Geschrieben von Mittwoch, 08 September 2010 00:00

Skeletonwitch, Warbringer & Angelus Apatrida – Berlin / Magnet


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Der totale Thrash-Wahnsinn im Magnet Club: Highspeed, Oldschool und Modern Thrash – da kann schon aus Prinzip kein Nackenwirbel heil bleiben.


SKELETONWITCH und WARBRINGER gemeinsam auf Tour – das ist für mich wie Wacken und Summerbreeze in einem! Klar hab ich mich auch schon auf andere Konzerte besonders gefreut, aber heute fühlt es sich glatt an wie das zweite Date von frisch Verliebten. Mit feuchten Händen und Herzklopfen fahre ich nachmittags zum Club.

Da ich SKELETONWITCH bereits letztes Jahr treffen durfte, die Jungs sehr nett waren und sich Gitarrist Scott im Vorfeld der jetzigen Tour sogar an mich erinnerte, hatte ich etwas mehr vor. Direkt nach ihrem Soundcheck gehe ich mit den Fünfen vor die Tür, zeige ihnen die Umgebung in Berlin-Kreuzberg, die Oberbaumbrücke, die ehemalige innerstädtische Grenze und schieße ein paar Bandfotos unter der Brücke. Anschließend geht’s mit Sänger Chance zum naheliegenden „Burgermeister“, einer wunderbar kauzigen Burgerbude mit den besten Chili Cheese Fries Berlins. Hatte ich Chance vorher als eher schweigsamen Typen wahrgenommen, kann ich mich nun locker mit ihm unterhalten; unter anderem plaudern wir über die Relaxtheit der Berliner Polizei, Bier, Tattoos und einiges mehr. Stets dabei ist „Mustache“ Derek, der für die Band ein Videoblog dreht und außerdem den Merch betreut.

Nach den Burgern gibt’s das nächste Bier im Backstage, kurzes Plaudern mit WARBRINGER, und schon stehen auch schon ANGELUS APATRIDA auf der Bühne. Da 20 Uhr in Berlin noch zum frühen Nachmittag zählt, sind leider erst knapp dreißig Leute im Raum, von denen außer mir auch nur zwei headbangen. Eigentlich unverdient, denn die Band müht sich den Arsch ab, spielt megatight und hat sichtlich Spaß. Die Ansagen von Frontmann Guillermo sind aufgrund seines starken spanischen Akzents zwar kaum zu verstehen, trotzdem kommen er und seine drei Kollegen unglaublich sympathisch rüber. Beeindruckend auch die Doppel-Gitarrenattacken. Nichts da mit Trennung zwischen Rhythmus- und Melodiegitarre, ne! Guillermo und David kloppen spielerisch leicht herrliche Wechselsoli raus. Die Zuspätkommer sollten sich ärgern, dass sie ANGELUS APATRIDA verpasst haben.

WARBRINGER sind auch nicht von dieser Welt. Getreu dem Cäsar-Spruch „Veni, vidi, vici“ kommen die fünf Kalifornier entspannt auf die Bühne, veranstalten ein brutales, unvorstellbar krasses Blutbad und hauen lächelnd wieder ab. Von der ersten Sekunde an treten WARBRINGER das Gaspedal durchs Bodenblech, dass die Funken auf dem Asphalt nur so sprühen. Die Intensität, mit der die Songs rausgehauen werden, ist erdrückend und bringt auch den letzten der mittlerweile gut hundert Leute auf Hundertachtzig. Schon nach ein paar Takten im Opener „Jackal“ vom aktuellen Album „Waking Into Nightmares“ sieht man nur noch Haare durch die Luft fliegen und riecht den Schweiß rinnen.
Sänger John Kevill macht vor, was das Publikum tun soll: Wie ein vom Teufel besessenes Rumpelstilzchen auf Absinth-Trip mäandert dieser Derwisch über die Bühne, schreit, grinst, headbangt, springt/stolpert/fliegt hin und her und dirigiert zwischendurch den einen oder anderen Circle Pit. Der Kerl ist nicht nur wahnsinnig, sondern vielmehr eine dämonische Chimäre – im einen Moment der Teufel selbst und böser als Glen Benton, im nächsten Moment der sympathischste, lockerste Mensch der Welt. Und dazu der Frontmann von WARBRINGER, einer überguten Liveband. Wann immer die Jungs in Zukunft in meiner Nähe spielen, ich werde es nicht mehr verpassen, komme was wolle.

Nach dem modernen TESTAMENT-inspirierten Thrash Metal von ANGELUS APATRIDA und der Oldschool-Abrissbirne WARBRINGER schmeißen SKELETONWITCH zum Schluss ihre ganz eigene Gewürzmischung in die Runde. Der Club ist voll genug, um voll zu wirken, alle wissen was jetzt kommt – prima! So haben die fünf aus Athens, Ohio auch keine Probleme, das Publikum sofort für sich einzunehmen. Die sollten sie eigentlich niemals haben – wer nur ein bisschen was für Thrash Metal übrig hat, wird von dem fiesen Highspeed-Bastard aus Thrash, Death und Black Metal ohne Umschweife eingenommen.
Auch heute machen SKELETONWITCH genau das, was sie live immer machen: einen Song nach dem anderen raushauen, ohne Verschnaufpause, mit wenigen kurzen Ansagen dazwischen. Die Setlist bedient sich aus beiden Prosthetic-Alben, das selbstproduzierte Debüt „At One With The Shadows“ wird wie immer außen vor gelassen (was aber kein Problem ist). Die kurzen, meist nur zwei- bis dreiminütigen Nummern kommen Schlag auf Schlag und gehen teilweise direkt ineinander über – da die meisten der Songs aber in sich geschlossene Überschallausflüge ohne Bremsklötzer sind, wird immer das Ende des einen und der Beginn des nächsten Songs deutlich.
Zu meiner Freude werden auch seltener live gespielte Nummern dargeboten, so z.B. das grandiose „Limb From Limb“ oder der Schlusssong „Vengeance Will Be Mine“. Sänger Chance erwähnt in seinen kurzen Ansagen oft, worum es im folgenden Song geht – allein dreimal heißt es „The next song is about Satan!“
Als Zugabe gibt’s noch „Within My Blood“ und die obligatorische Aufforderung ans Publikum: „Drink beer, smoke weed – and eat some fucking pussy!“

Bei den letzten Songs sieht man schon kaum mehr jemanden headbangen; ein Blick durchs Publikum verrät, dass jeder einzelne der Anwesenden kurz vorm Zusammenbruch steht. Eigentlich müsste bei dieser Tour ein Sanitäter mitreisen, der immer genügend Halskrausen dabei hat. Wie sonst soll man WARBRINGER und SKELETONWITCH am selben Abend erleben, ohne bleibende Schäden davon zu tragen? Einen steifen Nacken wird wohl jeder am nächsten Morgen haben.

Nach dem letzten Song sammeln sich fast alle Anwesenden am Merchstand; nach meinem Eindruck müsste mindestens jeder zweite ein T-Shirt gekauft haben. Kurz danach treffe ich mich mit den Bands im Backstage, immerhin haben wir noch eine Flasche Wurzelpeter vor uns, die ich mitgebracht habe. Nach kurzer Erklärung („It's like Jägermeister, but it's from Berlin!“) stoßen wir in großer Runde an, quatschen noch eine entspannte halbe Stunde, bevor es für die Bands ans Einladen und für mich auf den Heimweg geht.

An diesen Abend werde ich mich noch lange glücklich erinnern.

www.myspace.com/skeletonwitch
www.myspace.com/warbringer
www.myspace.com/angelusapatrida

Fotos © BurnYourEars / Fabien Blackwater