Disturbed - Indestructible

Stil (Spielzeit): Modern Metal (49:18)

Label/Vertrieb (VÖ): Warner Music (30.05.08)
Bewertung: 8,5/10

Link:www.disturbed1.com

Keine Überraschungen, aber hundertprozentig solide Arbeit von DISTURBED – auf diese Formel haben sich nach einigem Für und Wider die meisten Rezensenten von „Indestructible“ geeinigt. Und in der Tat: Das vierte Album der Amis klingt auf die ersten Meter etwas beliebig, entfaltet mit der Zeit aber gelungene Details und offenbart vor allem in der zweiten Hälfte mit „Criminal“, „Torn“, „Divide“, „Haunted“ (und dem Titelsong) eine ganze handvoll verdammt guter Tracks.

„Indestructible“, erstmals in Eigenregie produziert, versteht die Band als Versuch, die Dynamik der drei Vorgänger-Alben so weit wie möglich zu steigern – "die Höhen höher und die Tiefen tiefer zu schrauben" – und das Verhältnis zwischen Gitarre, Bass, Drums und der charakteristischen elektronischen Elemente enger zu binden.
Eine Aussage, die für mich in erster Linie nach dem oft gehörten „Wir wollten die harten Sachen härter und die ruhigen Parts emotionaler klingen lassen“-Blabla klingt. Denn „Indestructible“ ist weder ein mutiges, noch ein im Vergleich zu den Vorgängern songwriterisch herausragendes Album geworden. Bis auf das ungewohnt stürmische „Divide“ und ungeahnt viele Soli hat man sich auch keine dickeren Stahlkappen in die Schuhe nieten lassen, denn insgesamt regiert das gewohnte Midtempo mit gefälligen Modern-Metal-Riffs.

Die Band zeigt sich in der Nabelschau sehr selbstbewusst, mit deutlicher Tendenz zur Wahrnehmungstrübung bzw. Selbstüberschätzung: "Ich möchte nicht arrogant klingen", so zitiert die Platteninfo Schlagzeuger Mike, "aber ich denke, wir haben ein Album gemacht, das die Plattenindustrie genau jetzt braucht. Es gibt nicht mehr viele Heavy-Bands, und ich denke unsere Fans – und die Fans des harten Rock im Allgemeinen – werden auf das Album durchdrehen."
DISTURBED als Retter einer bedrohten Spezies? Jungs, mal langsam wieder runter kommen. Da draußen gibt es Tausende harter Bands, und das wisst Ihr. Also was soll der Käse? Zudem sollte Euch nicht das Wohl der Plattenindustrie am Herzen liegen, sondern das der Fans. Tsss …

Zurück zur Platte und ihrem Entstehungsprozess: "Indestructible" wurde innerhalb von drei Monaten im Herbst 2007 in den Groovemaster Recording-Studios in Chicago aufgenommen. "Wir wollten wieder etwas von dem einfangen, was auf den letzten beiden Alben untergegangen war", so Gitarrist Dan. "David hat die Fähigkeit, sehr melodisch zu singen, aber wir wollten wieder das aus ihm herauskitzeln, wofür er bekannt ist: rhythmisches, animalisches Schnellfeuer-Shouting. Er ist schwer zu toppen, wenn er das macht, und wir wollten ihm Musik geben, die genau das von ihm fordert."

Aus meiner Sicht ist das gelungen, auch wenn ich es weniger staatstragend formuliert hätte. Die Chicagoer klingen angriffslustig wie eh und je, spielerisch feuern sie Refrains und Melodiebögen ab, für die andere Musiker ihren kleinen Finger geben würden. Allein, genau das erwartet man auch von DISTURBED, die hohe Messlatte haben sie mit drei hervorragenden Platten selbst für sich gelegt. Dass der technisch eh über jeden Zweifel erhabene Sänger Draiman bei den letzten Alben in irgendeiner Hinsicht unterfordert gewesen sein soll – für mich nicht nachzuvollziehen.

Textlich wollte man ebenfalls emotionaler, persönlicher vorgehen: "Deceiver" bezieht sich auf eine Ex-Freundin von Draiman, "Divide" zelebriert „den Kampf des Individuums gegen die Anpasserei der Massen“, und in "Haunted" erzählt er die Geschichte von einem Ort der Liebe, der eine wahre Alptraumlandschaft wird, in der nur Dämonen mit menschlichen Masken existieren. Laut CD-Waschzettel ein verschlüsselter Song über Los Angeles, wo Draiman einige Jahre gelebt hat, bevor er vor Kurzem wieder nach Chicago zurückgegangen ist.

"Inside The Fire" beschwört das Bild des Teufels, der versucht, Draiman nach dem Tod seiner Freundin vom Selbstmord zu überzeugen. "Die Arbeit an diesem Album hat mir eine Menge Therapeuten-Rechnungen erspart", so der Sänger. Zwei der Songs auf dem Album nehmen die Situation im Nahen Osten zum Thema: Mit "Enough" beklagt er die Ursachen des Irak-Krieges und das Leid, das er über die Menschen brachte, und der Titeltrack "Indestructible" soll den dort stationierten Soldaten Mut machen, aber auch allen anderen Menschen, "die sich von ihrer Angst befreien wollen", wie DISTURBED es formulieren.

Am Ende zählt die Musik, und da gibt es bei „Indestructible“ im Grunde nichts zu meckern, höchstens auf sehr hohem Niveau. Einmal mehr haben DISTURBED ihr Händchen für eingängige Refrains unter Beweis gestellt und ein herausragendes Gesamtwerk geschaffen, das an allen Ecken und Enden mit Herz und viel Dampf im Kessel zur Sache geht. Auf der Strecke geblieben ist nur der Einfallsreichtum – für ein wenig mehr Mut zum Risiko und mehr Songs, die nicht auch auf „Ten Thousand Fists“ hätten stehen können, wären ihnen meine 9 Punkte auch diesmal sicher gewesen.