Geschrieben von Samstag, 05 Mai 2012 16:50

Die Vorbands des Todes - Seit wann ist ein Konzert ein Festival?

Die Vorband des Todes

Wer kennt es nicht? Dieses monströs dicke Overkill-Paket an Vorbands, welches heute üblicherweise für die Vorbespaßung von Bands zusammengeschnürt wird, an die man sich teilweise gerade erst wieder oder überhaupt gerade erst herantastet?! Ich persönlich hatte in den letzten Jahren öfter mal das Vergnügen, solchen „Events" beizuwohnen zu müssen, gerne auch mal unter einem absolut sinnfreien Motto zusammengefasst. Langsam finde ich das nicht mehr spaßig.

Ich mag kleine Bands, ich mag neue Bands und ich schaue Bands gerne beim Wachsen zu. Es muss nicht von Anfang an das perfekte Produkt auf den Markt geworfen, die hammermäßige Liveperformance aufgefahren oder einem von Anfang an die Mähne nach hinten geföhnt werden. Viel interessanter ist es, wenn man Ansätze von „könnte was werden..." hört, die Band im Auge und im Ohr behält und dann langsam Stück für Stück mit der Band zusammenwächst. Mir ist auch bewusst, dass viele Bands es nicht einfach haben, da nicht jeder sich die Mühe macht, Demos und somit Bands im Anfangsstadium zu lauschen oder kleine Veröffentlichungen zu besprechen. Aber bitte – liebe Verantwortlichen – hört auf mit diesen fetten Paketen, es macht keinen Spaß.

Gutes Beispiel war POWERWOLF letzte Woche – wie man in meinem Bericht lesen kann, eine sehr intensive und vor allem beeindruckende Liveerfahrung. Bei POWERWOLF war wirklich über den kompletten Auftritt volle Action angesagt, das schließt in meinem Fall natürlich auch mich als Zuschauerin ein. Da wird getanzt, gebangt und gegröhlt. Die Luft ist in der Regel nicht die Beste, in manchen Clubs wird geraucht (Nichtraucherschutz, warum findest du eigentlich nur in den Medien statt und nicht im wirklichen Leben?) und sicher werden viele bestätigen: Es wird getrunken auf Konzerten, meistens sogar Alkohol und noch öfter Bier. Wenn ich um 18 Uhr anfange Bier zu trinken, dann bin ich bis zur Hauptband um 22 Uhr schon nicht mehr zu gebrauchen.

Mein bevorzugter Konzerttag ist Freitag, man kriegt einen guten Schub für das Wochenende und hat es dann mit Samstag und Sonntag irgendwie noch komplett vor sich. Außerdem kann man sich dann mit der eigenen Vorfreude den ganzen Freitag schönreden. Wenn man nämlich, wie ich und der Großteil der Bevölkerung, dem arbeitenden Volk angehört, dann ist Freitag für mich ein relativ normaler Arbeitstag. Der geht dann in der Regel bis in den späten Nachmittag. Wer auch noch so was wie einen Heimweg hat und sich dann auch noch umziehen oder ähnliches will (ich komme gerne mal stinkig heim, aber geh nicht gerne stinkig weg...), für den ist 18 Uhr bzw. irgendwas in der Richtung schon mal kein guter Konzertbeginn. Ich bin keine dieser Nachteulen, die schon alleine der Coolness wegen gerne erst um 23 Uhr zum Konzert gehen will... aber so um die 20 Uhr oder 21 Uhr kann es sich gerne einpendeln.

Was macht also der oder die mir ähnlich gestrickte Konzertbesucher/in? Ein kurzer Blick auf die Karte und dann schnell der Entschluss, dass man sich die erste Band auch gerne mal schenken kann. Bitter für die Band, wirklich bitter, aber immerhin hat man ja noch einen Hauptact vor sich, den es gebührend abzufeiern gilt. Ist er doch schließlich in den meisten Fällen der Kaufgrund für die Konzertkarte.

Um nicht ganz so fies rüberzukommen, macht man sich dann zumindest zum Ende von Band eins auf und schaut sich netterweise die Vorband Nummer zwei ein Stück an. Leider ist das Line Up nicht immer so genial wie bei Kollege Dirk, der sich auf ein Konzert mit JUDAS PRIEST als Hauptact und THIN LIZZY als „Vorband" (lachhaft!) freuen konnte. Sicherlich hat keiner der Fans, genauso wenig wie die Hauptband selbst, THIN LIZZY als übliche Vorband gesehen. Das ist also ein ganz anderer Fall. Hier passt die Zusammenstellung, und auch der Musikgeschmack der meisten Fans dürfte mit beiden Bands getroffen sein.

Es werden aber nicht mehr nur entweder Bands dazugesellt, die gar nicht zusammenpassen, sondern es wird neuerdings sogar penibel darauf geachtet, mehrere Bands vom gleichen Genre zusammenzufassen. Die Qualität und Beliebtheit der Bands steigert sich dann meistens von Act zu Act und viele sind der Auffassung, „dass man da doch wenigstens richtig was geboten kriegt für sein Geld!". Sorry Leute, sehe ich ganz anders. Wenn ich italienisch essen gehe, dann esse ich auch meine Lieblingspizza und maximal 'n kleinen Salat davor. Aber ich esse nicht vier Pizzen, die mir gar nicht schmecken oder noch halbroh sind... weil ich dann meine eigene Lieblingspizza gar nicht mehr packe und nebenbei auch gar nicht Bock auf soviel Pizza habe.

Zugegeben, holpriges Beispiel, kommt aber im Endeffekt genau auf das raus, was ich aussagen will: Ich kann mich gar nicht so lange auf Musik, die ich nicht oder nur rudimentär kenne, konzentrieren und habe auch gar keine Lust, mir noch drölfundzwanzig Lieder anzuhören, auf die ich keinen Bock habe. Auch den Bands ist damit nicht wirklich geholfen, da es nicht nur mir so geht.

Mal ganz ehrlich, wer geht denn bei solchen Veranstaltungen total steil? Das sind entweder die Harcorebesoffskis, die eh nix mitkriegen und alles abfeieren, oder Leute, die selten rauskommen. Und der Rest sind Angehörige oder sonstige Supporter, die eben genau wegen dieser Band gekommen sind. Kein Mensch stellt sich von 18 Uhr bis 24 Uhr vor eine Bühne und dröhnt sich durchgehend mit Mucke zu. Je nachdem, von welchem Genre wir sprechen, sind die Bands dann auch nicht mal besonders überzeugend und ziehen die Stimmung eher runter als hoch.

Oder noch schlimmer: Es sind eigentlich große Bands (gewesen oder immer noch), die den Opener für irgendwelche Modebands machen, die gerade in sind. Wer supportet hier eigentlich wen? Ganz wichtig, ich spreche nicht von Festivals. Beim Paganfest zum Beispiel, da ist die Tür ab 15 Uhr offen, es werden mehrere Bands unter einem Banner zusammengerufen und die machen dann einen Tag nur „Pagan" (was immer das bedeutet und was immer dazugezählt wird...). Aber da weiß ich, auf was ich mich einlasse.

Wenn ich auf ein RAGE Konzert gehen will und vorher noch drei Vorbands kommen, dann ist das für mich kein Segen. Zumal ich dann, als Musikfreundin, auch ein schlechtes Gewissen den Bands gegenüber habe, wenn ich dann total der Anti bin. Noch besser ist auch, wenn weitere Bands einfach unterschlagen werden. Bei ENTER SHIKARI habe ich die Vorband, die ich zur Abwechslung mal sehen wollte, verpasst, weil kurzerhand noch eine dritte Band dazukam. Und bei RAGE wurden aus zwei Vorbands mal schnell drei gemacht. 

Dabei denke ich mir oft, dass die Band jetzt eigentlich so daheim auf der Couch sicher ganz gut kommen würde, aber nicht hier... wenn mir schon die Füße weh tun... ich abwäge, ob ich meinen guten Platz weggebe, weil ich schon wieder auf die Toilette muss... mir die Luft schon langsam zu dünn wird... Kennt ihr das, ganz ehrlich: Du stehst auf einem Konzert, die Vorband dudelt und plötzlich schießt dir dieser Gedanke durch den Kopf: „Warum bin ich eigentlich hier...? Ach ja, stimmt – gleich kommt ja...".

Ein Beispiel für ein gut strukturiertes Konzert ist das ASP Konzert vom Winter diesen Jahres in Mannheim. Vorband war ALLY THE FIDDLE, hat vom Stil her gepasst und war trotzdem mal was anderes. Die Band hat nicht zu lange gespielt, viel von sich präsentiert und hat gute Laune verbreitet bzw. richtig Lust auf den Hauptact gemacht.

Ich wünsche mir die gute, alte Zeit zurück. Beginn um 20 Uhr, halbe Stunde Vorband, halbe Stunde Umbau und dann von 21 bis 23 Uhr die Hauptband, wegen der man gekommen ist. Da hat man noch Anregungen für neue Bands mit nach Hause genommen, weil man in der Lage war zuzuhören und sich auf die Bands einzulassen. Wenn ich viel Musik will über mehrere Stunden und sogar Tage, dann geh ich auf ein Festival.

Bitte hört auf damit. Überlegt euch Alternativen für die Zukunft. Mehr Nachwuchsförderung, kostenlose Labelsampler als Dreingabe bei CDs, Newcomerfestivals... irgendwas. Aber mit der aktuellen Handhabe tut ihr den Bands keinen Gefallen und den Fans auch nicht.

Artikel dazu