Geschrieben von Freitag, 20 Juni 2014 20:48

Nightsatan - Interview zum Album und Film "Nightsatan And The Loops Of Doom"

NIGHTSATAN haben gerade ihren eigenen Kurzfilm rausgebracht: Eine irre Hommage an postapokalyptischen Trash der 80er. Der großartige Soundtrack, den das finnische Laser Metal-Trio dazu komponiert hat, klingt düster, sphärisch – und sehr nach Miami Vice. Wolf-Rami, Inhalator II und Mazathoth verraten zwar ihre wirklichen Namen nicht, geben sich im Interview aber ansonsten sehr sympathisch und offen. Ein Gespräch über „Nightsatan And The Loops Of Doom“, eine Kindheit im Finnland der 80er und darüber, ob Metal auch ohne Gitarren Metal sein kann.

Ihr seid ein interessantes Trio – nicht die langhaarigen, ledertragenden Metalheads, mit denen ich normalerweise zu tun habe. Wer sind Wolf-Rami, Mazathoth und Inhalator II?

Wolf-Rami: Ich bin Wolf-Rami, die enorme Muskelkraft von Nightsatan. Ich spiele auf meinen Synthesizern hauptsächlich Basslinien und schlage unseren Feinden ins Gesicht.

Inhalator II: Ich bin der hübsche Junge. Ich spiele Schlagzeug.

Mazathoth: Ich bin Mazathoth, Soundzauberer, Lenker des Kosmos.

Und wer seid ihr wirklich? Wer steckt hinter den Masken und Kostümen?

Wolf-Rami: Ich bin ein ruhiger, gesitteter Grafikdesigner und Comic-Künstler, der für die Gründung der Band verantwortlich ist.

Inhalator II: Ich bin der hübsche Junge.

Mazathoth: Ich bin ein Teilzeit-Musiker, der alles liebt, was mit Synthesizern und Soundskulpturen zu tun hat.

Habt ihr eure Looks selbst kreiert? Wer hat eure Kostüme gemacht?

Wolf-Rami: Mein Look basiert auf dem „Monster“ vom Cover unseres Debüt-Albums. Der wahre Midnight Laser Warrior mit Motorradhelm und zerrissenen Klamotten. Chrzu, der Regisseur unseres Films, hat unsere Looks für den Film kreiert, aber es gab eine Armee professioneller Designer und Handarbeiter, die seine Vision haben Realität werden lassen.

Inhalator II: Chrzu ist tatsächlich das Gehirn hinter all dem.

Mal ehrlich, wie ernst kann man euch nehmen? Als ich den Namen „Nightsatan“ das erste Mal hörte, habe ich entweder einen Witz oder eine sehr schlechte Black Metal-Band erwartet …

Wolf-Rami: Seit den ersten Tagen wurde die Ernsthaftigkeit unserer Band immer wieder in Frage gestellt. Aber wir meinen unsere Musik und unsere Band ziemlich ernst. Den Namen Nightsatan habe ich als Tribut an die argentinische Speed Metal-Band RetroSatan gewählt, und dann brauchte ich noch den Buchstaben N an beiden Enden, um in unserem ersten Logo aus ihnen Blitze machen zu können. Der Name wurde also wegen der Möglichkeiten gewählt, die er mir als Grafikdesigner bot.

Inhalator II: Die Musik kommt zuerst, immer. Und wenn du dir das Album anhörst, weißt du auch, was ich meine. Einige Songtitel mögen lustig sein, aber das war es dann auch schon mit den Späßen.

Mazathoth: Haben wir Spaß mit unseren Songtiteln und vielleicht sogar mit unseren Namen? Oh ja. Meinen wir das, was wir machen, ernst? Auf jeden Fall. Es gibt einige ironische Momente in unserer Musik, aber die Kompositionen und Arrangements machen wir mit großer Ernsthaftigkeit.

Ihr nennt eure Musik Laser Metal, obwohl sie größtenteils elektronisch ist. Wo seht ihr den Metal in eurer Musik?

Wolf-Rami: Auf unserem Debüt-Album war wesentlich mehr Metal als auf „Loops Of Doom“, aber er ist immer noch da. Meiner Meinung nach ist Metal nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit Gitarren. Es ist eher eine Attitüde. Ich habe schon koreanischen Metal gehört, der mit traditionellen koreanischen Instrumenten gespielt wurde – und das war heavier als 90 Prozent von dem Zeug, das Anglo-Amerikaner mit ihren geliebten Gitarren und Boxen machen.

Inhalator II: Heutzutage ist es mehr Laser als Metal. Aber wir teilen immer noch die Einflüsse von Bands wie Black Sabbath.

Mazathoth: Als ich jung war, habe ich Type 0 Negatives „Black Sabbath“-Cover geliebt, das vom „Nativity in Black“-Tribute. Vor allem die Strophen, nur mit Piano, Schlagzeug und Peter Steeles Stimme. Das war doomig wie die Hölle! Klar, “Loops Of Doom” ist kompositorisch weniger Metal, wenn man es mit dem vergleicht, was wir früher gemacht haben. Es hat eher einen trämerischeren Soundtrack-Vibe. Aber die Metal-Ästhetik beeinflusst uns und unsere Songs noch immer.

Wie ist euer spezieller Sound entstanden, wo kommt ihr musikalisch her?

Wolf-Rami: Wir alle sind einerseits mit 80er Hair Metal und andererseits mit spacigen Synth-Sounds von Tomita, Jean Michel Jarre und Vangelis aufgewachsen. Später als Teenager habe ich Speed, Thrash und Death Metal entdeckt. Etwa 2005 oder 2006 habe ich Reverend Bizarre live gesehen und begonnen, über eine eigene Band nachzudenken. Aber ich hatte nur Synthesizer und Drummachines.

Der erste Ansatz war, sehr langsamen, heavy Doom Metal nur mit Synths zu spielen, aber im Laufe der Jahre hat sich das weiterentwickelt. Einige unserer früheren Songs wie „Satan From Hell“ sind noch sehr Doom-beeinflusst und Stücke wie „Death Chess 2000“ tragen Elemente von Thrash und Speed Metal in sich. Es ist alles dabei, lass dich nicht von den Synthesizern täuschen.

Mazathoth: Für die meisten männlichen Finnen unseres Alters war es als Kind nahezu obligatorisch, Metal zu hören. Mit weit über 30 tun wir das immer noch, haben aber sehr viele weitere musikalische Interessen hinzugefügt. Ich liebe zum Beispiel den britischen Progrock der 70er, kosmische Musik aus Deutschland und bekannte Soundtrack-Komponisten wie Morricone, Goldsmith und Rota.

Wie wichtig sind Filme für eure Inspiration und eure Musik?

Wolf-Rami: Wir alle hatten eine Kindheit im Zeitalter von VHS und billigen Leihvideos. In meiner Heimatstadt bekam man die großen Filme wie „Indiana Jones“ und „Star Wars“ nicht. Also mussten wir uns mit billigen, oft italienischen Kopien wie „Golden Cobra“ und „Battle Beyond The Stars“ zufrieden geben. Diese Filme hatten einen großen Einfluss auf mich, als ich aufwuchs.

Inhalator II: Sehr wichtig. Ich sehe mir immer noch ständig billige 80er-Streifen mit großartigen Schauspielern wie Bruce Campbell und Fred Williamson an. Diese Filme haben auch fantastische Soundtracks.

Mazathoth: Oh ja, Fred Williamson ist ein verdammter Gott. Abgesehen von italienischen B-Movies rotierten in meinem Video-Rekorder alle möglichen Action-, Sci-Fi- und Sword & Sorcery-Streifen aus den 80ern.

Welchen Stellenwert hat “Miami Vice”? Als ich „Loops Of Doom“ gehört habe, hatte ich ständig Sonny Crockett im Kopf, wie er in seinem schwarzen Ferrari durch die Nacht rauscht …

Wolf-Rami: Von Anfang an hatten wir einen Gedanken: Wie würde Metal klingen, wenn er bei "Miami Vice" laufen würde? Das wurde eine Art Leitlinie für uns. Wir wollten unsere eigene Art von Metal spielen: Er sollte glatt, seidig und glamourös sein, aber gleichzeitig ein Post-Atomkrieg-Feeling haben.

Mazathoth: Wenn unsere Musik Sonny Crockett in deinem Kopf heraufbeschworen hat, bin ich sehr froh und dankbar. Es war keine volle Absicht, den Miami Vice-Vibe einzufangen, aber ich denke, Jan Hammer (Komponist des Miami Vice-Soundtracks, Anm. d. Red.) hat seine Spuren bei uns hinterlassen.

Kommen wir zu eurem Film.  Wie ist die Idee zu Film und Soundtrack entstanden?

Inhalator II: Zuerst wollten wir mit Chrzu, dem Regisseur, ein Video zu einem Song unseres ersten Albums machen, aber dann begann er, das Drehbuch für diesen Film zu schreiben. Als es fertig war, haben wir mit dem Soundtrack begonnen.

Mazathoth: Wie sich die ganze Sache verselbstständigt hat, war ganz schön verrückt. Erst wollten wir nur ein Musikvideo mit Minibudget machen, und plötzlich arbeitete ein komplettes, professionelles Team an unserem eigenen Film.

Wer sind die Schauspieler?

Wolf-Rami: Wir drei spielen uns selbst. Der Rest ist ein Haufen professioneller finnischer Schauspieler und Leute, die in den Castings zu den Rollen passten.

Warum ist der Film auf Italienisch?

Wolf-Rami: Das ist Chrzus Tribut an die italienische Filmszene der späten 70er und frühen 80er. Damals wurden viele Actionfilme dort gedreht, in denen nur ein paar berühmte amerikanische Schauspieler auftauchten, der Rest der Besetzung waren Italiener. Die Filme wurden dann englisch synchronisiert und international verkauft. Wir haben diesen Prozess auf gewisse Weise umgekehrt.

Die Story ist sehr speziell … Der Film wirkt auf mich, als ob ihr alle einen Haufen verrückter Ideen hattet, die alle umgesetzt wurden. Liege ich da richtig?

Wolf-Rami: Chrzu hat sehr, sehr lange an dem Drehbuch gearbeitet, und zwischendurch haben wir uns immer mal wieder getroffen und diskutiert, welche Elemente wir mögen und welche nicht. Chrzu ist der alleinige Autor und verantwortlich für die meisten der verrückten Ideen.

Mazathoth: Chrzu ist ein Mysterium. Aber ich kann dir eine Sache verraten, die ich weiß: Nichts an diesem Film ist zufällig. Jede Szene, jede einzelne Zeile Dialog, jeder Gegenstand im Hintergrund: Alles dient einem Zweck und ist Teil einer Botschaft.

Auf der DVD gibt es ein Making-Of. Sieht aus, als hättet ihr alle eine Menge Spaß bei den Dreharbeiten gehabt. Wie wär’s mit einer Fortsetzung?

Wolf-Rami: Es sind schon alle möglichen Gerüchte rumgegangen, aber leider können wir dazu keinen Kommentar abgeben … noch nicht.

Inhalator II:

Mazathoth:

Ihr spielt eure Musik auch live. Ich kann mir vorstellen, dass das eine spezielle Erfahrung ist. Wie würdet ihr eure Shows beschreiben?

Wolf-Rami: Es sind schwarze Messen der Synth-Anbetung und der lauten Bassfrequenzen. Wir tragen unsere Kostüme nicht, wenn wir spielen, das wäre nicht möglich mit den ganzen Helmen und Handschuhen und all dem. Die wurden nur für das Filmprojekt angefertigt und die Produktionsfirma verwahrt sie irgendwo an einem sicheren Ort. Aber wir bringen trotzdem eine gute Show mit vielen verrückten Sachen, zum Beispiel große Lichter auf meinem Kopf und Vocoder-verzerrte Stimmen.

Inhalator II: Ja, wir versuchen uns immer wieder neue und spannende Sachen auszudenken. Verrückte Lichter, Beschläge und Leder, Laser …

Mazathoth: Für mich ist eine Liveshow ein Ritual, ein Event, bei dem man sich verlieren und Teil etwas Größeren werden kann.

Werdet ihr mal in Deutschland spielen?

Wolf-Rami: Wir würden gern. Aber dafür bräuchten wir jemanden mit viel Zeit, um das möglich zu machen. Wir haben alle unsere Jobs, und eine Tour durch Europa zu organisieren wäre sehr zeitaufwändig.

Inhalator II: Darüber gab es schon Gespräche, und natürlich würden wir sehr gern kommen!

Mazathoth: Es besteht eine große Chance, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft dort spielen.

Was plant ihr als nächstes?

Wolf-Rami: Wir haben viele Pläne, aber ich denke, dass wir alle schon wieder begierig sind, neue Musik zu machen und aufzunehmen. Es stehen einige neue Synthesizer in unserem Studio, die wir ausprobieren wollen.

Inhalator II: Wir wollen im Sommer was Neues aufnehmen.

Mazathoth: Vorher werde ich allerdings noch ein Bier trinken.

Helge

Death Metal, Thrash Metal, Black Metal: immer gerne. Kann ich den ganzen Tag hören. Die störrische Art, unpolitisch sein zu wollen, nervt mich aber an der Metalszene – dabei ist doch alles politisch, auch Schweigen. Für Musik mit Haltung zieht es mich immer wieder zum Punk, vor allem zu melodischem US-Punk und Riot-Grrrl-Sound. Gleichzeitig habe ich einen sweet spot für 80er-Hair-Metal und für vieles, was mich in den 90ern musikalisch sozialisiert hat.

Bands

Amorphis, Amyl And The Sniffers, Bad Religion, Brutus, Cinderella, Dool, Entombed, Gggolddd, Gorefest, Grave, Guns n' Roses, Hail Spirit Noir, Iron Maiden, King Buffalo, Megadeth, Mötley Crüe, My Dying Bride, Obituary, Prong, Sodom, Solbrud, Spectral Wound, The Great Old Ones, Valborg, War On Women, White Ward, ZZ Top, ...

Prägende Alben

AC/DC - Let There Be Rock
Aerosmith - live! Bootleg
Amorphis - Tales From The Thousand Lakes
Bad Religion - Suffer
Benediction - Transcend The Rubicon
Bruce Springsteen - Nebraska
Death - The Sound Of Perseverance
Don Dokken - Up From The Ashes
Eloy - Inside
Genesis - Trespass
Grave - You'll Never See
Guns n' Roses - Use Your Illusion I & II
Kyuss - Welcome To Sky Valley
Megadeth - Rust In Peace
My Dying Bride - The Angel And The Dark River
Ramones - Loco live
Sepultura - Arise
Sodom - Agent Orange
Tankard - Two-faced
Tool - Aenima
...