Last Of The Giants - The True Story Of Guns N Roses Tipp

Last Of The Giants - The True Story Of Guns N Roses
    Biografie

    Label: Lesser Gods
    VÖ: 23. Oktober 2017
    Bewertung:8

    mickwall.com


Braucht man eine weitere Biographie von GUNS N ROSES? Von diesem Autoren, vielleicht, ja: Mick Wall, Musikjournalist, der im Song „Get In The Ring“ einen fetten Diss von Axl Rose kassiert hat, millionenfach gepresst und verkauft auf „Use Your Illusion II“. Der „Motherfucker“ habe Lügen verbreitet, schimpft Axl wortgewaltig, und könne sich gerne ein paar Schellen abholen. Ist das Buch „Last Of The Giants – The True Story Of Guns n Roses“ also 26 Jahre später die Retourkutsche? Gleich in der Widmung macht Mick Wall klar, wo es langgeht.

„For Axl, you won“ steht da, eine verschriftlichte Friedenspfeife – und tatsächlich schafft es der Autor, keine schmutzige Wäsche zu waschen. Am Rande geht es zwar auch um ihn selbst: Zu Anfang ihrer Karriere ein Vertrauter der Band, der sich dann den Zorn Axls einfängt, und natürlich geht es auch darum, was damals vorgefallen ist. Aber, und das unterscheidet dieses Buch von vielen solcher Bücher: Der erfahrene Bandbiograf Mick Wall verlässt fast nie die Perspektive des (weitestgehend) objektiven Beobachters. Er nutzt seine Quellen, um ein umfassendes Bild nicht nur der Band, sondern des gesamten Drumherums, des ganzen riesigen Zirkus zu zeichnen. So kommen neben Bandmitgliedern und Wegbegleitern vor allem der langjährige Manager Alan Niven sowie Tourmanager Doug Goldstein umfassend zu Wort. Oft genug betont Mick Wall, dass bei bestimmten vernebelten Episoden und dem ein oder anderen Streit die Wahrheit nicht mehr nachvollziehbar ist, und bezieht keine eigene Position.

GUNS N ROSES: Ein Superlativ nach dem anderen

Die Geschichte von GUNS N ROSES ist schon oft beschrieben worden, schließlich hat die mit dem Titel „gefährlichste Band der Welt“ geadelte Truppe einen Superlativ nach dem anderen hingelegt: Abgefuckteste Bande von Los Angeles. Erfolgreichstes Debüt aller Zeiten. Genialster Sänger des Rock. Mehr Alkohol, als menschenmöglich ist zu trinken. Coolster Gitarrist ever – zwei Mal. Unberechenbarster Sänger der Welt. Mehr Heroin, als irgendjemand überleben kann. Coolster Bassist ever. Zwei Alben, die gleichzeitig auf Platz Eins und Zwei der Charts einsteigen. Längste Tour der Rockgeschichte. Zehn Jahre warten auf „Chinese Democracy“. Und so weiter…

Mick Wall wahrt die Distanz

Mick Wall beschreibt das alles mit einer angenehm nüchternen Distanz, er tappt nicht in die Falle, ein bisschen vom Glanze abhaben zu wollen. Gerade am Anfang der Karriere war sicher nicht alles gülden und glitzernd. Zwar hausen die Jungs im berüchtigten „Hellhouse“ zusammen wie  Comic-Outlaws, aber ohne Klo ist das wohl eher mittelprächtig. Sex gibt’s reichlich – aber auch immer einvernehmlich? Und wer Frauen für einen Schlafplatz aufreißt, pennt auch manchmal auf der Straße. Später, als mit dem Geld Hedonismus und Sucht die wildesten Blüten treiben können, ist die Band von zwischenmenschlichen Problemen und einem irren Sänger gelähmt – und macht doch weiter. Zum Teil klingt es wie ein Alptraum, was GUNS N ROSES durchmachen, nur damit der Erfolg nicht aufhört. Schnaps und Drogen sind irgendwann nur noch dabei, um die Spannungen ertragen zu können.

Axl Rose – vom Bad Boy zum Kontrollfreak

Wie bei der Band nimmt auch im Buch Sänger Axl Rose einen besonderen Platz ein. Mick Wall bemüht sich, die Wandlung vom unberechenbaren Bad Boy zum besessenen Kontrollfreak fair wiederzugeben und lässt sehr oft Fürsprecher zu Wort kommen. Das gilt auch für die Zeit nach dem Split, als Axl sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht und sich seine neue Version von GUNS N ROSES zusammenbastelt. Erst zum Ende hin wackelt seine Perspektive etwas: Im digitalen Zeitalter gibt’s täglich neue Gerüchte und Verschwörungstheorien, und Mick Wall kann es nicht verhindern, dass die aufgeregte Atemlosigkeit des Internet auch in sein Buch einfließt – bis am Ende dann die Band, die auch er ganz offenbar immer geliebt hat, zur noch immer andauernden „Not In This Lifetime“-Tour wieder zusammen auf der Bühne steht.

„Last Of The Giants“ fängt den Vibe der Band gut ein

Mit dem Kernteam Axl, Slash und Duff konnte Mick Wall keine neuen Gespräche führen. Er musste sich sein Buch aus Sekundärquellen und altem Material zusammensammeln. Das tut dem Lesegenuss keinen Abbruch, „Last Of The Giants“ ist handwerklich gut gemacht und scheint sauber recherchiert. Die deutsche Version ist gut übersetzt, aber nur das englische Original schafft es naturgemäß, den Vibe einer der wichtigsten Rockbands einzufangen. Respekt an Mick Wall, er hat einen guten Job gemacht und ein lesenswertes Buch geschrieben.