Geschrieben von Donnerstag, 16 Juni 2011 21:44

Sweden Rock 2011 - Der Festivalbericht mit großer Bildergalerie

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Sölvesborg/Südschweden, 8.-11.06.: Wie schon in den letzten Jahren, steht das SWEDEN ROCK FESTIVAL auch 2011 auf der To-Do-Liste des BurnYourEars. Das Billing verspricht jede Menge Spaß und Abwechslung, denn auch im Jahr des 20. Jubiläums haben es die Veranstalter geschafft, den schmalen Grat zwischen "soft" und "knüppelhart" zu finden. Traditionell geht's auf diesem Festival in Schweden besonders entspannt vonstatten, genreübergreifend wird hier einfach eine riesige, friedliche Party gefeiert. Und um diesen Punkt schonmal vorweg zu nehmen: so war es auch in diesem Jahr.


Mittwoch, 08.06.2011

Los geht's mit RHINO BUCKET, der auf der Sweden Rock Stage das Event einläutet. Dem Ami scheint es nicht sonderlich viel auszumachen, dass noch nicht ganz so viele Fans auf dem Gelände sind. Die knapp 2.000 vor der Bühne feiern aber trotzdem schon ordentlich ab, und Songs wie „The Hardest Town", „Street To Street" oder „Hammer And Nail" laden den geneigten Fan ein, schon mal die Nackenmuskeln zu lockern.
Auf der Rockklassiker Stage, die in diesem Jahr wieder die beiden kleinen Zelte an selber Stelle ablöst – die sich aufgrund von totaler Überfüllung 2010 als nicht ganz so optimal erwiesen hatten – dürfen THE DEAD AND THE LIVING ran. Ausgestatten mit Akkordeon und gebleichten Gesichtern, kommen die "Leningrad Cowboys für Arme" zwar bewegungstechnisch nicht so aus dem Quark, dafür machen ihre Songs aber umso mehr Spaß, und die Jungens haben definitiv mehr Zuschauer als die knapp 300 Anwesenden verdient.

Da hat MASON RUFFNER vor der Zeppelin Stage, die ja 2010 in Gedenken an den verstorbenen Ronnie James Dio noch dessen Namen trug, mehr Zuspruch. Die bluesige Mischung aus DIRE STRAITS und BRUCE SPRINGSTEEN rockt ungemein, und ca. 4000 Fans feiern den Mann und seine Band zwischen den Songs mächtig ab.
Es folgt das erste Highlight an diesem ersten, halben Festivaltag, an dem die beiden großen Bühnen Rock Stage und Festival Stage noch außen vor bleiben: CHRASHDIET bitten die Fans vor die Sweden Rock Stage, und die lassen sich nicht zweimal auffordern und füllen den Platz vor der Bühne bis zum Bersten aus. Beim Opener „Breaking The Chains" bin ich mir im Fotograben nicht sicher, wer jetzt lauter ist, die Fans hinter mir oder die Jungens auf der Bühne. Fakt ist, dass die Schweden ein grandioses Set spielen, und mit Songs wie „So Alive", „Native Nature", „Chemical Play" und „Generation Wild" sowie einem absolut brillianten Sound leichtes Spiel mit den eh schon euphorischen Fans haben.
Da müssen BLACK VEIL BRIDES auf der Zeppelin Stage noch etwas dran arbeiten. Die paar Fans, die sich eingefunden haben, feiern zwar ordentlich, aber ein wildes Gedränge sieht anders aus. Trotzdem dürfte die Band durchaus neue Fans dazu gewonnen haben, denn schlecht ist anders.

Die Headliner an diesem Abend sind HARDCORE SUPERSTAR, und gegen die Jungens scheint sich alles verschworen zu haben. Kurz vor ihrem Gig öffnet der Himmel seine Schleusen und es schüttet wie aus Eimern. Dazu kommt ein wirklich schwacher Sound bei den ersten beiden Songs „Kick On The Upperclass" und „Bag On Your Head". Aber wie das (wahrscheinlich nicht nur) in Schweden so ist, lassen sich die ca. 15.000 Fans vor der Bühne nicht vom Feiern abhalten. „Hatefull", „Wild Boys", „Blood On Me" und „Split Your Lip" haben mir von den sage und schreibe 19 Songs am besten gefallen. Und wenn die Band, außer dem Drummer natürlich, genauso nass ist wie die Fans vor der Bühne, spricht das erst recht dafür, dass man sich von nichts den Schneid abkaufen lässt.


Donnerstag, 09.06.2011


Den Anfang am ersten kompletten Festivaltag machen OZ, die ich aber aus anfahrtechnischen Gründen verpasse. Also dürfen PERRY AND THE TRAVELLERS auf der kleinen Rockklassiker Stage für mich den Tag lostreten: Nett gemachter und eingängiger Bluesrock, der mehr als 150 Fans verdient hat, aber gegen die starke Konkurrenz auf der Rock Stage nicht anstinken kann, die 10 Minuten später loslegt. Namentlich ist das DUFF McKAGAN'S LOADED, und der Ex-GUNS'N ROSES Bassist lässt an seiner professionellen Einstellung keine Zweifel. Mir gefallen „Attitude" und „Dust N' Bone" am besten, der Gig an sich ist mir fast schon zu kurz.
Zwischenzeitlich bin ich mal kurz zur Sweden Stage gegangen, um mir THE HAUNTED anzusehen. Aber um ehrlich zu sein, war das nicht so meine Baustelle, und obwohl die Band einen tollen Sound hatte und sich auf der Bühne völlig verausgabte, bin ich lieber zu DUFF McKAGAN zurück gegangen.

Dass danach BUCKCHERRY die große Festival Stage einweihen, fand ich schon vor dem Gig etwas seltsam. Und während des Gigs bestätigt sich diese Meinung, denn die Band bemüht sich zwar redlich, kann aber nur die ersten zwei, drei Reihen im Publikum richtig mitreißen. Sänger Josh Todd hat sich offensichtlich vorgenommen, pro Song ein Kleidungsstück abzulegen, denn zum Ende hin hat er nicht mehr wirklich viel an. Insgesamt nett, aber mehr als „sie waren stets bemüht" kommt für mich nicht dabei heraus. Ich denke, dass die Band auf der Rock Stage oder Zeppelin Stage besser aufgehoben gewesen wäre.
Die ist dann für die DAN REED BAND auch eine Nummer zu groß, denn die Fläche vor der Bühne will sich einfach nicht füllen. Die Fans aber, die sich dafür entschieden haben, sehen ein emotionsgeladenes Akustikset, bei dem es der sympathische Sänger aus Portland immer wieder schafft, Ausrufezeichen zu setzen, ohne dabei richtig Schwung in die Menge zu bringen. Das ist bei dieser Art Musik aber auch nicht unbedingt zu erwarten, doch um sich mal ein paar Minuten zu erholen, ist die Musik perfekt.

Auf JOAN JETT AND THE BLACKHEARTS habe ich mich ganz besonders gefreut, weil es sich hier um eine Sängerin handelt, die ich schon ewig kenne, aber noch nie live gesehen habe. Und als die kleine Powerfrau auf die Bühne springt, muss ich mir erst mal die Augen reiben. Die Antwort auf die Frage, in welchen Jungbrunnen sie wohl gefallen ist, wird sie wahrscheinlich kaum Preis geben, aber die Dame sieht fantastisch aus und ist in Topform. Neben ihren Hits wie „Bad Reputation", „Love Is Pain" oder „Change The World" hat sie zum Glück auch ein paar Songs der RUNAWAYS in die Setlist eingebaut. Auch wenn die Stimmung durchgehend auf dem Siedepunkt ist, rocken „Cherry Bomb", „You Drive Me Wild" und „School Days" doch noch ein paar Grad mehr. Natürlich fehlen auch „I Love Rock'n Roll" und „I Hate Myself For Loving You" nicht und runden einen Top-Gig ab.
Melodisch geht es dann auf der Zeppelin Stage weiter, denn FM spielen einen souveränen Gig und werden von den Fans mit „Wildside", „I Belong To The Night" oder „Face To Face" frenetisch gefeiert. Es ist schon wirklich erstaunlich, wie viele unterschiedliche Genres mal wieder vertreten sind, sich aber niemals in die Quere kommen.

Mit QUEENSRYCHE kommt dann die erste Band auf die Festivalstage, die dort auch hingehört. Auch wenn es zu Beginn des Gigs noch erhebliche Probleme mit Geoff Tates Mikrosound gibt, sind QUEENSRYCHE souverän und über jeden Zweifel erhaben. Vor allem Sänger Geoff Tate ist äußerst motiviert und rennt wie ein Derwisch über die Bühne und den Laufsteg, der weit ins Publikum ragt, um eben dieses immer wieder zum Mitmachen zu animieren. Das ist aber eigentlich unnötig, denn die Fans gehen auch von alleine extrem steil. Toll, denn QUEENSRYCHE habe ich in der Vergangenheit auch schon wesentlich lustloser gesehen.
Nicht so heute, und Songs wie „Get Started", „I Don't Believe In Love", "Hit The Black", "The Lady Wore Black", "Jet City Woman" und "Empire" verfehlen ihre Wirkung nicht. Dass mein Lieblingsalbum „Operation Mindcrime" für meine Verhältnisse völlig unterrepräsentiert ist, fällt mir aufgrund der starken Leistung erst viel später auf. Also, alles richtig gemacht.

Auf der Rock Stage wird danach deutscher Stahl geschmiedet. ACCEPT spielen einen perfekten Gig, diesmal aber nur zu viert, da Gitarrist Herman Frank während der US Tour von der Bühne gefallen ist und sich zurzeit von seinen Verletzungen erholt. Aber auch mit nur einer Gitarre, die Wolf Hoffman bedient, haben die Deutschen mit Neusänger Mark Tornillo keine Probleme, die zahlreich erschienen Fans zu Höchstleistungen zu treiben. Als Bassist Peter Baltes dann auch noch ausrutscht und auf dem Rücken liegenbleibt, schmunzelt Mark nur, dass sie demnächst wohl als Trio auftreten.
Glücklicherweise steht Peter bald wieder, und es wird gepost bis der Arzt kommt. Neue und alte Songs werden gleichermaßen gut aufgenommen, was für die Qualität von „Blood Of The Nations" spricht. Vom aktuellen Album kommen „Teutonic Terror", „Bucket Full Of Hate", „New World Comin'", „Pandemic" und „No Shelter" zum Zug, aber auch bei u.a. den Megahits „Breaker", „Metal Heart", „Princess Of The Dawn" und „Balls To The Wall" bleibt kein Auge trocken und kein Nackenmuskel unbewegt. Tolle Leistung, toller Sound, Super-Stimmung. Germany: 12 Points!

Die Vorwarnung, bei GWAR im Fotograben besser eine Regenjacke anzuziehen und die Kamera unter Folie zu sichern, ist unnötig, aber nicht unbegründet. Schon beim ersten Song der Monstermänner spritzt literweise grünes Blut aus der Kehle eines Osama-Bin-Laden-Klons, dem mal eben die Gesichtshaut abgezogen wird. Sieht schon lustig aus, wie selbst die Security vor der Bühne komplett unter Regenkutten verschwunden ist. Musikalisch sind GWAR für mich aber eher Mittelmaß, showtechnisch auch nur bedingt der Brüller, und so ist die Vorfreude auf die nächste Band nur noch größer.

SAXON
sind eigentlich immer eine Bank auf jedem Festival, denn mit ihrem unendlichen Backkatalog sind die Briten in der glücklichen Situation, einen Hammer nach dem anderen raushauen zu können. Zu allem Überfluss kündigt Sänger Biff Byford auch noch die Aufzeichnung einer Live DVD an. Und so kommen neben den Klassikern, wie zum Beispiel „Heavy Metal Thunder", „Motorcycle Man", „Princess Of The Night", „Crusader" oder „Strong Arm Of The Law", die man eigentlich immer hört, auch die seit 1982 nicht mehr live gespielten „Midnight Rider" und „Fire In The Sky" zum Zuge.
Bei wirklich gutem Sound und einer sehr ausgewogenen Lightshow machen SAXON wie immer alles richtig, wobei Bassist Nibbs Carter nicht ganz so agil ist, wie man das von ihm kennt. Kommt wohl auch langsam in die Jahre, der Gute. Vom aktuellen Album „Call To Arms" wurden mit dem Titeltrack, „Back In 79" und „Hammer Of The Gods" leider nur drei neue Nummer in die Setlist aufgenommen.

Jetzt wird es spannend, denn kurz danach beginnt die die Abschiedsshow von JUDAS PRIEST auf der Festival Stage. Die Frage, die sich mir und zigtausend Fans stellte: Wie wird sich der neue Gitarrist Richie Faulkner in das seit Jahren eingespielte Line Up einfügen?
Lights down und der Metal God Rob Halford kommt mit seinen Männern und „Rapid Fire" auf die Bühne. Tolles Licht und perfekter Sound, das kann man den Engländern schon mal bescheinigen. Rob Halford braucht wie immer seine Zeit, bis er mehr als drei Meter geht, aber dann ist er ungewöhnlich agil und beweglich. Nach „Metal Gods", „Heading Out For The Highway", „Judas Rising" und dem überraschenden „Starbreaker" kann ich über Richie Faulkner sagen, dass er sich sehr gut intergiert hat. Ein bisschen merkwürdig sieht nur aus, dass er offensichtlich die Bühnenklamotten von KK Downing trägt.
Sei's drum, denn soundmäßig kann ich nichts aussetzen, und „Victim Of Changes", „Never Satisfied" und das wie immer geile und gänsehautverdächtige „Diamonds & Rust" treten richtig in den Hintern. Große Überraschungen kommen dann eigentlich nicht mehr, aber das ist für mich kein Grund zur Beschwerde, denn auf „Turbo Lover", „The Sentinel", „Breaking The Law", „Painkiller", „Blood Red Skies", „Hell Bent For Leather" und dem Rausschmeißer „You've Got Another Thing Coming" will ich ja auch nicht verzichten.
Wenn es denn wirklich die letzte Tour von JUDAS PRIEST sein soll, dann verabschiedet sich diese Legende amtlich von ihren Fans, was man an dem frenetischen Jubel und den Mitsing-Chören an diesem Abend eindrucksvoll merkt. Der erste richtige Headliner des Sweden Rock 2011 hat schon mal gepunktet.


Freitag, 10.06.2011


Wer kann sich nicht an STEELHEART und ihren Hit „Everybody Loves Eileen" erinnern? Und genau mit der Band geht der Freitag in Sölvesborg los. Sänger Miljenko Matijevic singt wie ein junger Gott und wird begeistert auf der Rock Stage in Empfang genommen. Trotz der frühen Stunde ist der Mann am Mischpult offensichtlich auch schon hellwach, denn STEELHEART haben einen grandiosen Sound. „Gimme, Gimme", „We All Die Young" und eben der Megahit „Everybody Loves Eileen" gefallen mir am besten in einem aber auch ansonsten starken Set.
Auf dem Weg zur Sweden Stage mache ich kurz Halt, um mir ein paar Minuten SLIDING SLIM auf der Rockklassiker Stage zu gönnen. Der Mann spielt einen sehr gediegenen Blues, der bei den ca. 1.000 Leuten vor der kleinen Bühne verdammt gut ankommt.
Trotzdem geht's weiter zu AGENT STEEL, die auf der viel größeren Sweden Stage aber kaum mehr Fans als SLIDING SLIM begrüßen dürfen, und vor allem Bassist Carlos Medina macht einen ziemlich angepissten Eindruck. Auch Rückkehrer John Cyriis am Mikro lässt sich außer dem nicht gerade einfallsreichen Satz: „The Agent Is Back" kaum etwas einfallen, um die Fans vor der Bühne zu begeistern. Schade, da hab ich mir doch etwas mehr erwartet, und auch die eh schon dünnen Reihen lichten sich während des Gigs erheblich. Hängenbleiben werden bei nur „Children Of The Sun" und „Agents Of Steel".

Die Enttäuschung hält sich aber nicht lange, denn MR. BIG spielen auf der Festival Bühne einen Hammer Gig, der von gut 20.000 Menschen abgefeiert wird. Sänger Eric Martin lässt sich auch von einem Gipsarm nicht abhalten, die komplette Länge und Breite der Bühne zu nutzen, um immer wieder den Kontakt zum Publikum zu suchen. Und auch den Mega-Instrumentalisten Billy Sheehan am Bass und Paul Gilbert an der Gitarre sieht man den Spaß an.
Mit „Daddy, Brother, Lover, Little Boy", „Take Cover", „Green-Tinted Sixties Mind", „Alive And Kickin" und „Road To Ruin" sind die Smashhits der Band alle dabei. Auf den Rausschmeißer "To Be With You" hätte ich dann aber gerne verzichten können, auch wenn er von fast allen Fans schmachtend mitgesungen wird. Und auch wenn ich auf Festivals kein großer Freund von langen Soloarien bin, ist das, was Billy Sheehan und Paul Gilbert hier ablieferten, ganz großes Kino.
Auf der Zeppelin Stage geht das große Kino dann direkt weiter, denn die britischen Hardrocker THE BREW spielen riesig auf. Sänger und Gitarrist Jason Barwick, der an diesem Tag auch noch Geburtstag hat, zeigt zusammen mit Tim und Curtis Smith – nein, keine Brüder sondern Vater und Sohn – eine Show der Extraklasse. Jason hat unglaublich Charisma und zieht die anwesenden Fans sofort in seinen Bann. Vorher habe ich von THE BREW noch nie was gehört, aber da bleibe ich definitiv am Ball.

Auf der Rock Stage kündigt sich währenddessen der nächste Abschied an. ICED EARTH und Sänger Mat Barlow werden nach dieser Tour bereits zum zweiten Mal getrennte Wege gehen. Vorher haben sich die Amis aber offensichtlich vorgenommen, es allen zu zeigen, denn die Band spielt den energiegeladensten Gig, den ich je von ihnen gesehen habe.
Matt Barlow dirigiert die Massen, als gäbe es kein Morgen, Bassist Freddie Vidales post und bangt am Bühnenrand wie ein Großer, und selbst Jon Schaffer, in den letzten Jahren ja durch ständige Rückenprobleme geplagt und eingeschränkt, scheint in der Form seines Lebens zu sein. In der von Highlights gespickten Setlist kommen „Burning Times", „Declaration Day", „Birth Of The Wicked" und „The Coming Curse" noch einen Tick besser als der Rest, aber das ist jetzt rein subjektiv.
Wenn eine Band beim Sweden Rock 2011 ein absolutes Heimspiel hat, dann sind das MUSTASCH. Ralf Gyllenhammar, David Johannesson, Mats Johansson und Danne McKenzie genießen die euphorische Stimmung sichtbar und geben auf der Bühne alles. Jeder Song wird lautstark und vielstimmig mitgegrölt und MUSTASCH haben leichtes Spiel mit den ca. 10.000 Fans vor der Rock Stage.

Gemütlicher geht es bei MATS RONANDER vor der kleinen Rockklassiker Stage zu, der es auch selber sehr locker angehen lässt, aber mit seinem bluesgetränkten Rock ein tolles Kontrastprogramm zu MUSTASCH darstellt.
Anschließend tanzt bei HELLOWEEN wieder der Pabst im Kettenhemd. Schön zu sehen, dass alle deutschen Bands bislang abräumen, und da machen auch die Hamburger keine Ausnahme. „Are You Metal?" ist zwar musikalisch nicht der allerbeste Opener, aber vom Refrain her passt es schon. Sänger Andy Derris steht fast permanent am Bühnenrand um die Meute zu bändigen, und die geht richtig steil.
Glücklicherweise für mich haben HELLOWEEN viel altes Zeug wie „Eagle Fly Free", „March Of Time", „I'm Alive", „Future World" und „I Want Out" in der Setlist. Neben dem Gitarrensolo von Sascha Gerstner hat mir das Medley „Keeper Of The Seven Keys / King For A 1000 Years / Halloween" besonders gut gefallen.

Jetzt freuen sich alle auf WHITESNAKE, die ja ein paar "special guests" angekündigt haben, auf die im Vorfeld alle sehr gespannt waren. David Coverdale und Co. erwischen einen Traumstart mit „My Generation" und „Best Years", denn der Sound ist einfach der Hammer – glasklar und druckvoll. David Coverdale ist stimmlich voll auf der Höhe und wirbelt den Mikroständer schwingend über den Laufsteg, der weit ins Publikum ragt.
„Give Me All Your Love", „Love Ain't No Stranger" und „Is This Love" zeigen eine sehr spielfreudige Band, die ein wahres Hitfeuerwerk abbrennt. „Steal Your Heart", „Forevermore" und „Love Will Set You Free" zünden nicht weniger.
Und dann? Ja dann passiert das, wofür WHITESNAKE in den letzten Jahren schon oft genug Kritik einstecken mussten: Eine endlos lange Solo-Arie der Gitarristen Reb Beach und Doug Aldridge. Beides absolute Könner an ihren Instrumenten, aber auf einem Festival will ich einfach keine 20 Minuten langen Soli hören, auch wenn ich es cool fand, dass Doug Aldridge in sein Solo kurz „Still Got The Blues" von GARY MOORE und „Man On A Silver Mountain" von RONNIE JAMES DIO einbaute, um den beiden verstorbenen Legenden zu gedenken. Und dann kommt nach „My Evil Ways" noch direkt ein Drumsolo, bei dem dann endgültig viele Fans die Nerven verlieren und gen Ausgang oder Bierstand wanken. Lieber David, bei aller Klasse, das braucht kein Mensch.
Nach dem Drumsolo folgt „Ain't No Love In The Heart Of The City" mit dem ersten special guest Bernie Marsden, der auch für „Fool For Your Lovin'" auf der Bühne bleiben darf. Es folgen „Here I Go Again" und „Still Of The Night", bei denen sich zu Bernie Marsden der zweite special guest gesellt: Adrian Vandenberg. Jetzt weiß ich zumindest schon, dass mein erhoffter "guest" John Sykes nicht mit dabei sein wird, was eine leichte Enttäuschung hervorruft. Wirklich gerechnet hatte ich zwar nicht damit, aber gehofft habe ich ja bis zum Schluss. „We Wish You Well" ist dann der Schlusspunkt. Ohne die lange Solo-Arie wären WHITESNAKE mit dem Headliner vom Vortag JUDAS PRIEST auf Augenhöhe gewesen, aber so hat der Metal God mit seinen Jungens im Vergleich leicht die Nase vorn.


Samstag, 11.06.2011


Es gibt wohl kaum einen Metaller, der in den 80ern nicht ein Poster von einer der wenigen Frauen in der Szene an der Wand pappen hatte. „The metal queen is back!" schreit mir von etlichen T-Shirts entgegen, bereits lange bevor die Powerfrau aus Kanada die Rock Stage entert. Pünktlich um 12:00 kommen LEE AARON und ihre Band auf die Bühne, und wie bei JOAN JETT kann ich auch hier nur den Hut ziehen (oder den Chirurgen bewundern), denn auch LEE AARON sieht blendend aus und ist trotz langer Bühnenabstinenz, zumindest was den Metal angeht, sofort im Thema drin.
„Powerline", „Concrete & Ice" und „Hands On", besser kann es kaum losgehen. Die Band spielt übrigens komplett auf geliehenem Equipment, da die bandeigenen Instrumente irgendwo auf dem Weg am Flughafen abhanden gekommen sind. Die Ballade „Barely Holding On" setzt Maßstäbe, „Watcha Do To My Body", natürlich „Metal Queen" und „Bad Boyfriend" sorgen für viel Jubel unter den zahlreich angetretenen Fans.
Auf der Rockklassiker Stage dürfen GODA GRANNAR – was so viel wie "gute Nachbarn" heißt – ran. Die Band rockt mit Akkordeon, Standbass und Banjo Songs von THIN LIZZY oder ZZ TOP und macht das richtig gut. 2007 ist GODA GRANNAR noch über die Zeltplätze gezogen und hat für die Fans vor deren Zelt gespielt.

„The South Will Rise Again" heißt es dann auf der Sweden Stage, als MOLLY HATCHET die Bühne entern und loslegen wie die Feuerwehr. Vom ersten Ton an ist es unglaublich, wie viel Spaß die Band auf der Bühne hat. Wenn Gitarrist Bobby Ingram keine Ohren hätte, würde er wohl komplett im Kreis grinsen, und auch Sänger Phil McCormack legt einen Bewegungsdrang an den Tag, den man ihm bei seinem immer größer werdenden Wohlstandsbäuchlein kaum zutrauen würde.
Musikalisch mit einem richtig fetten Sound ausgestattet, rocken „Whiskey Man", „Bounty Hunter", „Live Til I Die", „Flirtin With Disaster" oder „Been To Heaven – Been To Hell" so was von genial, dass MOLLY HATCHET für mich jetzt schon das Prädikat „Überraschung des Festivals" verpasst bekommen.
RHAPSODY OF FIRE sind dann keine so große Überraschung, weil ich die Band um Ausnahme-Gitarrist Luca Turilli genauso erwartet habe: pompös, technisch auf allen Positionen hochklassig besetzt und mit Fabio Lione einen absoluten Ausnahmesänger in ihren Reihen. Vor der Sweden Stage ist es richtig voll, und die Italiener profitieren von einem hammermäßigen Sound, für den man dem Soundmann einen Orden verleihen sollte. „Triumph Or Agony", „Dawn Of Victory", „Holy Thunderforce" und mein Lieblingssong aus RHAPSODY-Zeiten "Unholy Warcry" sind die Highlights für mich in einem ganz starken Set.

BLACK LABEL SOCIETY habe ich dann ehrlicherweise nur aus der Ferne mitbekommen, weil irgendwann ja auch mal was Festes in den Magen muss, aber per Videoleinwand habe ich „Funeral Bell", „Darkest Days", „Fire It Up" und das megastarke Gitarrensolo von Zakk Wylde trotzdem nicht verpasst. Vor der Festival Stage war es megavoll und die Reaktionen sehr laut, also muss die Band verdammt gut gewesen sein.
Danach war es zum ersten mal richtig doof, was das Billing angeht, denn HAWKWIND, RAGE mit einem Akustic Set und THIN LIZZY spielten zeitgleich. Alle drei Bands hätte ich verdammt gerne gesehen, habe mich aber natürlich letztendlich für THIN LIZZY entschieden. Vivian Campbell war leider nicht dabei, da er mit DEF LEPPARD unterwegs ist. Für ihn spielte Richard Fortus die zweite Gitarre neben Scott Gorham, und das verdammt gut.
Gerüchte, die kurz vor dem Gig von einer schweren Erkrankung Ricky Warwicks die Runde machen, bestätigen sich zum Glück nicht.
Der Mann, der John Sykes beerbte, wird als Frontman der Band immer routinierter. Sound, Licht und Stimmung sind perfekt, und vor allem die Megakracher „The Boys Are Back In Town" und „Whiskey In The Jar" werden von gut 20.000 Fans lautstark mitgesungen. Ich hab' wie immer Spaß in den Backen, weil ich mich freue wie ein Kind, dass Songs wie „Emerald", „Black Rose", „Dancing In The Moonlight", „Still In Love With You" oder „Don't Believe A Word" trotz der Jahre, die sie auf dem Buckel haben, immer noch solche Reaktionen selbst bei ganz jungen Fans hervorrufen können. Vor „Rosalie" gedenkt Ricky Warwick noch einmal Phil Lynott und Gary Moore, was mich natürlich besonders freut. Am Rande sei noch bemerkt, dass Ken Hammer, Gitarrist von PRETTY MAIDS, mittendrin im Pulk vor der Bühne zwischen den Fans steht und die Band lautstark abfeiert. Cool.

Wenn ein einziger Mann im Spotlight auf der Bühne auftaucht und laut „Let the madness begin" skandiert, dann kann es sich nur um OZZY OSBOURNE handeln. Mit „I Don't Know" steigen der Prince Of Darkness und seine Mannen in ein atemberaubendes Konzert ein. Ich hab' ja im Vorfeld mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass OZZY so gut drauf ist. Der Madman rennt die Bühne – ok, in seiner ihm eigenen Art und Weise – auf und ab, spielt mit dem Publikum, springt, tobt und singt dabei sogar noch gut! Das habe ich von Ozzy definitiv auch schon anders gesehen. Und spätestens nach dem zweiten Song „Suicide Solution" fressen ihm die 33.000 Fans vor der Bühne aus der Hand. Was dann wiederum OZZY total zu begeistern scheint, wenn man sein breites Lachen richtig deutet.
„Mr. Crowley, „Goodbye To Romance" und "Bark At The Moon" folgen, und schon jetzt steht für mich fest, dass OZZY die beiden anderen Headliner der Tage zuvor locker in Tasche steckt. GUS G. – der FIREWIND Gitarrist, der Zakk Wylde als Sideman von Ozzy ablöste – spielt ein absolut souveränes Brett und ist ein würdiger Nachfolger von Zakk, was er während der Soloeinlage „Rat Salad", bei dem auch Drummer Tommy Clufetos sein Können zum Besten gibt, unter Beweis stellt. „Road To Nowhere", „Shot In The Dark" „Iron Man" und „Fairies Wear Boots" kann man nur als atemberaubend bezeichnen.
In der Form kann Ozzy gerne noch 20 Jahre weiter machen, denn ich habe lange keine Show mehr gesehen, in der ein Publikum so erobert wird, wie an diesem Abend. „I Don't Wanna Change The World" und das geniale „Crazy Train" beenden die offizielle Show, und ich kann kaum glauben, dass schon fast zwei Stunden 'rum sein sollen. „Mama I'm Coming Home" wird von über 30.000 Kehlen mitgesungen, und mit einem bombastischen „Paranoid" verabschiedet sich der Mann, den vor ein paar Jahren kaum noch jemand ernsthaft auf der Rechnung hatte. Was für ein Abend – einen besseren und gelungeneren Abschluss hätte dieses tolle Festival nicht haben können.


Fazit:
Das Sweden Rock ist und bleibt DAS Vorzeigefestival in Europa. Nicht nur, dass die Stimmung hier so ausgeglichen wie die Setlist ist, hier passt einfach alles. Man kann den Organisatoren nur gratulieren, wie sie es jedes Jahr schaffen, eine so tolle Infrastruktur zu schaffen. Auch die Security sei an dieser Stelle mal erwähnt, die völlig entspannt agiert und immer zur Stelle ist, aber das total unauffällig.
Das Kirmesfahrgeschäft, das in diesem Jahr am Rande des Geländes aufgestellt wurde, sah zwar im Dunkeln schön aus, aber viele Besucher habe ich nicht darauf gesehen. Das Bier wurde zwar nicht teurer, aber dafür kleiner, was uns dann irgendwann auch mal aufgefallen ist. Ansonsten sind die Preise für Essen und Trinken absolut ok. Und bis auf den Mittwoch Abend passte sogar das Wetter. Festivalherz, was willst du mehr? Mir ist es eigentlich schon fast egal, welche Bands bestätigt werden. Wenn es irgendwie machbar ist, bin ich 2012 wieder mit dabei. Danke, Sweden Rock!

http://www.swedenrock.com

Fotos (c) BurnYourEars / Dirk Goetze

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