Moin Vito, schön dass das heute geklappt hat. Wie geht’s dir?
Gut, wobei man die Kälte merkt. Ich hatte in Köln einen Ausfall, ab der Hälfte blieb mir die Stimme weg, so was hatte ich noch nie. Eventuell eine allergische Reaktion auf irgendwas – aber ich weiß nicht, woher.
Vielleicht war es das Kölsch.
Glaube ich nicht, ich habe nämlich keines getrunken.
Wie läuft die Jubiläumstour?
Sehr gut.
Interessanterweise möchten wir heute über 25 Jahre J.B.O. reden, wobei ich erst 23 Jahre alt bin.
Ja, das führt mir vor Augen, dass es doch wieder ein paar Jahre sind.
Seit 25 Jahren sündigt Ihr im Namen des Rock und Metal. Möchtest du und etwas beichten oder bereust du etwas?
Nein, „je ne regrette rien“ von Edith ...
Welche Gedanken gehen dir durch den Kopf, wenn du „25 Jahre J.B.O.“ hörst?
Naja, in letzter Zeit höre ich das sehr oft, sodass nicht jedes Mal die Gefühle mit mir durchgehen. Im jetzigen Moment fühlt es sich ganz normal an. Was auffällt, obwohl wir nie Mainstream waren oder einen großen Radiohit hatten: Wir haben trotzdem viele Dinge geschafft, die viele berührt haben. Viele erzählen uns schöne Geschichten.
Rückblickend, würdest du etwas anders machen?
Nee ... es ist, wie es ist, dieses Zurückdenken ist verlorene Liebesmühe.
25 Jahre J.B.O. ,25 Jahre Wacken und 25 Jahre Deutsche Einheit – ein Zeichen?
Die Einheit haben wir ja maßgeblich mit verursacht, ein paar Tage nach unseren ersten Auftritt ist die Mauer gefallen.
Was wohl jeden RTL Redakteur interessieren dürfte: Wo wart ihr, als die Mauer fiel?
Ich war daheim auf dem Sofa.
Wie seid ihr vor 25, oder eher 20 Jahren an eine Albumproduktion herangegangen und wie sieht das heute aus?
Vor 20 Jahren haben wir noch kein Album gemacht, sondern vor 19 Jahren. Unser erstes Album „Explizite Lyrik“ wird nächstes Jahr 20 Jahre alt, das feiern wir im Zuge einer Jubiläumstour, auf welcher wir das komplette Album spielen.
Natürlich sind wir damals völlig anders an ein Album herangegangen, wobei das erste Album ein Kaleidoskop der ersten fünf Jahre war. Wir haben 1989 angefangen und '95 das erste Album aufgenommen. So stammen die ersten Songs aus den ersten sechs Jahren. Wenn wir heute ein Album machen, sind die Songs kurz vorher entstanden, das war natürlich auch schon beim zweiten Album anders. Damit ist die „Explizite Lyrik“ eine Ausnahme durch die Entstehung.
Wir haben damals beim Aufnehmen gedacht „naja, 5.000 Mal wird sich das schon verkaufen", Hannes schätzte sogar 10.000 Mal, was wir als sehr hoch gegriffen empfanden. Mittlerweile sind wir bei 350.000 Stück – das Album hat noch echtes "Männer"-Gold gemacht und die „Laut“ auch noch. Heute ist es eine völlige andere Art und Weise, aber auch jedes Album für sich ist wieder etwas anders und hat für mich eine andere Farbe.
Wie haltet Ihr diesen straffen Zyklus durch? Im Herbst, Winter und Frühjahr auf Tour, dann kommt zum Sommer ein Album, dazu die Festivals und wieder geht es auf Tour.
Naja, so machen wir das ja schon immer, in den 90ern haben wir noch mehr gespielt, um die 100 Shows. Man darf aber auch nicht vergessen, wir verdienen an den Alben recht wenig, also wir müssen auch spielen. Wir können uns nicht zurücklehnen. Wir leben davon, es ist unser Beruf. Wir haben das wahnsinnig große Glück, dass uns unser Beruf so wahnsinnig viel Spaß macht. Deshalb Touren wir auch, weil es uns so irre viel Spaß macht!
Man kommt wohl auch ziemlich rum und nach drei Jahren landet man wieder in Hamburg ...
Ja, wobei wir so natürlich auch in Hamburg waren, da hier nun auch unser Label AFM sitzt. Wobei wir vorher schon mit unserem eigenen Label bei AFM/Soulfood im Vertrieb waren. Seit „Rock Muzik“ arbeiten wir mit Soulfood als Vertrieb zusammen, bis uns dann 2011 unser Manager verließ. Die anschließende EP "S.P.O.R.T." haben wir in Eigenregie vertrieben, aber für ein Album wollte ich wieder ein Label und da hat sich das mit AFM einfach angeboten.
Gibt es Alben oder Songs, die ihr nicht noch einmal veröffentlichen würdet?
Das ist ja, als würde ich etwas bereuen, aber ich will da gar nicht drüber nachdenken. Ich würde bestimmt heute manche Songs nicht so veröffentlichen, wie vor 19 Jahren. Wir haben heute sicherlich ein anderes Spektrum an Sprache als damals, aber im Grunde weniger Lust am Blödsinn ... wir würden es einfach anders machen.
Wie stehst du zum neuen „Deaf Forever“ Magazin? Deren Rezension euer Albums war ja ziemlich eindeutig.
Hast du das "vorläufige Titelblatt" für die zweite Ausgabe gesehen?

Die Rezi fand ich unterhaltsam, ebenso den Beitrag, dass man über uns nicht berichten wird. Sind wir nun so wichtig, dass sie sich rechtfertigen müssen, über uns nicht zu schreiben – oder wie ist das zu verstehen? Naja, ich fühlte mich geehrt.
Dafür ist der Rest der Nation entsprechend angetan vom Album?
Im Großen und Ganzen wie immer. Im "Rock Hard" war es auch bei „Heiß oder Scheiß?“.
Würde Jesus J.B.O. hören? (Bezug zum Titel „Was würde Jesus tun?“)
Ja, aber selbstverständlich.
Kann man jeder Gitarre blind vertrauen auf der Suche nach Antworten? (Bezug zum Titel „Die Antwort“)
Klar, man muss natürlich ein wenig üben, um anschließend die erhofften Antworten zu erhalten.
Ihr covert ja so ziemlich alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Was hat für euch einen höheren Stellenwert, Coverversionen oder komplett eigene Songs?
Da ist keines besser als das andere. Es kommt immer darauf an, wie gut die Idee ist und was uns gefällt. Es macht uns beides Spaß und live sowieso. Live ist es scheißegal, ob es ein eigener Song oder eine Coverversion ist.
Heino durfte RAMMSTEIN covern, warum ihr nicht?
Bei „Bussi“ haben wir auch den Text geändert. Es ist ein Unterschied, ob man einfach den Song so covert, wie er ist, oder ob man auch den Text ändert.
Ihr covert nicht nur Songs, sondern auch Konzepte. Auf der „Was Ihr Wollt“ Tour habt ihr eure Fans über die Setlist entscheiden lassen. Waren Überraschungen dabei oder alles wie immer?
Da gab es im Grunde zwei Überraschungen: „Der Weiße Hai im Dechsendorfer Weiher“ und „1001 Nacht“, das hätte ich auch nicht gedacht. Dass der weiße Hai mit reingewählt wurde, fand ich lustig, dann haben wir es halt mal gespielt. Ich finde, der Song zieht sich live wie Kaugummi und ist kein guter Livesong an sich, aber wenn die das mal hören wollen ... Der ist auch noch von '93, auch schon über 20 Jahre alt. Damals hatten wir noch die Tendenz, übelst krasse Schinken zu schreiben – also Songs, die irgendwie Epen sind. Das sind dann Songs, die dann nicht schmissig sind und am Schluss auf der Strecke bleiben.
Ihr haltet seit Jahren einen gewissen Bekanntheitsgrad. Gewinnt ihr weiterhin viele neue Fans hinzu oder ist das Ende der Fahnenstange erreicht?
Wir haben diese Größe seit knapp 20 Jahren, es waren schon mal mehr, aber auch weniger Fans. Wir haben eine sehr gute Basis, die sich hält – und das ist die eigentliche Schwierigkeit. Denn viele gute Bands haben Erfolg, es geht nach oben ... und in dem Moment, wenn es ein wenig nach unten geht, war es das dann. Die Schwierigkeit besteht darin, und das ist harte Arbeit, sich auf einem Niveau über viele Jahre zu halten. Ich bin sehr stolz, dass uns das gelingt.
Wie sieht eure Agenda 2039 aus?
Wenn die Clubs dann alle barrierefrei begehbar sind, sollte es mit den Rollstühlen auch klappen.
Ich bin vor kurzem über den ESC-Vorentscheid-Auftritt von KNORKATOR gestoßen und dachte mir, das wäre doch auch was für J.B.O. – welcher Song hätte ESC Potenzial?
Alle Songs. Aber das Problem ist, es ist so eine eingeschworene Familie. Wir haben da gar keinen Kontakt. Ich glaube 2004, als wir noch bei BMG waren, hatten wir einen Kontakt, aber im Grunde passierte da nichts, weil es wohl in deren Augen einfach nur Blödsinn war. Aber wir würden uns da gerne hinstellen, wenn die Möglichkeit bestünde.
Danke Vito! Noch irgendwas Abschließendes?
Nö, das sind immer die berühmten letzten Worte. Nee, ich bin nicht so philosophisch.