Anderes Holz - Fermate

Anderes Holz - Fermate
    "Avantgarde und Prog und Gothic Folk Rock und eine Prise Punk"

    Label: STF Records
    VÖ: 14.09.2018
    Bewertung:keine

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Was bekommt man, wenn man minimalistisch instrumentierten Folk mit progressiven, avantgardistischen Ansprüchen und elektrischer Verzerrung sowie moderner deutscher Lyrik mischt? Im wesentlichen Kopfschmerzen.

Nicht immer unbedingt die unangenehme Art. Manchmal scheint es die gleiche Art Kopfschmerzen zu sein, die sich bei zu viel moderner Kunst einstellt, wenn das Gehirn sich zu schnell um die Fragen dreht, warum jemand so etwas tut und warum man sich das antut. Jedenfalls wird es vermutlich Zeit, sich mal wegen meines musikalischen Masochismus' – den Kollege Helge mir vermutlich aus anderen Gründen unterstellt – Gedanken zu machen, teilweise finde ich es nämlich ziemlich gut.

ANDERES HOLZ sind Schlagzeug, Bass und Waldzither und schwer zu bewerten. Einerseits schaffen sie es, musikalisch extrem abwechslungsreich zu sein, auf der anderen Seite schaffen sie es gleichzeitig, jedes neue Motiv und jede neue Variation so zu Tode zu spielen, dass daraus wieder eine fast unerträgliche Monotonie wird. Auf der lyrischen Seite gilt ähnliches. Man hat zwar oft das Bedürfnis, zuzuhören und Metaphern und Aussagen zu entschlüsseln, man hat aber deutlich öfter das Bedürfnis, mit einem sanften Klaps auf dem Hinterkopf nachzuhelfen, damit der Rest des Textes endlich rausfällt.

Man mag jetzt drüber diskutieren können, dass allein die Tatsache, dass ich mit mir diskutiere, dass man das ganze eigentlich in mehr Details diskutieren müsste, um einen sinnvollen Eindruck zu vermitteln, schon dafür spricht, dass die Band ihr Ziel erreicht hat, anspruchsvolle Lyrik mit progressivem Folk zu kombinieren. Auf der anderen Seite steht dann der Punkt, dass mich nach wiederholtem Arbeiten durch die Monotonie kein wirklich gesteigertes Bedürfnis dazu treib. Das spricht eher für das Gegenteil.

Und da ist auch schon mein Hauptproblem mit "Fermate" von ANDERES HOLZ: Intellektuell kann ich mich durchaus mit dem Gesamtkonzept anfreunden, aber emotional ruft es, bis auf wenige Momente, im wesentlichen Augenrollen und eine unterschwellige Genervtheit hervor. Nicht, weil es schlecht wäre – es ist definitiv nicht schlecht genug, um es nicht zu hören –, sondern eher, weil sich der Eindruck einer gewissen fehlplatzierten Übermotiviertheit breit macht. Vieles hätte man meiner Meinung nach deutlich zusammenstreichen können und damit eine deutlich bessere Wirkung erzielt. Die Umsetzung hätte für mich einen konsequenteren Rotstift gebraucht.

Vielleicht bietet sich auch das Mosaik, das ANDERES HOLZ im ersten Titel verwenden, als Metapher an – das Album ist durchaus vergleichbar mit einem Mosaik. Allerdings fühlt es sich an, als wäre es ein Mosaik aus unbearbeiteten Quadratfliesen. Die Farben sind da und man erkennt, was es darstellen soll, aber die monotone, blockige Struktur fängt einen nicht, alles ist immer irgendwie gleich und es fehlt etwas, an dem man sich entlang hangeln kann. Vielleicht passt als Vergleich auch der Versuch, einen Van Gogh mit Filzstift zu malen: Ganz hübsch, aber es erzeugt nicht das Verlangen, das Werk aus jedem Winkel zu betrachten und es anzufassen, was durch den dicken Ölauftrag entsteht.

Ich verzichte auf eine Bewertung in Zahlen, denn das Album oszilliert irgendwo zwischen acht und zwei, je nachdem, wie weit die letzte Mosaikfuge zurückliegt. Eine fünf ist es aber auch nicht. Es lohnt sich sicher reinzuhören, denn im Wesentlichen gibt es auf technischer Seite nicht viel auszusetzen, weder musikalisch noch lyrisch. Lediglich mein eher im Minimalismus verhafteter Sinn für Ästhetik verhindert, dass sich das Werk tiefer emotional einbrennen kann.

Tracklist:

  1. Mosaik
  2. Ein Geheimnis
  3. Dysfunktion
  4. Die Flamme
  5. Lippen aus Schnee
  6. Plankton
  7. Die Stadt
  8. Judo
  9. Die bange Nacht
  10. Der große Zampano

Anderes Holz sind:

Tine - Bass
Flusi - Drums
Kunde Waldzither - Waldzither, Gesang