Geschrieben von Donnerstag, 07 August 2008 16:59

Propagandhi, Rentokill & Kafkas - Bochum / Matrix




 
Bochum, 07.08.08 – Zwei Hypothesen, die ich mir vorher überlegt habe, sind definitiv als richtig einzustufen: 1) Endlich mal wieder ein PunkRock-Konzert, also keine Seitengescheitelten mit Piercing in der Unterlippe, die mir ihre neuesten Karate-Moves in unmittelbarer Nähe meines Gesichtes vorführen wollen, und 2) mal wieder ein Gig in der Matrix, was wohl zu vermehrter Transpiration führen wird – und das war noch stark untertrieben.
Da wir nicht ganz so pünktlich aus Dülmen weggekommen sind, war eh klar, dass wir die erste Band NEIN NEIN NEIN verpassen würden. Da ich noch nie was von der Band gehört hatte, war es auch kein großes Unglück – ignorance is bliss! Auf der Fahrt hatten wir uns auch schon gefragt, wie gut die Matrix wohl an diesem Donnerstag-Abend besucht sein würde. Die feinen Herren aus Kanada waren ja nun schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr in Deutschland (ich hatte sie zum Beispiel noch nie vorher live gesehen). Kommen jetzt also richtig viele Zuschauer, um die jahrelange Abstinenz zu kompensieren, oder waren PROPAGANDHI mittlerweile vom deutschen Konzertpublikum vergessen worden? Aber bereits der erste Blick auf den Eingangsbereich vor der Matrix beantwortete alles: da war doch im strömenden Regen eine riesen Schlange…  Verdammt! Aber nachdem wir endlich einen Parkplatz gefunden hatten (der von der Matrix war hoffnungslos zugeparkt und die Tiefgarage des nahe liegenden Supermarktes schließt um 10 Uhr, wie wir glücklicherweise im letzten Augenblick noch mitbekommen haben), war das Problem auch schon so gut wie gegessen. Und nachdem man bereits die ersten bekannten Gesichter ausmachen konnte, war man auch schon drin in Deutschlands lautester Sauna.
Zu RENTOKILL hatte ich schon einige euphorische Meinungen gelesen, und ehrlich gesagt haben mir die Ösis das auch ein wenig bestätigt. Wunderbar melodischer Punkrock mit leichten HC-Einflüssen und schöner, politischer Kante. Man merkte den vier Jungs ihr Engagement an, und es wirkte in keiner Form aufgesetzt – schön, dass es doch noch um Inhalte gehen kann. Neben der erfreulichen Geisteshaltung der Österreicher fiel mir auch die Verteilung des Gesanges positiv auf, da im Endeffekt drei Sänger an Werk waren und so für Abwechslung und Bewegung auf der Bühne sorgten. Schön zu sehen, dass auch im Jahre 2008 MelodyCore kein Kinderkram sein muss, sondern absolut gelungen und punkig aus den Boxen schallen kann. Allerdings kündigte sich im jetzt bereits gut gefüllten Gewölbe (die Band selber war extrem positiv von der Besucherzahl und der mehr als positiven Resonanz begeistert) schon mal der übliche Klimaschock innerhalb der Matrix an. Aber so richtig sollte ich das erst nach dem Konzert bemerken.
Danach kamen alte Bekannte auf die Bühne: die KAFKAS. Zu meiner Deutschpunkphase mochte ich „Sklavenautomat“ ziemlich, aber schon damals konnte ich ihren Live-Auftritten nicht sonderlich viel abgewinnen. Da passierte einfach zu wenig, und vor allem der Basser wirkte immer so, als hätte er erst gestern dieses Instrument in die Hand genommen. Wie wird sich das ganze jetzt, ungefähr 10 Jahre später, präsentieren? Von dem bisschen, was ich gesehen habe, zu urteilen: genau so. Wieder einmal wirkte die Band wie ein Lückenfüller zum Headliner (damals habe ich sie auch diverse Male in der Rolle der „ungeliebten Vorband“ erlebt) – und sie wussten das auch selber. Und meine Güte, der Bassist schien immer noch exakt die gleichen Unsicherheiten zu haben. Ob das ganze jetzt aber wirklich so war, wie ich das grade ausmale, kann ich gar nicht sagen. Denn nach 1 ½  Songs hatten meine Begleiter keine Lust mehr auf die Band, und wir verzogen uns eine Etage höher, genehmigten uns Kaltschalen und unterhielten uns mit den Kollegen von CELLARDOOR, die auch samt Fahrer angetreten waren, um sich die Könige des politischen Punk/HCs anzusehen.
Und mit PROPAGANDHI ging es dann glücklicherweise auch weiter. Meine Güte, wie lange habe ich darauf gewartet, die Jungs mal live zu sehen. Allerdings war ich auch etwas überrascht, dass sie zu viert auf der Bühne waren und somit eine Klampfe mehr zur Verfügung hatten. Aber das stand den Kanadiern ziemlich gut, den so konnten einige Parts in der Tat fetter und originaler (sprich: wie auf CD) gespielt werden. Vor allem konnten sogar streckenweise Soli gedoppelt werden, was ich ja nun wirklich nicht erwartet hatte. Und "erwartet“ wurden die Kanadier nicht nur von mir. Denn mindestens 50 Prozent der absolut geilen Stimmung ging auf das Konto des Publikums, welches bereits beim Auflaufen der Band nahezu ausrastete. Da habe nicht nur ich lange warten müssen…
Mit „A Speculative Fiction“ ging es los, und dann gab es auch schon kein Halten mehr. Die Band spielte Songs aus jeder Bandphase und machte grade mit vielen älteren Songs die Meute glücklich. Nein, „Ska Sucks“ wurde natürlich nicht gespielt, dafür aber „Fuck Religion“ (ihr wisst schon, was ich meine…), was mich vollkommen umgehauen hat. Allerdings ahnte ich nicht, dass sie direkt und ohne Pause „Rio De San Atlanto, Manitoba“ dranhängen würden... Auf einmal sah ich mich, als allgemeiner Pit-Aus-Dem-Weg-Geher, wie ein Bescheuerter nach vorne preschen, Leute rüde zur Seite schieben und vorne angekommen vollkommen ausrasten. Meine Güte, was für eine Energie diese Band frei gesetzt hat! Als ich danach auf mein leichtes Dehydrationsproblem aufmerksam wurde, stellte ich mich erstmal an der Bar an. Und meine Güte – kühle Luft. Gehörte diese ganze Flüssigkeit an meinem Körper und in meiner Kleidung zu mir? Vermutlich der größte Teil... heftig. Aber ich wusste ja, wie heiß die Matrix wird. Vor allem, als ich zwei Meter von der Bar nach vorne ging und meine Brille beschlug. Um das ganze vorweg zu nehmen: ich habe nach dem Konzert Leute gesehen, die ihre T-Shirts wortwörtlich ausgewrungen haben. Ich selber sah auch aus, als wäre ich grade Schwimmen gewesen. Aber egal, denn das Konzert war einfach nur geil.

Zugegeben, die Band war etwas wortkarg und hätte gerne etwas mehr aus sich rausgehen dürfen (es ist ja nicht so, dass man sich jede Woche sehen würde…), aber dafür waren sie technisch brilliant. Und die Menge an Hits („Motor League“, „Die Jugend Marschiert – our only Song in German“, „Less talk more Rock“, „Fuck The Boarder“, “Purina Hall Of Fame” – bei dem ich eigentlich ein etwas längeres Solo erwartet hatte – undundund) war schon ziemlich beeindruckend. Und im Gegensatz zu einer Band wie ANTI-FLAG hielten sie keine großen Reden auf der Bühne (so wie man es sich aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung ja denken könnte), sondern rockten einfach drauf los – dafür ging ein Teil des Eintritt-Geldes an einen guten Zweck!
Nach ca. einer Stunde (glaube ich zumindest) und inklusive zweier Zugaben verabschiedeten sie sich dann, schüttelten einige Hände und verließen die Bühne. Schöne Show einer großen Band, an der ich lediglich die Reserviertheit der Mitglieder auszusetzen habe. Hoffentlich dauert es bis zur nächsten Tour nicht auch wieder so lange…


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