Robert Plant - Carry Fire Tipp

Robert Plant - Carry Fire
    Rock/Folk/Weltmusik

    Label: Nonesuch / Warner Music
    VÖ: 13.10.2017
    Bewertung:8/10

    ROBERT PLANT im Web


Drei Jahre nach dem großartigen "lullaby... And The Ceaseless Roar" beglückt uns ROBERT PLANT erneut mit elf musikalischen Kleinoden irgendwo zwischen Folk, Weltmusik, Blues und Rock. "Carry Fire" ist stilistisch und stimmungstechnisch eine überaus konsequente Fortführung des Vorgängers.

Plant ist ein weltgewandter Botschafter der Musik

Das könnte eingefleischten LED ZEPPELIN-Anhängern mal wieder weh tun - allerdings auch nur denen, die nicht wissen, was Plant die letzten Jahrzehnte so getrieben hat. "Carry Fire" ist bereits sein 14. Soloalbum. Nach der überraschenden Reunion 2007 gibt es zwar immer noch dieses kleine Fünkchen Hoffnung, dass sich Page, Plant und Jones noch mal zusammen tun, doch betonte der Sänger oft genug, dass er sich als unabhängiger Künstler pudelwohl fühlt. Und das hört man zu jeder Sekunde.

Dass der Sänger seine Vergangenheit mehr oder weniger ruhen lässt, ist mehr als in Ordnung. Denn während sein ehemaliger Bandkollege in schöner Regelmäßigkeit in den Archiven gräbt und mehr oder weniger essentielle ZEPPELIN-Schätzchen ausgräbt, macht Plant mit fast 70 Jahren einfach, worauf er Lust hat. Und das ist seit ein paar Jahren mit seiner Band THE SENSATIONAL SPACE SHIFTERS der Kampf gegen kreativen Stillstand durch leidenschaftliches Musizieren.

Verhalten rockend, sinnlich anschmiegend

Wie sein Vorgänger umfasst "Carry Fire" mannigfaltige Einflüsse: Keltische, arabische und afrikanische Sounds verbinden sich mit Loops, modernen Effekten, Blues und natürlich auch Rock. Nicht brachial oder ungestüm, sondern leichtfüßig und ruhig. Elektrische Gitarren finden sich etwa im hochmelodischen "Bones Of Saints", dessen rockiger Glanz leicht den Geist der Vergangenheit aufatmen lässt, im getragenen, seelenstreichelnden "New World...", dezent solierend im modernen "Keep It Hid" oder im vertrackten "Bluebirds Over The Mountain" mit Gastvocals von Chrissie Hynde.

Auf der anderen Seite geht es ruhig, bisweilen fragil zu: In wunderschönen Nummern wie dem mystischen Titeltrack, dem einschmeichelnden, weichen "Season's Song" oder dem lieblichen "Dance With You Tonight", die beide an folkige LED ZEPPELIN-Tracks erinnern. Mal rein folkig, mal mit Einflüssen aus aller Welt vermischt, mal bluesig, mal stark orientalisch oder arabisch angehaucht. Der eingängige, herzerwärmende Opener "The May Queen" schlägt musikalisch die direkte Brücke zu "lullaby... And The Ceaseless Road", im zerbrechlichen, reduzierten "A Way With Words" trauert Plant einer Verflossenen hinterher. Seine Band ist da und bereitet seinen fragilen Vocals genau die Bühne, die sie brauchen.

Überhaupt sind Plants Vocals einmal mehr charakteristisch markant, weich, unaufgeregt, leise, zum Dahinschmelzen. Der Sänger hat seinen Frieden gefunden, macht das, was er tut, mit unüberhörbarer Leidenschaft. Sie wird von THE SENSATIONAL SPACESHIFTERS geteilt und gelebt. Dass "Carry Fire" voll und detailverliebt produziert wurde, die beteiligten Musiker und Gäste auf allerhöchstem Niveau spielen, versteht sich da von selbst.

Zum Anfassen schön

Ein besonderes Lob gebührt den Verantwortlichen hinter dem Design der CD: Noch nie habe ich einen physischen Tonträger so gerne angefasst! Das Digipack ist mit einer samtenen Schicht überzogen, die Farben leuchten kräftig, der Karton ist schön dick. Die CD steckt im gegensatz zu 99 % aller anderen Digipacks in einer separaten schwarzen Tasche, damit sie nicht ungeschützt in ihrem Fach herumfladdert und so unweigerlich Kratzer entstehen. Da hat wirklich mal jemand nachgedacht.

Ein Must-Have für weltoffene Rocker-Ohren

"Carry Fire" auf einer Stufe mit dem grandiosen Vorgänger - beinahe. Denn während sich die ruhigen Nummern fast noch süßer ins Ohr schmiegen, klangen die rockigeren Töne auf "lullaby... And The Ceaseless Roar" ein wenig packender. Zudem orientiert sich das Songwrting an einigen Stellen etwas zu sehr am Vorgänger - so nah, dass unweigerlich der "Das-habe-ich-doch-schon-mal-gehört"-Gedanke aufkommt.

Das allerdings ist Kritik auf allerhöchstem Niveau. Wer mit dem Sänger der bedeutendsten Rockband aller Zeiten auf weltoffenen Pfaden wandeln und gegen den Stillstand ankämpfen möchte, muss "Carry Fire" einfach gehört haben.

Trackliste

1. The May Queen
2. New World...
3. Season's Song
4. Dance With You Tonight
5. Carving Up The World Again... A Wall And Not A Fence
6. A Way With Words
7. Carry Fire
8. Bones Of Saints
9. Keep It Hid
10. Bluebirds Over The Mountain
11. Heaven Sent