Serious Black - Magic Tipp

Serious Black - Magic
    Melodic Power Metal

    Label: AFM
    VÖ: 25.08.2017
    Bewertung:8/10

    Serious Black


Nach "As Daylight Breaks" (2015) und "Mirrorworld" (2016) wirft die Melodic-Metal-Allstar-Combo um Frontmann Urban Breed mit "Magic" erstmalig ein Konzeptalbum inklusive eines Listener's Companion – also einer Erklärung, worum es in der Geschichte geht – auf den Markt. Ob der geringfügig inflationären Verwendung des Albumtitels (gleich drei Songtitel enthalten das Schlüsselwort "Magic", einmal direkt mit dem Bandnamen zu "Serious Black Magic" kombiniert) sind meine Erwartungen an die zugrundeliegende Story nicht besonders hoch und werden dennoch enttäuscht …

Das Jahr 2000 hat angerufen, es hätte gern sein Albumkonzept zurück

Da wäre zum einen der genauso mysteriöse wie tragische Protagonist Mr. Nightmist, dessen Vorname im Verlauf des Albums ein Rätsel bleiben wird, während er durch eine leider durchweg generische Storyline stolpert: Durch einen Brief an den Ort seiner Kindheit zurückkatapultiert, trifft er auf seine große Liebe, die dummerweise (wie sollte es auch anders sein) eine Hexe ist und die, wie sich das gehört, natürlich direkt vom bösen Bürgermeister zum Tode auf den Scheiterhaufen verurteilt wird. Warum Hexen zwar mächtig genug sind, um verbrennenderweise ein komplettes Dorf auf Generationen zu verfluchen, es aber zum einfachen Feuer auszaubern nicht reicht, wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben, aber ich nehme das einfach mal als gegeben hin.

Wie dem auch sei – Feuer aus, Hexe tot und alle sind froh. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer, denn während unser Held durch die Weltgeschichte wandert, geschehen im Dorf komische Dinge und alle Kinder beginnen plötzlich, den Ort zu terrorisieren (was verfluchte Kinder halt so tun). Es kommt zur Konfrontation zwischen Held und Hexe und nach einer ersten Niederlage aufgrund von Gefühlsduselei wird der Fluch schließlich gebrochen, da die böse Hexe bei genauerer Betrachtung mit der ursprünglichen Freundin doch nicht mehr so viel gemeinsam hat. Der aus unerfindlichen Gründen mittlerweile unsterbliche Held wandert weiter durch die Welt und kommt schließlich zu dem Fazit, dass die Geschichte doch irgendwie immer die gleiche bleibt. Die Autorin dieser Zeilen ist mittlerweile hingegen zum Zynismus konvertiert und hofft, dass in die musikalische Umsetzung ein bisschen mehr Gehirnschmalz geflossen ist …

Wenn schon kitschig, dann auch mit Überzeugung

Und so lege ich die CD ins Laufwerk, stecke mir, auf das Schlimmste vorbereitet, die Kopfhörer in die Ohren und werde im Intro "With A Tip Of The Hat" mit der schönsten Melodie, die ich seit langem gehört habe, nach Caldwell Town, den Schauplatz der zuvor ausführlich bemängelten Story entführt. Jemandem, der so etwas schreibt, verzeihe ich nicht nur ausgelutschte Plots, sondern auch die Lacklederhose des Todes beim Liveauftritt.

Ohne wirklichen Übergang erinnert mich "Binary Magic" daran, dass wir es hier schon noch mit einem Metalalbum zu tun haben – eine synkopisch-treibende Einleitung, eine Strophe mit einem derartig offenen Klangteppich, dass das Schlagzeug schon fast als Melodieinstrument gezählt werden kann und ein eingängiger Refrain – so langsam bekomme ich ein Gefühl dafür, wohin Breeds Kreativität geflossen ist. Mit "Burn! Witches! Burn!" geht es temporeich weiter, lediglich die Sprechpassage in der Mitte erinnert daran, dass wir es ja hier mit einer abgeschlossenen Storyline zu tun haben. Ding-dong, die Hexe ist tot, der Ort verflucht und in "Lone Gunman Rule" und "Now you'll Never Know" darf vor allem Keyboarder Jan Vicek sein Können unter Beweis stellen, bevor in "I Can Do Magic wieder an der Härteschraube gedreht wird und Alex "Doubleboss" Holzwarth zeigt, dass er diesen Titel nicht umsonst trägt.

Das Drama nimmt seinen Lauf …

… aber glücklicherweise weiterhin nur im Hinblick auf die Storyline. Die Kinder sind verflucht und passend hierzu wird der Sound im doppelten Titeltrack "Serious Black Magic" düster und könnte auch problemlos als Metalversion eines Danny Elfman-Soundtracks verwendet werden. Die beunruhigend-unschuldigen Keyboard-Glöckchen ziehen sich auch durch die nächsten Songs, bis wir in "Mr. Nightmist" endlich mehr über den Protagonisten der Story erfahren – viel ist das nicht, aber es ist eingebettet in den wohl eingängsten Song des Albums, so dass das, was man erfährt, sicher in Erinnerung bleibt.

Nach der Doublebass-Orgie "The Witch Of Caldwell Town" gibt es noch dreimal Oldschool Melodic Metal, der an Genregrößen wie MAGNUM und die alten HELLOWEEN erinnert, bevor das Album mit "One Final Song" zu einem mehr als würdigen Abschluss kommt: ein melancholisches Violinensolo untermalt von ruhigen Pianoklängen wird zur Ballade, die man problemlos auch in einem Musical finden könnte, eine stetige Steigerung von einem orchestralen Arrangement bis zur archetypischen Rock-Oper, die zum Ende hin die Anfangsmelodie noch einmal aufgreift und ja … da ist tatsächlich eine kleine Träne in meinem Augenwinkel … diese Melodie ist einfach zu schön …

The Story stays the same

Mit der ewig gleichen Geschichte gewinnen SERIOUS BLACK wirklich keinen Kreativitätspreis. Glücklicherweise braucht die Musik aber auch weder Held noch Hexe, um den Hörer mit auf eine musikalische Reise zu nehmen. Und ja, es ist cheesy und kitschig, aber auf extrem hohem Niveau. Die Melodieparts sind fair zwischen Gitarre und Keyboard verteilt, Urban Breeds Stimme trägt die Songs, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen, und egal ob in schnelle Doublebass-Passagen oder offen-progressiven Songstellen – Alex Holzwarth zeigt, warum er zu den besten Drummern Deutschlands gehört.

Ich jedenfalls tue einfach so, als hätte ich den Listener's Guide nie gelesen, stelle mir meine eigene Story vor und drücke freudig auf "Repeat".