Alter Bridge - The Last Hero Tipp

Alter Bridge - The Last Hero
    Alternative Rock/Metal

    Label: Napalm Records
    VÖ: 07.10.2016
    Bewertung:8/10

    ALTER BRIDGE im Web


Ich weiß gar nicht so recht, wieso, aber mit ihrem vierten Album "Fortress" habe ich ALTER BRIDGE - CREED minus Scott Stapp plus Myles Kennedy - ein wenig aus den Augen verloren. Und das, obwohl die Amis mit ihrem unbeschwerten Debüt "One Day Remains", dem düsteren "Blackbird" und dem ausgeglichenen "AB III" drei hochkarätige Alben veröffentlicht hatten. Pünktlich zum fünften Studiowerk bin ich wieder am Start - zum Glück, denn "The Last Hero" überzeugt auf ganzer Linie.

Ob es der Labelwechsel zu den Österreichern von Napalm Records ist, oder sich ALTER BRIDGE in den vergangenen drei Jahren nach dem von Fans und Kritikern nicht uneingeschränkt abgefreierten "Fortress" einfach auf alte Stärken zurück besinnt haben: "The Last Hero" rockt wie Sau, ist extrem abwechslungsreich, zeigt die melodisch-eingängige Seite mit Stadionrock-Einschlag genauso wie die rifforienterte Metalband, bei der vor lauter Gitarrengewittern nur noch Myles Kennedys Vocals wie Sonnenstrahlen einen düsteren Himmel durchbrechen. Klar: Wer die teils nölige Stimme des langhaarigen Charmeurs nicht abkann, wird auch mit "The Last Hero" nicht warm. Für mich passt sein Timbre, das Wut und Verletzlichkeit gleichermaßen gut wiederspiegeln kann, perfekt zur musikalischen Ausrichtung seiner Kollegen Mark Tremonti (Gitarre, Backing Vocals), Brian Marshall (Bass) und Scott Phillips (Drums) passt.

Mit der ersten Single "Show Me A Leader" startet das Quartett in seine fünfte Studioscheibe. Nach kurzem Instrumentalintro rifft Tremonti sich die Fnger wund, Bridge und Chorus setzen sich direkt im Ohr fest. Ein klasse Gitarrensolo rundet den treibenden Opener ab. Das nachfolgende "Writing On The Wall" groovt mit fettem Basssound und schweren Riffs im Midtempo, das schleppende "The Other Side" schlägt in eine ähnliche düstere Kerbe. Den ersten Lichtblick gibt es mit dem wunderbar melodischen "My Champion", das ALTER BRIDGE von ihrer besten Stadionrock-Seite zeigt und ein positiver Ohrwurm allererster Güte ist, der den aufbauenden, motivierenden Text musikalisch perfekt umsetzt. "Poison In My Veins" ist in den Strophen wieder heftiges Riffgewitter, wird dann aber im Refrain sehr melodisch.

Mit "Cradle To The Grave" folgt eine melancholische Halbballade mit Akustikgitarren in den Strophen und dezenter Streicher-Untermalung. "Losing Patience" treibt den Hörer dann wieder nach vorne, während das abwechslungsreiche, deftig riffende "This Side Of Fate" in der Mitte des Songs in MUSE-Sphären wandelt. Für eine Verschnaufpause sorgt danach die Ballade "You Will Be Remembered", die ganz so klingt, als habe Mark Tremonti nach "In Loving Memory" noch einen musikalischen Tribut für seinen verstorbenen Vater verfasst. Und ähnlich wie der zu Tränen rührende Song auf "One Day Remains" muss man sich auch bei "You Will Be Remembered" eine Träne aus dem Auge wischen, wenn man sich den perfekt zur Musik passenden Text der befreit klingenden Nummer anhört. Das zackige "Crows On A Wire" zieht das Tempo dann wieder an und besticht durch einen eingängigen Chorus, während "Twilight" der düsteren Gesamtstimmung des Albums paradoxerweise trotz seines Songtitels ein paar Sonnentrahlen entgegen setzt. "Island Of Fools" hingegen beweist mit brettharten Riffs, dass ALTER BRIDGE keine weichgespülte Rockband sind, sondern wissen, wie der Metal-Hase läuft. Ähnliches gilt für den extrem guten Titeltrack: Gibt er sich in den Strophen noch zurückhaltend pfeffert er dem Hörer um den epischen Refrain herum und insbesondere gegen Ende des Songs thrashige Riffs um die Ohren.

Wenn man wirklich etwas an "The Last Hero" kritisieren will, dann höchstens die opulente Umsetzung der Songs: Hier mal ein "Ohohoh", da mal ein Glockenschlag, dort ein kleiner Effekt - manchmal wünscht man sich zugunsten eines etwas erdigeren Sounds etwas weniger davon. Dann würde das fünfte ALTER BRIDGE-Album noch eine Ecke rauer klingen. Davon abgesehen gibt es an der bombastischen, ziemlich fetten Produktion aber nichts zu meckern.

ALTER BRIDGE stellen mit "The Last Hero" unter Beweis, wie perfekt melodischer Stadionrock und brettharter Alternative Metal miteinander harmonieren können, und knüpfen damit an ihre ersten drei Alben an. Die düstere Grundstimmung des Albums dürfte ebenfalls dazu beitragen, etwaige mit "Fortress" vergraulte Fans wieder zurück an Bord zu holen. Und das völlig zu Recht!