The Hirsch Effekt - Holon:Hiberno

hirsch

Stil (Spielzeit):
Screamo / Posthardcore / Prog / Experimental (57:21)
Label/Vertrieb (VÖ): Midsummer / Cargo (19.03.10)
Bewertung: 8 / 10

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Dieses Trio ist mir erstmals durch die Split mit CALEYA aufgefallen. Eine Mischung aus Posthardcore und Kammermusik? Indie im Größenwahn? Keine wirklich Ahnung, aber es war direkt klar, dass ich mich noch mehr mit dieser Band beschäftigen musste. Und so dreht jetzt ihr vorangegangenes Debüt-Album seine Runden in meinem Player und lässt mich ebenfalls ratlos zurück.

Das mit der „Kammermusik" ist etwas in den Hintergrund gerückt (obwohl einige genrefremde Instrumente hier und da gerne mal auftauchen) und der Krach ist in den Vordergrund getreten. Man denkt an FALL OF TROY, da die Hannoveraner auf einmal in absolutes Gerase verfallen, Notenmassaker begehen und eine ähnlich ätzende Schreistimme haben. Man denkt an THE MARS VOLTA vom Anspruchsfaktor her und diverse Screamobands, wobei THE HIRSCH EFFEKT einfach anders sind als besagte Bands und wer noch hätte genannte werden können. Brüder im Geiste könnten zum Beispiel auch A DOG CALLED EGO sein, wobei hier die schiere Brutalität, die hier und da ausbrechen kann, alle Grenzen sprengt.

Auf der anderen Seite ist die Stimme aber so eine Sache. Hingebungsvoll schief singen ist ja machbar. Aber vor allen in den heftigen Parts ist das manchmal schon ziemlich harter Tobak. Wer da bei FALL OF TROY schon aufgibt, wird hier definitiv problematische Abschnitte finden. Dafür belohnen dich THE aber in den Momenten, in denen es bei ihnen wirklich gut läuft mit epischer Dramatik. Aber man muss schon in der Stimmung hierfür sein. Zwar gibt es auch Momente, die zart und zerbrechlich sind (gerne mit etwas Elektronik), aber auf der anderen Seite machen sie auch keinerlei Gefangene. Hier spielen sich drei Leute ohne jeden Hemmungen aus. Testen. Versuchen. Schreien. Schämen sich nicht für Ecken und Kanten. Viele Kanten. Oh ja, viele Kanten!

Es fällt auch schwer, hier in Songs zu denken. Es fühlt sich eher wie ein stetiges Auf und Ab an. Wie eine vollkommen unberechenbare Achterbahn, die zwischendurch auch mal den Bullet-Time-Mode anschmeißt und man selber von außen zusehen kann. Bei welchem Abschnitt man grade genau ist, vermag man manchmal gar nicht so richtig zu sehen. Der Wald und die Bäume eben. Ich muss aber auch gleichzeitig sagen, dass ich jeden verstehen kann, der hier direkt abwinkt. Man muss das schon wollen! Ansonsten besitzen sie vermutlich extremen Nervfaktor. Vielleicht nicht unbedingt zur nächsten Teamsitzung mitbringen!

Wie man merkt, bin ich nach wie vor etwas ratlos, aber hey, das ist doch mal ein angenehmer Zustand, wenn man sich die tausenden von Platten vor Augen hält, die alle gleich klingen. Wäre der Gesang noch etwas runder, könnte man allerdings noch einen einfacheren Zugang finden. Aber was soll's? Wer sich auf Entdeckungsreise begeben möchte, ist hier jedenfalls auf der richtigen Seite! Aber um hier wirklich steil zu gehen, muss man wirklich schon etwas für obskuren Krach übrig haben, ansonsten ist das hier vermutlich nur nervig. Schön, wenn eine Platte noch so dermaßen polarisieren kann!