Slipknot - .5: The Gray Chapter Tipp

Slipknot - .5: The Gray Chapter
    Nu/Modern/Death/Thrash Metal

    Label: Roadrunenr/Warner
    VÖ: 24.10.2014
    Bewertung:9/10

    Slipknot im Web


Das erste Album seits sechs Jahren. Das erste Album ohne den 2010 verstorbenen Bassisten Paul Gray. Das erste Album ohne Drummer Joey Jordison, der 2012 aus der Band geworfen wurde. Bange Fragen: Klingen SLIKNOT jetzt wie STONE SOUR? Können die großen Lücken, die Gray und Jordison hinterlassen haben, gefüllt werden? Haben die Jungs aus Iowa ihre Daseinsberechtigung verloren? Klare Antworten: Nein. Ja. Und nein.

Das nicht nur im Titel dem verstorbenen Bassisten huldigende ".5: The Gray Chapter" ist – von zwei, drei "nur" soliden Ausnahmen abgesehen – ein solch starkes und aggressives Album, wie ich es der Band nicht mehr zugetraut hätte. Und gleichzeitig bietet es genau die richtige Dosis an durchdachten Melodien sowie einen unheimlichen Abwechslungsreichtum, der dafür sorgt, dass man auch beim zehnten, fünfzehnten Durchgang neue Details entdeckt. Oder man lässt sich von den messerscharfen Riffs, Taylors Vocals (der sämtliche Register zieht) und einer schieren Urgewalt einfach nur an die Wand blasen – wieder und wieder und wieder.

SLIPKNOT mussten einen langen Weg gehen, bis ".5: The Gray Chapter" endlich das Licht der Welt erblicken konnte. Es ist wohl ein kleines Wunder, dass mit James Root nicht noch das dritte langjährige Mitglied der Metaller aus Iowa die Brocken hingeschmissen hat oder rausgeworfen wurde, denn durch Spannungen mit Sänger Corey Taylor ist er zumindest nicht mehr länger Mitglied bei STONE SOUR. Umso beeindruckender sind die etwas mehr als 60 Minuten, die SLIPKNOT in 14 Songs aufgeteilt haben, denn in denen klingen die Amerikaner so stark nach einer Einheit wie selten zuvor.

Das macht sich auch in der mörderisch drückenden Produktion bemerkbar, die jedem Instrument seinen Raum lässt. Die Drums sind etwas in den Hintergrund gerückt, aber immer noch so kräftig und wuchtig, dass die Blastbeats einem regelmäßig die Rübe vom Körper hauen. Die Gitarren schneiden scharf, Percussions, Scratches und Effekte sind endlich mal wieder vernünftig zu hören. Und selbst der Bass pumpt im Mix sehr präsent (das hätten METALLICA in einer ähnlichen Situation auf "...And Justice For All" auch machen sollen...). Über allem thronen die wandelbaren Vocals von Corey Taylor, die in jeder, wirklich jeder Stimmlage einfach nur perfekt sind –vom leidenschaftlichen Heulen über melodischen Klargesang bis hin zu aggressiven Shouts.

Das Songwriting ist für mich genau der richtige Mix aus den extrem harten ersten Alben und den deutlich melodischeren letzten Outputs. Das verstörende Intro "IXI" (Corey Taylor klingt unglaublich fies und leidend), das abwechslungsreiche "Goodbye", das melodische "Killpop", der Thrasher "AOV" und der mächtige Ohrwurm" The Devil In I" stellen Melodien deutlich vor Geknüppel. Demgegenüber stehen "The Negative One", das fiebrig-kranke "Skeptic" und das unfassbar wütende "Custer", die SLIPKNOT von ihrer hässlichsten Seite zeigen. Der chaotische Opener "Sarcastophe", "Nomadic" oder "If Rain Is What You Want" verbinden beide Welten zu ungefähr gleichen Teilen.

Anhängern der ersten Stunde dürften trotz zahlreicher Killer-Riffs, Blastbeats, Death-Walzen und Thrash-Geprügel die Tracks immer noch viel zu seicht sein. Wer aber ein "Iowa" mit mehr Hooks und Melodien oder ein "All Hope Is Gone" mit mehr Metal erwartet hat, der liegt bei ".5: The Gray Chapter" goldtrichtig. Trotz oder wegen des schmerzlichen Verlusts von Paul Gray und des Rauswurfs von Joey Jordison klingen SLIPKNOT auf ihrem fünften Album mehr denn je wie eine Einheit und reifer als jemals zuvor. Eine bessere Mischung aus chaotisch-krankem Wut-Metal und düsteren Melodien gab und wird es 2014 nicht geben!