bleibt nur wie so oft die neuerliche Frage nach der Notwendigkeit dieser Veröffentlichung. Doch wer Eingangs dieser Kritik aufmerksam bei der Sache war, mag zu Recht erkannt haben, dass sich derartige Ungewissheiten im Laufe der Zeit meist ganz von selbst klären…