Geschrieben von Robert Sonntag, 19 Dezember 2010 15:09
Youth Brigade - Interview mit Sänger und Gitarrist Shawn Stern zur Bandhistorie

YOUTH BRIGADE zählen zu den Legenden im Punkrockbereich. Die Band ist mittlerweile seit gut 30 Jahren in der Szene zu Hause und hat mit ihrem California Punkrock, gemischt mit etwas Hardcore, nachhaltig die Szene, unzählige Bands und Musiker beeinflusst. Zusätzlich gründete die Band um die drei Stern Brüder Mark, Shawn und Adam das Label BYO. Zum 25 jährigen Bestehens dieses Labels wurde eine Biographie, eine Dokumentation auf DVD und eine Compilation CD mit Songs von BYO Bands, die andere BYO Bands covern, veröffentlicht. Passend dazu stand ein große Europa-Tour, unmittelbar bevor dieses Interview geführt wurde, auf dem Plan. Sänger und Gitarrist Shawn stellte sich unseren Fragen zu Band- und Labelgeschichte sowie Vielem mehr.
Shawn, stell dich doch einmal kurz vor.
Ich bin Shawn Stern, singe und spiele Gitarre bei YOUTH BRIGADE und leite zusätzlich das Label BYO Records - zusammen mit meinem Bruder Mark, der ja auch bei uns in der Band mitwirkt.
In den letzten Jahren ist es sehr ruhig um YOUTH BRIGADE und BYO geworden. Warum habt ihr in letzter Zeit nicht mehr so viel veröffentlicht?
Wir haben im letzten Jahr die Box mit der Compilation als CD oder Vinyl, der DVD und dem Buch veröffentlicht. Das war großes Projekt und hat uns mehrere Jahre gekostet. Außerdem scheint es fast so, als wären Plattenlabel völlig überholt, seitdem mehr und mehr Leute Musik als Download beziehen. Daher dachten wir, dass die Box eine Art Experiment ist, das wir für die Leute angehen wollten, und das es nicht als Download gibt. Ich denke, dass es den Leuten wirklich gefällt, allerdings ist es ziemlich teuer wegen des Buches.
Wann habt ihr entschieden, eine Dokumentation zu drehen?
Als Mark und ich diskutierten, was wir aufgrund der Feierlichkeiten zu 25 Jahre BYO machen wollten, beschlossen wir, dass eine Compilation ein guter Start sei. Dann hatten wir auch noch die Idee, eine Dokumentation zu drehen und diese als DVD und Buch herauszubringen und es somit zu einem einmaligen Projekt werden zu lassen.
Der Titel eurer Dokumentation lautet „Let Them Know“. Hat das eine besondere Bedeutung für euch?
Der Titel stammt von einem Song, den ich für die YOUTH BRIGADE / SWINGIN UTTERS Split im Jahre 1999 geschrieben habe. Der Song war als Dankeschön an alle gedacht, die Punkrock in den vergangenen Jahren immer die Treue gehalten und unterstützt haben. Wir sind wirklich glücklich, das tun zu können, was wir lieben und haben eigentlich auch unser Leben völlig dahingehend geändert. Die Bedeutung, die dahinter steckt, soll vor allem darauf aufmerksam machen, dass LA die vielleicht größte Punkrockszene der letzten 30 Jahre auf der Welt beherbergt. Aber die meisten Dokumentationen und Bücher beschäftigen sich fast ausschließlich mit New York und London und ignorieren Los Angeles völlig. Diese Geschichten wurden hauptsächlich von Leuten gemacht, die nie wirklich dabei waren oder erst später im Punkrock eine Heimat gefunden haben. Daher dachten wir, dass es niemanden Besseren gibt als uns selbst, um unsere Geschichte zu erzählen und alle wissen zu lassen ("let them now"), dass wir schon seit 1978 dabei waren.
In der Biographie habt ihr gefragt, ob YOUTH BRIGADE oder BYO einen Unterschied gemacht oder etwas verändert haben. Was denkst du selber darüber?
Ich denke, dass es individuell von den Leuten abhängt, wie sie entscheiden. Viele Leute haben mir über die Jahre erzählt, dass wir sie inspiriert haben, Dinge für sich und andere zu tun. Daher glaube ich, dass wir schon einen Unterschied ausgemacht haben. Wenn wir nur eine Person beeinflusst und auf irgendeine Weise inspiriert haben, dann hat sich das alles schon gelohnt, und wie mir gesagt wurde, waren es ziemlich viele!
Wie kam es dazu, dass ihr das Label BYO vor 28 Jahren gegründet habt? Was war das Ziel im Jahr 1982 und wie sehr hat sich dieses bis heute verändert?
Wir haben nie einen wirklichen Businessplan gehabt oder wollten damit Geld verdienen. Aber wir hatten etwas zu sagen und waren der Meinung, dass die Leute das hören sollten. Und die Leute reagierten darauf, wir trafen andere Bands mit ähnlichen Idealen. Da beschlossen wir, ein Album zu veröffentlichen mit diesen Bands, doch daraus wurden ganz viele Alben, die wir von anderen Bands herausbrachten. Wenn wir auch heute noch anderen Bands dabei helfen können, ihre Ideen und ihre Musik unters Volk zu bringen, so haben wir genau das geschafft, was wir von Beginn an machen wollten.
Wenn du die Zeit vor 28 Jahren mit heute vergleichst, würdest du alles wieder genauso machen und so ein großes Punklabel, wie es BYO dann geworden ist, erneut gründen?
Das kann ich wirklich nicht sagen, schließlich ist es irgendwie einfach passiert und war in diesen Dimensionen nie geplant. Heute hat sich die Welt deutlich verändert, so dass ich, wenn ich ein Jugendlicher wäre und nun aufwachsen würde, wahrscheinlich kein Label mehr ins Rollen bringen würde. Wie ich schon vorher gesagt habe, werden Labels gerade altmodisch. Bands können ihre Musik im Internet für praktisch umsonst verbreiten und brauchen im Grunde keine Labels mehr. Als Musiker verdienst du deinen Lebensunterhalt durch das Touren, nicht durch den Verkauf von Platten. Daher muss sich einiges ändern... vielleicht ist Promoter oder Tourorganisator dann der bessere Weg, um Musik zu promoten und Bands zu helfen, anstatt ein Label am Leben zu erhalten.
Was denkst du, hat sich in den vergangenen Jahren für die Bands, die Labels, die Szene und deren Wahrnehmung geändert?
Ich denke, wir waren in erster Linie Teil einer DIY Szene, die natürlich wuchs, ohne unbedingt notwendig zu sein. Wir haben im Grunde wohl nur die ganzen Jahre überdauert, da wir über etwas singen, was bei den Leuten Wirkung zeigt - oder weil die Bands, mit denen wir zusammenarbeiten, was zu sagen haben. Das überwindet Generationen, da es die Probleme der Welt anspricht und Alternativen bietet, ohne gleich zu diesen meinungslosen, stumm kooperierenden Schafsköpfen zu werden, wie es bei vielen Leuten der Fall ist. Seit 30 Jahren prangern wir das an und versuchen etwas dagegen zu tun, doch es wird immer schlimmer, nicht besser… traurig, aber wahr!
Kommen wir zu einem anderen Thema aus eurer Vergangenheit. Ihr habt einen Film mit dem Titel „Another State Of Mind“ gedreht, der unglaublich viele Punkmusiker der heutigen Zeit offensichtlich inspiriert hat und zu dem werden ließ, was sie heute sind. Warum hatte dieser Film solchen Einfluss?
Dieser Film zeigt eine Horde Punkrocker, die es fertig bringt, eine Tour quer durch die USA und Kanada zu organisieren, in Städten zu spielen, in denen sie noch gewesen sind und jede Menge Leute zu treffen, die ähnliche Ideale verfolgen. Daher war der Film so beliebt, viele wollten uns da nacheifern. Obwohl mittlerweile viel passiert ist und sich einiges geändert hat, haben wir auch heute noch die Möglichkeit, Tourneen eigenverantwortlich zu organisieren, ohne Majorlabels, ohne Rockstargehabe. Wir wollen auch heute noch einfach nur raus gehen und unsere Musik spielen, wie damals. Daran hat sich also nichts geändert.
Ich habe gelesen, dass eure beiden vielleicht bekanntesten Songs “Sink With California” und “What will the Revolution change” als eine Kritik an der Punkbewegung an sich gedacht waren. Ist an dieser These etwas Wahres dran?
Die Songs reflektieren eher meine Sichtweise des menschlichen Verhaltens im Allgemeinen und vielleicht auch die Reaktionen der Punkszene darauf. Trotz der Ideale die wir haben, sind wir den menschlichen Verhaltensweisen unterworfen, die in Emotionen gipfeln und verantwortlich sind für Ignoranz, Hass, Gewalt und die Unfähigkeit, von der Geschichte zu lernen.
Auch ich habe einen Bruder und eine Schwester, und es ist wahrlich oft nicht leicht, mit ihnen umzugehen. War es denn für euch drei Brüder immer leicht, in einer Band für einen so langen Zeitraum zu spielen? Und warum hat euer vierter Bruder Jamie nie den Weg in die Band gefunden?
Wir alle vier sind wirklich eng miteinander verbunden, haben aber alle unsere eigenen Leben. Klar gibt es auch bei uns diese typischen brüderlichen Plänkeleien und Zänkereien, dennoch haben wir gelernt, das auf keinen Fall persönlich zu nehmen. Jamie haben wir schon damals immer aufgefordert, eine Gitarre in die Hand zu nehmen, doch irgendwie hat er das nie gemacht. Er lieh sich lediglich mein Saxophon und brachte sich selbst das Spielen bei, so dass er dann bei der Swing Band Royal Crown Revue wenigstens mit von der Partie war, wo wir anderen ja auch kurzzeitig musiziert haben.
YOUTH BRIGADE werden dieser Tage auf Europa-Tour gehen, was erwartet Ihr?
Ich habe gelernt, niemals etwas zu erwarten, daher kann ich heutzutage im Grunde nicht mehr enttäuscht werden. Ich bin sicher, dass die Tour ein riesiger Spaß wird, dass wir jede Menge alte Fans und Freunde treffen werden, die zu unseren Shows kommen und dass auch einige neue Fans uns entdecken werden. Wir hatten immer eine großartige Zeit in Europa und werden zusätzlich noch direkt vor den meisten Shows unsere Dokumentation zeigen, wodurch ja im Grunde auch nichts mehr schiefgehen kann, oder? So wird es sicher wie immer, viel Spaß und eine großartige Tour!
Shawn, kommen wir zum Ende. Plant ihr ein neues Album und wann können wir dieses erwarten?
Wir haben die Songs für unsere Split mit den SWINGIN UTTERS innerhalb einer Woche geschrieben, von daher ist alles möglich. Wir hoffen aber, im nächsten Jahr neue Songs schreiben und diese dann auch herausbringen zu können. Neue Songs gibt es daher auf unserer Tour noch nicht, es sei denn, wir schreiben welche unterwegs, wäre auch nicht das erste Mal.
Shawn, vielen Dank für deine Zeit und alles gute weiterhin mit deiner Band und deinem Label.
Alle Artikel zu