Geschrieben von Dienstag, 13 Mai 2008 00:09

KISS & Cinder Road - Olympiahalle/München



11.05.08 - Ich gebe ja zu, ich hatte Zweifel, als ich mich zusammen mit BurnYourEars Kollege Thomas am Sonntag Morgen auf den Weg nach München gemacht habe. KISS waren meine erste echte Lieblingsband. Genau genommen habe ich zwischen meinem 13. und meinem 16. Lebensjahr nicht viel anderes gehört. Entsprechend wenig begeistert war ich, als während der letzten Touren sowohl Original-Leadgitarrist Ace Frehley und später auch Original-Drummer Peter Criss ausgetauscht wurden. Gerade die eher schüchterne Vorstellung, die Neuklampfer Tommy Thayer 2003 beim Symphony ablieferte, ließ ernste Zweifel an seiner Eignung für eine der extrovertiertesten Livebands aufkommen.


Ich hatte KISS bereits 1997 in Hamburg und 1999 in Bremen (das legendäre Konzert, bei dem die Bremer Feuerwehr die Pyroshow verboten hatte) gesehen und hatte einfach Angst, mir meine damaligen Eindrücke kaputt zu machen, immerhin war ich damals auch noch sehr viel leichter zu beeindrucken. Das und nicht zuletzt die Frage, ob KISS auch im Jahr 2008 ihr Geld wert sein würden, nachdem wir unsere Tickets nicht auf regulärem Weg bekommen (der Innenraum der münchner Olympiahalle war drei Tage nach Beginn des Vorverkaufs bereits ausverkauft) und diese etwas über dem normales Ausgabepreis gelegen hatten.

Als wir an der Olympiahalle ankamen, zuerst mal ein paar angenehme Bilder. Die meisten Anwesenden schienen keine Modefans zu sein, und so konnte man die rund vier Stunden bis zum Einlass noch etwas fachsimpeln, während eine Dame im Rollstuhl den ankommenden Fans auf Wunsch die Masken der KISS Musiker aufschminkte. Irgendwie sind KISS-Fans dann eben doch in den besten Momenten so etwas wie eine Familie.
Gegen 18 Uhr begannen KISS in der Halle, etwa 1/3 der Setlist zu spielen. Nachdem wir uns eine Weile fragten, ob vielleicht einfach niemandem von der Band aufgefallen war, dass die Halle recht spärlich besetzt war, wurde uns irgendwann klar, dass das vermutlich für diejenigen war, die sich eines der nicht gerade günstigen Soundcheck-Tickets gekauft hatten. Um 19 Uhr ging es dann schließlich auch für die Normalsterblichen in die Halle, und wir hatten Glück und konnten Plätze in der ersten Reihe ergattern.

Während wir warteten, bauten ein paar Jungs, die sich nachher als CINDER ROAD selbst herausstellen, noch einige Verstärker auf ,und gegen halb acht stand die Vorband dann auf offiziell auf der Bühne.
Sollte sich jemand mal gefragt haben, wie eine Rock-Version der BACKSTREET BOYS aussehen könnte, er möge sich mit dieser Band beschäftigen. Um nicht ungerecht zu sein: Alle Fünf beherrschen ihre Instrumente und die Songs hörten sich zumindest nett an, aber von der Optik über die Performance roch alles einfach meilenweit gegen den Wind nach Reißbrett. Die Gitarristen inklusive Sänger sehen nach den 70er Jahren aus, der Drummer nach Punk/Hardcore und der Bassist nach Emo (also für jeden etwas dabei), während die Musik in Richtung 80er Hard Pop-Rock tendiert. Das Stageacting war vollkommen übertrieben und dem Härtegrad der Musik nicht wirklich angemessen. Auch wenn der Auftritt schmerzlos zu ertragen war - lediglich etwas besser abgemischt hätte der Sound sein dürfen - ist wohl niemand ernsthaft traurig gewesen, als die Fünf nach einer guten halben Stunde die Bühne wieder verlassen.

Umbaupause... Von den Secus, die in unserem Abschnitt übrigens sehr freundlich gewesen sind, war zu hören, daß KISS gegen 21 Uhr anfangen sollten. Um 21 Uhr war die Stimmung in der Halle auch auf dem vorläufigen Höhepunkt. LaOla in einer Konzerthalle habe ich auch noch nicht all zu oft erlebt. Nur die vier Herren von KISS waren noch nicht zu sehen. Daran änderte sich auch in den nächsten gut 30 Minuten nichts, bis endlich der große Vorhang mit dem KISS-Logo gesenkt wurde und wenige Minuten später das Intro begann: „ALLRIGHT MUNICH... YOU WANT THE BEST... YOU'LL GET THE BEST... THE HOTTEST BAND IN THE WORLD...“

Als Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer und Eric Singer auf zwei Podesten von der Hallendecke auf die Bühne schweben, ist wohl endgültig jedem in der Halle klar: Ja, es sind KISS!
Wie angekündigt spielen die vier Amerikaner das komplette „Alive!“ Album vom ersten bis zum letzten Song durch. Dadurch kommen auch Songs von den ersten drei Alben zum Zuge, die heute nicht mehr all zu oft Teil von KISS-Setlists und so eher selten zu hören sind. Einige Zuschauer scheinen sich so auch mit dem älteren und im Vergleich zu vielen späteren Hits nicht so poppigen Material nicht so gut auszukennen, während sich die echten Fans freuen, Songs aus dieser raueren Phase noch ein Mal live erleben zu können.
Ansonsten bieten KISS auch auf der „Alive 35 Years Tour“ alles, was man von ihnen erwartet. Gene spuckt bei „Firehouse“ Feuer und später auch Blut, Paul schwebt mit seiner Seilbahn zu einem Podest im zweiten Hallendrittel, um auch den Fans in den hinteren Reihen einen Besuch abzustatten, Tommy schießt, wie früher Ace, Pyros in die Scheinwerfer (auch wenn das früher mal realistischer inszeniert wurde) und dazu gibt es jede Menge Feuerfwerk. Spätestens bei „Rock'NRoll All Night“ bin ich gefühlsmäßig auch wieder der dreizehnjährige KISS-Fanboy, der zum ersten Mal „Alive!“ in den Player schiebt und mit offenem Mund eine Offenbarung erlebt.
Die Zugabephase entschädigt dann auch die, die wegen den großen Hits der Band gekommen sind. „Shout It Out Loud“, „Detroit Rock City“ und „Love Gun“ sind drei der wichtigsten Sounds aus der Post-Alive-Phase, „I Was Made For Loving You“ zumindest unvermeidlich, und mit „Lick It Up“ schafft es auch eine Nummer der unmaskierten Zeit ins Set. „I Love It Loud“, das dieses Mal anstelle von „God Of Thunder“ als Genes Spezialsong herhalten muss, ist zwar eher überflüssig, aber vermutlich soll der Zugabeblock nicht komplett aus Songs vom „Destroyer“-Album bestehen.

Alles in allem sind KISS auch im Jahr 2008 live noch eine Macht. Auch wenn ich schon besser Reaktionen erlebt habe, das Publikum hat Paul bei seinen Ansagen eigentlich immer aus der Hand gefressen. Gut, man merkte, dass KISS am zweiten Abend der Tour noch nicht wieder komplett aufeinander eingespielt waren. Zum Beispiel versemmelte das Quartett die dritte Strophe von „Let Me Go“ komplett, lieferte einen sehr holprigen Beginn bei „I Was Made For Loving You“, und Paul hatte einige Mühe, Gene und Eric bei einer Bass-Bridge wieder auf das reguläre Tempo zu drosseln. Das konnte aber die gute Laune nicht trüben.
Wirklich schade war dagegen, dass es die mit 35 € nicht eben billigen Shirts nur mit dem zensierten Logo zu erstehen gab. An dieser Stelle auch noch mal vielen Dank an die Bremer Staatsanwaltschaft, deren Anzeige der Band und ihren Fans schon seit Jahrzehnten das Leben schwer macht.

Für mich persönlich war das Konzert in München mein bestes KISS-Erlebnis aller Zeiten. Nachdem ich die letzten beiden Konzerte von der Hallenmitte aus erlebt habe, war die Intensität in der ersten Reihe einfach um ein Vielfaches höher. Gene und Paul sind ohnehin Profis und über jeden Zweifel erhaben, aber auch Tommy hat sein anfängliche Schüchternheit abgelegt, sucht während des Konzerts ständig Augenkontakt mit den Fans in den ersten Reihen und macht einen unheimlich sympathischen Eindruck, der mich Ace keine Minute lang vermissen lässt. Natürlich weiß ich, dass jede Bewegung und jedes Wort in einer KISS-Show geplant und einstudiert sind, und genau aus diesem Grund würde ich mir nie mehr als ein Konzert pro Tour anschauen, aber bei diesem einen Konzert macht es genau diese Professionalität zu einem großen Erlebnis.
KISS waren schon immer kein billiges Vergnügen, aber im Gegensatz zu manch anderem nicht weniger teuren Act bieten sie auch immer etwas für's Geld und waren mir den Preis absolut wert! Sollte es, wie von Paul mehrmals angedeutet hat, eine weitere Deutschlandtour geben, werde ich wohl wieder dabei sein.

Setlist KISS:


Deuce
Strutter
Got To Choose
Hotter Than Hell
Firehouse
Nothin' To Lose
C'mon & Love Me
Parasite
She (Tommy Thayer Solo)
Watchin' You
Rock Bottom
100.000 Years (Eric Singer Solo)
Cold Gin
Let Me Go, Rock & Roll
Black Diamond
Rock & Roll All Nite
---
Shout It Out Loud
Lick It Up
I Love It Loud (Gene spuckt Blut + Solo)
I Was Made For Lovin' You
Love Gun (Paul schwebt über das Publikum)
Detroit Rock City