Mistur – In Memoriam Tipp

Mistur – In Memoriam
    Melodic Black Metal

    Label: Dark Essence Records
    VÖ: 29.04.16
    Bewertung:9/10

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Ganz schön lange haben sich die Nordmänner Zeit gelassen. Nach sieben Jahren kommt nun das zweite Scheibchen zur Welt, um uns mit epischen Melodien zu beschallen.
Ich muss gestehen, dass die Platte mindestens zwei Wochen lang jeden Tag mindestens einmal lief. Das Warten hat sich also gelohnt.

Düster klingt das Klavier, das erste Motiv wiederholt sich – und wird einen nicht mehr so schnell loslassen. Harscher Gesang begleitet das flotte Riffing und schon im Opener muss der Begriff der „singenden Gitarre“ fallen, wie er bei WINDIR eine außerordentliche Rolle gespielt hat.
Welch starke Hymne steht da am Anfang: episch ausladend, motivisch relativ schlicht gehalten und doch gibt es ausreichend Stoff, um die Lauscher zu weiten. Abgedroschene Phrasen, die mit Waldspaziergängen zu tun haben, würden sich auch hier anbieten. Einsam am Waldrand sitzend in eine weite Schneelandschaft schauen und die ausschweifend melancholischen Tonfolgen genießen, wie sie aus einer großen Wolke dröhnen – solche Metaphern könnte man auch benutzen.

Da wird es plötzlich böse. Völlig ohne Vorwarnung bricht in „Distant Peaks“ ein melodisches Black-Metal-Gewitter los, das die gemütliche Einsamkeit heftig aufrüttelt. Häufig übernehmen Keyboards die Hintergrundbemalung, sowie wunderbare Lead-Melodien, die zusammen mit hübschen Soli der wütenden Raserei ein schwarzes Negligé verpassen.
Interessante Rhythmus-Riffs eröffnen den Song „Firstborn Son“, bevor abermals wohlklingendes Schwarzmetall geschmiedet wird. Dabei wird groovend gerockt, düster soliert und vieles mehr. So vergehen die zehn Minuten im Nu. Ach ja, von den sechs Songs ist der Opener mit gut sieben Minuten auch der kürzeste Titel. Aber das ist egal, denn die Platte funktioniert – von vorne bis hinten.

Manch einer bräuchte stellenweise Geduld, da sich so manche Motive mehrfach wiederholen oder ein Outro auch mal etwas dauern kann. Doch all das dient der Songstruktur, und jedes Mal baut sich das Instrumentarium auf oder ab, bevor die nächste Variation auftritt.
Nicht unerwähnt soll auch der epische Klargesang bleiben, der immer wieder als Chor oder einzeln dargeboten wird. Eine wohlige Gänsehaut bekommt man, als gegen Ende von „Matriarch’s Lament“ der Mann am Mikro eine Art Heimatmelodie zelebriert.

Bei den letzten beiden Elfminütern muss man nicht ins Detail gehen. Die Zutaten sind bekannt. Und auch hier wird die Spannung über die stattliche Länge hinweg aufrechterhalten.
Tolle Klavier-Modulationen im Schlusstrack „Tears Of Remembrance“ werden von der Gitarre aufgegriffen und vervielfältigt, bis hin zur Stakkato-Variante. Dabei laden sie prima zum Tagträumen ein.

MISTUR haben ihr eigenes Gesicht, auch wenn manche Trademarks im Vergleich mit der „Vorgänger-Band“ nicht abzustreiten sind. Zu dem epischen Menü der Norweger empfehle ich ein ordentliches Glas Talisker Storm.
Irgendwie gelingt es dieser Nordmannschaft, jedem Song seinen eigenen Charakter zu verleihen und dabei alle sechs zusammen als Einheit zu präsentieren. Episch, nordisch, kühl und schön! Ein starkes Stück!