Geschrieben von Montag, 26 März 2018 17:00

HEAVEN SHALL BURN im Interview über Straight Edge, Veganismus und Songtexte

Vor der Show in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle hatte BurnYourEars die Chance, mit HEAVEN SHALL BURNs Schlagzeuger Christian Bass über Straight Edge, Veganismus, Songtexte, Superkräfte, Utopia und das Doppelleben als Lehrer und Schlagzeuger einer Metalband zu reden.

Hey, wie geht’s dir?

Ja, bisher ist alles super. Ist ein relativ voller Tag, dank des Extra-Publikums heute, aber die Tour läuft super. Die Stimmung ist auch super.

Ist ja auch eine richtig große Halle heute.

Ja, wir haben sie etwas abgehangen. Aber die Idee dahinter war, einfach mal zu schauen, wie viele Tickets wir verkaufen – unabhängig davon, überall „Ausverkauft“ hinzuschreiben.

Ihr seid ja gerade auf der „The Final March“-Tour. Viele Shows sind auch ausverkauft.

Ja, vor allem im Ausland läuft es besser, als wir gedacht haben. In Schweden waren Konzerte ausverkauft, in Frankreich sind auch schon mehrere ausverkauft. Man kann sagen, dass es gerade rund läuft. Mit den Bands läuft es auch super, weil viele von denen schon einmal miteinander getourt haben. AUGUST BURNS RED waren schon mit IN HEARTS WAKE und WHITECHAPEL auf Tour und wir kamen jetzt so als europäische Neulinge dazu.

Damit sind es ja drei Vorbands heute Abend. Warum so viele? Macht ihr das, um die Hallen zu füllen? Aus meiner Erfahrung ist es eher so, dass drei Vorbands zu viel sind an einem Abend.

Würde ich auch so sehen. Es wurde in irgendeinem Gespräch, in welchem ich gar nicht involviert war, entschieden, ob es insgesamt drei oder vier Bands sein sollen. Wir hatten irgendwann einmal Bands ins Rennen geworfen, mit welchen wir gerne touren würden und dann wurde halt rumgefragt, welche Band gerade Zeit hat bzw. welche Band auch realistische Ansprüche stellt. Und dann sind Impericon und Kingstar irgendwann auf diese vier Bands gekommen. Ich muss sagen, ich finde es nicht schlimm, weil IN HEARTS WAKE spielen 30, WHITECHAPEL 35 bis 40 und AUGUST BURNS RED 45 Minuten. Und das hält sich noch im Rahmen, es ist nicht so, dass drei Bands 60 Minuten spielen. Ich sag mal so: Mir brummen die Ohren nicht am Ende des Tages, ich finds ganz ok so.

Wenn wir schon gerade über Vorbands reden: Ihr seid ja alle Straight Edge ... oder nicht mehr?

(hustet) Gewesen. (lacht) Also Teile, ja, aber weniger, als es mal waren.

Oh, das ist ja schade. Da wäre jetzt nämlich meine Frage gewesen, wie das mit Vorbands läuft, die dann doch eher Party machen. Muss man da irgendwie mithalten, wenn man keinen Alkohol trinkt?

Eigentlich nicht. Aber, um das gleich mal vorweg zu nehmen: Auch wenn wir teilweise Alkohol trinken, endet das nie in irgendwelchen ekelhaften Besäufnissen und Exzessen. Das ist alles im Rahmen und wir haben ja auch unseren eigenen Bus. Gerade auch, um uns dem zu entziehen, wenn wir Bands nicht kennen und sonst die ganze Zeit mit einer Band in einem Bus verbringen müssten, mit der wir nicht so können. Man kennt sich halt nicht vorher und wir können auch nicht sagen, dass wir nur mit Kumpels auf Tour gehen. Entweder haben die dann keine Zeit oder passen nicht ins Package.

Aber wir haben auch nicht viel Alkoholika im Bus. Das beschränkt sich auf drei, vier Flaschen Schnaps, die aber auch seit zehn Tagen da rumstehen, von denen aber auch nicht mal die Hälfte weg ist. Dann noch ein paar Bier im Kühlschrank. Also es ist nicht so, dass man sich da unter Druck gesetzt fühlt, die „Sex, Drugs, Rock'n'Roll“-Attitüde krampfhaft aufrecht zu erhalten bzw. mit Mitte 30 dann irgendwie zu starten. Mithalten auch nicht. Wenn andere einem auf den Keks gehen, sollen sie das in ihrem Bus machen, solche Touren gab es auch schon.

Wie definiert ihr eigentlichen Straight Edge? Manche sagen ja, dass es nur um Alkohol und Drogen geht, andere wiederum nehmen auch vegane Ernährung in ihren Ansatz mit auf.

Also ich würde es trennen. Also Veganismus und Straight Edge. Mach ich für mich ja auch, weil ich mich vegan ernähre, aber nicht Straight Edge bin. Bei uns im Team gibt es aber auch zwei Positionen, die es ganz klar nicht trennen. Aber da gibt es keine Reibereien, das sind, wie du schon gesagt hast, einfach unterschiedliche Definitionen von Straight Edge und wie man es für sich selbst definiert. Und wie trage ich das jetzt an Leute weiter … Wir sind ja auch nicht im Bekehrermodus. Wir informieren. Wir reden über Veganismus, aber wir haben auch Leute im Freundeskreis, im Bekanntenkreis, die nicht vegetarisch oder vegan essen und trotzdem super Leute sind.

Das eine schließt das andere nicht aus.

Man muss nicht krampfhaft alles auf andere projizieren, mit was man so den Tag verbringt. Das Straight-Edge-Thema ist für mich etwas schwieriger, weil ich nicht Straight Edge bin. Von daher würde ich jetzt den anderen die Antwort etwas wegnehmen. Es ist eben auch so, dass wir bandintern und auch im Management ganz unterschiedliche Ansichten haben, wir uns da aber nicht streiten.

Hattet ihr schon Probleme mit veganem Catering auf Tour?

Mittlerweile nicht mehr.

Weil es bekannt ist?

Genau, weil es bekannt ist. Weil es mittlerweile auch Anforderung ist, wenn man Headliner ist, das Glück hat man. Ich sag‘s mal so: Wenn es jeden Tag Kichererbsen gibt, dann könnte es auch irgendwann zum Problem werden. Jetzt haben wir, glaube ich, zum sechsten oder siebten Tag Kichererbsen-Curry. (lacht) Und so langsam wären Nudeln mit Tomatensoße schön.

Ganz basic.

Genau! Irgendwas Einfaches und kein Zauberessen. Aber das sind Luxusprobleme. Also nein, gibt es nicht mehr. Es gibt auch wenn man in Südamerika ist, in Sao Paolo oder in Rio, ein Angebot an veganer Küche – das ist der Wahnsinn. In Asien muss man immer bisschen nachfragen, gerade in Japan, ob doch noch Fischsoße mit drin ist. Ich hatte mir da irgendwann auch einen Sojaburger bestellt, da war eine Fleischsoße drauf. Da fragte ich mich, was das jetzt sollte, das ist doch völliger Humbug. Aber nein, keine großen Probleme mehr. Und selbst wenn, dann gibt’s mal einen Tag lang Pommes mit Salat.

Eine ganz andere Frage: Es kommt immer wieder vor, dass sich Künstler daneben verhalten – beispielsweise, indem sie sich rechts äußern oder andere Menschen belästigen. Was hältst du von dem Argument, dass Kunst und Künstler zu trennen sind?

Völliger Quatsch. Entweder ich stehe für irgendwas und ich möchte irgendwas an Leute weitergeben, aber das zu rechtfertigen mit „Jetzt ist es auf einmal Kunst“ und fünf Minuten später ist es keine mehr, nur weil ich mich dem Künstlerdasein entziehen möchte, trage ich nicht mit.

Auch wenn man sagt, dass man die Musik gut findet aber der Typ verhält sich wie ein Arsch, würdest du die Musik nicht mehr hören?

Nee. Im Politischen hatten wir die Diskussion ganz oft, wenn wir Bandshirts im Publikum sehen zum Beispiel. Wie geht man damit um? Was für eine Rechtfertigung gibt es für manche Black-Metal-Bands, die sich ganz weit rechts äußern? Ist für mich null zu trennen, dass sich da jemand Gedanken macht, jemanden provozieren will – aber auf eine Art und Weise, auf die ich keine Lust habe. Genauso wie die politische Situation in Deutschland im Moment mit Populismus. Natürlich kriegst du da viele Leute, hat aber null Inhalt ... und das auf einmal nur mit einfachen Worten zu rechtfertigen? Nö, da mache ich auch keine Musik oder sonst irgendwas, um Leute zu provozieren.

Provozieren ist das große Wort, was über allem hängt. Es gab schon mal Anfragen, ob ich für Bands Schlagzeug spielen könnte, die mal auf Plattenfirmen veröffentlicht haben, die dunkelgrau sind, sag ich mal, wo ich dann auch gesagt habe, das ist völliger Humbug. Die wollten nur paar mehr CDs verkaufen, deshalb haben die da die Platte rausgebracht. Sie seien ja nicht rechts. Das ist Banane. Ich trenne das, was ich vermitteln will, mit dem, was ich als Kunst ansehe, nicht. Entweder oder. Entweder ich stehe dazu, oder nicht.

Du repräsentierst einfach deine Musik.

Deshalb ist auch so eine Band wie HEAVEN SHALL BURN …

... die stehen für ihre Texte ...

Genau.

Wenn wir schon bei den Texten sind: Habt ihr euch damals von anderen Bands inspirieren lassen, über gesellschaftskritische und politische Themen zu schreiben, oder ist das von Anfang an euren eigenen Gedanken entsprungen?

Hardcorebands, Punkbands ... Ich habe eigentlich mit Metal angefangen und hab' dann Hardcore irgendwann für mich entdeckt. Bands wie CHOKEHOLD, FEEDING THE FIRE, EARTH CRISIS auch ganz am Anfang FOUR WALLS FALLING, so diese ganze politische, linke, Vegetarismus-, Veganismus- Ecke, da war ich 13 oder 14, hat mich gekriegt. Mit METALLICA angefangen, bin ich irgendwie da komplett rein. Und natürlich hat mich das inspiriert. Ich habe mir zu dem Zeitpunkt relativ wenig Gedanken darüber gemacht und bin dann damit konfrontiert worden, habe dann auf einmal ganz viele Magazine gelesen, mir ganz viele Bücher geholt, um mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, was meine Eltern komplett Banane fanden: "Warum isst der Junge jetzt nicht mehr die Pute mit? Oder den Weihnachtsbraten, sondern will etwas Veganes, woher krieg' ich denn das Zeug?" So Anfang bis Mitte 90er und jetzt … Klar ist man inspiriert worden und wird auch immer noch inspiriert.

Wer ist momentan noch deine größte Inspiration?

Ich bin so ein bisschen bei den alten Sachen hängengeblieben, was so etwas angeht, weil die klipp und klar formuliert waren. Heute politisch bin ich tatsächlich ein bisschen mehr im Netz gelandet, was so verschiedene Leute wie John Oliver angeht. Oder wenn ich mir deutsches Fernsehen angucke, so Oliver Welke im Fernsehbereich. Musikalisch gesehen bin ich ein bisschen enttäuscht, dass relativ wenige nachkommen, die eine klare Kante zeigen. Auch im Deutschsprachigen ist alles so weichgespült. Ich will jetzt keine Bands nennen, weil die Leute ganz nett sind, aber bei der Musik … Da denke ich mir, "Entweder sagt ihr, was ihr denkt, oder ihr versucht, pseudophilosophisch drumherum zu reden".

BLUMFELD war zum Beispiel immer eine Band Ende 90er/Anfang 2000er, die sich auch textlich sehr gut geäußert hat. Die Musik ist natürlich etwas schwierig. Hamburger Schule ist da immer nicht so ganz einfach … Und Punkbands gibt’s da auch immer wieder welche, aber ich finde, dass vieles, was sich heute „Punk“ nennt, ist eher Deutschrock. Gemütlicher Deutschrock mit Chartplatzierung und Tom-Hardy-Shirt.

Ist bei eurem Songwriting zuerst die Melodie da oder der Text? Habt ihr schon vorher die Idee, über welches Thema ihr schreiben wollt und passt die Musik an?

Meistens läuft das separat, dass der Song steht, Textbausteine schon da sind. Mike schreibt ja zum Großteil die Texte. Und dann wird das nochmal so ein bisschen hier und da auf den Song angepasst, also tonal und von der Aussprache her. Es ist jetzt nicht so, „Der Song ist jetzt hart, jetzt brauchen wir auch ein hartes Thema“, sondern dann wird auch aus dem Sammelsurium geguckt, was schon da ist, was dazu passt.

Ich war noch nicht dabei, als Musik auf den Text geschrieben wurde. Es wurde ein Song geschrieben, dann gab’s ne Demoversion. Dann wurde im Studio oder im Proberaum probiert, dann hat man sich gedacht, „Der Part müsste nochmal anders, weil die Textzeile so wichtig ist, die müssen wir nochmal einbauen, die müssen wir richtig featuren“. Das gab’s auf jeden Fall, dass man Sachen wieder rausgekürzt hat oder sowas, weil es teilweise fast wieder zu banal wurde. Aber es sind eigentlich fast zwei Prozesse, die separat verlaufen und dann später zusammengefügt werden.

Weißt du, woher ihr oder Maik die Informationen für eure Texte bezieht? Die Texte sind ja recht detailliert, wenn ihr zu bestimmten Themen schreibt. Hauptsächlich aus dem Internet?

Nee. Also natürlich, heutzutage auf Internetquellen zu verzichten … Aber ich muss sagen, dass Maik passionierter Bibliotheksgänger ist, auf jeden Fall alte Schule. Und man ist ja auch – also gerade jemand, der aus einem Background wie Maik kommt, aus juristischer Sicht und so weiter – historisch sehr breit gefächert aufgewachsen im Elternhaus. Da war halt auch schon viel da an Material. Und wir orientieren uns auch an bestimmten geschichtlichen Ereignissen, auf die man noch vertieft eingeht.

Wie du schon meintest, die sind sehr detailliert. Verschiedene politische Situationen in Chile, Straßenkämpfe in England und so weiter. Und die kann man ja auch ganz spezifisch anhand ganz vieler verschiedener Quellen immer weiter recherchieren und gucken, wo ist jetzt gerade etwas komisch, wo wird etwas deutlicher, welche Personen spielen da jetzt doch eine große Rolle und so ergibt eins das andere. Aber es sind tatsächlich seriöse Quellen. Wenn’s mal Internetlinks sind, dann nicht bei Wer-Weiss-Was, sondern irgendwas mit Distanz.

Die Nachrichten sind voll mit Krisen ... Wenn du eine Superkraft hättest, dagegen anzugehen, was würdest du wählen?

Superkraft? Ist meine Superkraft von einer Tätigkeit, die ich ausführen könnte, abhängig oder ist es etwas, womit ich weltweit bei allen Menschen etwas verändern könnte? (lacht)

Zweiteres wäre zu einfach! Dann wüsste ich deine Antwort schon.

Danke, danke (lacht). Wenn ich eine Superkraft hätte … Ach Mist. Ich müsste etwas an den Gedanken machen. Ich müsste den Bereich im Gehirn, der Empathie fördert, anstacheln können bei den Leuten.

So ähnlich wie Professor X bei X-Men, der die Gedanken verändern kann?

Ja.

Eure Coversongs sind ja sehr bekannt, gerade „Valhalla“ oder „Black Tears“. Gibt es ein Lied, das du schon immer mal covern wolltest?

Ich sag’s mal so: Wir haben mal ein Dritte-Wahl-Cover gemacht – „Auge um Auge“ mit Mille von KREATOR zusammen. Das ist soundtechnisch leider nicht so gut geworden, aber den Song finde ich sehr gut in Kombination mit dem Video. Es gibt halt schon so viele, deshalb muss ich überlegen – was haben wir denn? Es gibt, glaube ich, 25 Coversongs, die wir aufgenommen haben mittlerweile. Also nicht nur die, die auf dieser Bonus-CD drauf sind, sondern noch so auf irgendwie verschollenen Aufnahmen und so. Ich würde vielleicht ganz gerne mal versuchen, einen BAD BRAINS Coversong mit HSB aufzunehmen, was aber sehr, sehr schwierig ist. Oder ein D.R.I.-Song von der ersten 7 inch von der „Dirty Rotten Imbeciles“ EP und davon „We Don’t Need Society“. Würde ich gerne mal aufnehmen.

Vielleicht kommt ja was.

Wir sind ja in den nächsten ein, zwei Jahren nochmal im Studio, vielleicht kriege ich die anderen mal dazu.

Überzeugungskraft zählt.

(flüstert) ... Superkraft ... (lacht)

Hast du ein Guilty-Pleasure-Lied? Britney Spears vielleicht?

Justin Timberlake, (lacht) – “What Comes Around”. Ein mega Song. Also die ganze Platte ist super. Und was ein bisschen traurig ist: Das fällt mir jetzt direkt ein, aber welchen Song ich gerne covern würde, nicht. (lacht)

Gibt es eine Band, mit der du gerne mal einen Song aufnehmen würdest, mit der du noch keinen Song aufgenommen hast?

IRON MAIDEN wäre jetzt zu hoch gegriffen, glaube ich. Das wird sehr schwer. Mit NAPALM DEATH haben wir eine Split-7 inch gemacht. Mit den Leuten was aufnehmen … das wäre nochmal was für die Vita. BAD BRAINS wären auch Leute, mit denen ich echt gerne was machen würde, gerade weil HR auch nochmal was macht. Und so eine einmalige kräftige Stimme hat. Und vielleicht lesen sie das Interview ja: Ich würde total gerne mit ATARI TEENAGE RIOT was zusammen machen! ATARI TEENAGE RIOT Electro plus meine Schlagzeugaufnahmen. Ich habe sie schon mal angeschrieben, aber keine Antwort gekriegt.

Hoffentlich lesen sie das Interview!

Genau, jetzt bist du dran. (lacht)

Was können wir von euch in 2018 erwarten? Touren, touren?

Urlaub! (lacht) Wir machen hiernach eine Pause, nach den Impericon-Festivals. Wir haben auch alles abgesagt für dieses Jahr, was irgendwie mal im Raum stand. 2018 werden wir uns gemütlich im Studio einrichten, werden alles verkabeln, keine andere Band ins Studio lassen und dann, wenn es sich richtig anfühlt, etwas aufnehmen. Und dann 2019, 2020 mit einem Album um die Ecke kommen, bei dem wir sagen, „Das geben wir weiter“. Und nicht irgendwo zwischen Tür und Angel etwas aufnehmen, Hauptsache man ist wieder auf Tour und verkauft ein paar Shirts ... Sondern eins, wo wir denken, „Geil. Das haben wir alle in Ruhe aufgenommen, durchdacht und das geben wir weiter und da haben die Leute hoffentlich auch Bock drauf.“ Oder es geht nach hinten los, aber dann haben wir eine Platte, die haben wir für uns gemacht, die wir gut finden. Eins von beidem.

Deshalb, 2018 wird relativ ruhig an der Oberfläche. Wir treffen uns natürlich und machen und grillen zusammen. Wir haben, glaube ich, schon seit drei Jahren ein Bandsommergrillen in Planung, was aber irgendwie nie geklappt hat, weil auf einmal wieder Festivalsommer und einer im Urlaub war. Und das ist sowas, was diesen Sommer auch noch ansteht. Vielleicht kann man über Instagram was sehen oder so. Es bleibt aber in kleinem Rahmen.

Du bist ja Lehrer. Meine Frage …

(lacht)

Momentan sind doch keine Schulferien, oder?

Nein … In Berlin momentan nicht. (lacht)

Was machen die Schüler, wenn du nicht da bist?

Die Schüler haben bei meinen sehr kompetenten und netten Kolleginnen und Kollegen Unterricht und ich habe es mit meiner sehr netten Schulleitung – Grüße nach Berlin – so geregelt … Also ich bekomme keinen Bonus, Sonderstatus, sonst irgendwie. Ich habe Unterrichtsstunden vorgezogen. Ich habe den Unterricht, der jetzt vertreten wird, mit vorbereitet und übernehme nach der Tour auch mehr Unterricht, beziehungsweise mehr Aufgaben für Kolleginnen, Kollegen, die jetzt für mich Unterricht übernehmen.

Jetzt ist gerade bei uns eine Praktikumsphase und ich müsste rein rechtlich nur drei oder vier Schüler oder Schülerinnen besuchen in den Betrieben, habe jetzt aber zehn. Eventuell elf. Sprich, da gehen so viele Stunden durch drauf – das durch Berlin fahren, mit den Betrieben kommunizieren, bei Problemen einen neuen Betrieb suchen, die Präsentationsprüfungen und so weiter ... Da hängt so viel mit dran, dass ich da locker auf viel mehr Stunden komme, als ich jetzt im normalen Schulunterricht machen würde. Aber deshalb auch als Dankeschön, dass so etwas überhaupt erst möglich gemacht wird. Sonst wäre die Frage ja auch nicht da. Weil das nicht normal ist in dem Beruf.

Aber wir touren ja auch nicht viel, sodass es jetzt mal dreieinhalb Wochen sind. Ich glaube, in der Schule fehle ich nur zweieinhalb Wochen sogar. Sonst ist ja dieses Jahr nicht viel. Sonst war nur mal ein Festivalsommer dazwischen – aber an einem Freitag, den ich umlegen musste. Und ich muss sagen, die Schüler finden es auch nicht so schlimm. Nicht, weil ich so ein schlechter Lehrer bin. (lacht) Sondern, weil die das ganz interessant finden, wie so etwas funktioniert. Dass ich nicht zu Hause sitze und mir die ganze Zeit überlege, was für eine schlimme Aufgabe kann ich mir jetzt überlegen, sondern so „Ach, der macht noch was anderes. Ach, der ist auch bei Instagram, da guck ich mal, was der macht“. Die finden das ganz spannend, zum Großteil. Nicht alle.

Gibt es auch Schüler, die in die Klasse kamen und nicht wussten, dass du Drummer für HSB bist, HSB aber hören, dich sehen und erstmal überrascht sind?

Ja, genau. Jetzt auch nach einem dreiviertel Jahr kam auch ein Schüler auf mich zu: „Herr Bass. Ich hab' da was gesehen. Ich höre ja schon seit Jahren HEAVEN SHALL BURN.“ (lacht)

Nein.

Doch. Weil die Verbindung ist so weit weg, eigentlich. Da sieht man auch manchmal die Gesichter im Unterricht. Telefon unter'm Tisch, obwohl es nicht da sein sollte. „Aha!“ Aber wie gesagt, das hält sich wirklich im Rahmen. Das sind pro Klasse zwei, drei und dann kriegen die anderen das mit, haben mit der Mucke überhaupt nichts zu tun, finden die Musik auch nicht gut. Finden halt nur interessant, wie beides funktioniert. Aber weil wir es vorhin schon mal hatten: Ich trenne beides auch relativ klar. Schüler versuchen dann natürlich auch ganz gerne, mich über Gespräche vom Unterrichtsthema abzulenken, aber das ist tatsächlich getrennt voneinander. In Pausen oder nach dem Unterricht gerne, aber sonst ist Schule das Thema.

Du heißt Bass mit Nachnamen.

Jaaaa! (lacht)

Warum Schlagzeug?

Frag meinen Vater. (lacht) Seit DAS BO verfluche ich das auch ein bisschen, weil nämlich auch dann Schüler, also in meiner Schulzeit, ständig kamen mit „Bass, Bass, wir brauchen Bass ... blah blah". Aber ich wollte tatsächlich mal Gitarre spielen. Hat nicht geklappt. Mein älterer Bruder spielt Schlagzeug, wir hatten das Schlagzeug im Keller stehen und das hat ganz gut funktioniert mit den kurzen Fingern. „Smoke On The Water“ klappt, METALLICA „One“ klappt – aber sonst wird’s schwer. Ne, ist alles Zufall. Mein Bruder spielt, wie gesagt, auch Schlagzeug und heißt auch Bass mit Nachnamen. Das zieht sich durch unsere Familiengeschichte und meine Neffen wollen jetzt auch anfangen, Schlagzeug zu spielen.

Nein!

Ja, genau! Das geht einfach nicht!

Gibt es eine Frage, die du noch nie gefragt wurdest, aber gerne gefragt worden wärst, weil du etwas loswerden willst?

Ich bin mittlerweile schon ziemlich viel gefragt worden. Das ist auch kein Vorwurf, aber man ist ja mittlerweile auch älter geworden und dann kommt auch oft, „Warum machst du dies, warum machst du das?“. Aus der Familie vor allem. Was wurde ich noch nie gefragt … da hast du mich jetzt aber erwischt. Ach Mist, das wurde ich auch schon gefragt … Wovor ich Angst habe. Wurde ich in solchen Interviews noch nicht gefragt. Ich wurde es aber natürlich schon im Privaten gefragt.

Wovor hast du denn Angst?

Höhenangst habe ich und Angst vor Tiefen. Ich kann nämlich nicht tauchen gehen oder ins Meer springen, weil ich nicht weiß, was da unten passiert. Da werde ich nämlich ganz schnell panisch, ist mir aufgefallen. Das fällt immer auf, wenn man im Urlaub ist …

Und man denkt, dass da ein großer Fisch ist, aber da ist keiner …

Und das wird mit dem Alter auch nicht besser. (lacht) Auch die Höhenangst, das wird auch nicht besser. Aber sonst fällt mir so spontan nichts ein. Bestimmt gleich, wenn wir den Raum verlassen, rufe ich euch noch hinterher. Alles andere wären zu provokative Fragen, die ich noch nie gefragt wurde, wo ich mir denke, „neee“.

Genau das, was den fleißigen Journalisten interessiert.

(lacht) Genau, die Tür machen wir nicht auf!

Jetzt habe ich noch eine letzte Aufgabe für dich. Zeichne doch bitte mal deine Vorstellung von Utopia. Ich hoffe, du kannst gut malen.

Utopia Zeichnung „Die Natur im Fokus“ von Christian Bass / Heaven Shall Burn

Utopia, oh Mann. Ich brauche erstmal einen Bilderrahmen. Frau Lehrerin … (lacht)

Muss kein Van-Gogh-Gemälde sein.

Das wird’s eh nicht. Boah …

Das ist wie in der Klassenarbeit, wenn man nicht gelernt hat ...

Genau. (lacht) Tatsächlich nicht gelernt. Wusste gar nicht, dass wir heute etwas schreiben. (lacht) Aber das ist echt schön. Endlich mal was anderes. Ich merke auch gerade, wie ich nervös werde.

Wenn der Lehrer hinter einem stehenbleibt und guckt …

... und die Klassenkameraden schon fertig sind. „Was ist denn mit dem Bass? Der braucht aber echt lange.“ Ach Mist! Montagsmaler. (lacht) So, Menschen zeichnen … die lasse ich lieber weg. Ich habe einen Titel.

Vielleicht wäre ein Rhythmus zu Utopia einfacher gewesen.

Für einen Bass? (lacht) Den Menschen versuche ich gar nicht. Ich habe es „Die Natur im Fokus“ genannt. Baum vor Haus (lacht).

 

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