Zeal & Ardor - Stranger Fruit Tipp

Zeal & Ardor - Stranger Fruit
    Gospel / Soul / Blues / Black Metal

    Label: Radicalis Music / MVKA
    VÖ: 08.06.2018
    Bewertung:8/10

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Ehm…Moment mal, eine Mischung aus Gospel und Black Metal? Wie soll denn das gehen? Ebenso schwer, wie sich diese interessante und auch innovative Genrekombination von Mastermind Manuel Gagneux vorzustellen ist, ist diese ganz besondere Art von Musik auch zu beschreiben.

„Stranger Fruit“ ist gerade einmal das zweite Album von ZEAL & ARDOR. Und ja, Black Metal ist auf der Scheibe ordentlich vorhanden – wobei man das „Black“ wohl wortwörtlich nehmen muss, denn thematisiert wird ein Gedankenexperiment, bei dem die Sklaven, also die schwarze Bevölkerung damals in Amerika, Satan und nicht Gott in ihrer menschenunwürdigen Lage um Hilfe bitten.

Während auf dem Debütalbum „Devil Is Fine“ die Verflechtung der Genres noch nicht wirklich gelungen ist, zeigt sich eine enorm positive Entwicklung auf dem zweiten Album. Anstatt einer puren Aneinanderreihung der verschiedenen Ideen, werden die Elemente geschichtet und ergeben somit ein sehr stimmiges Werk.

Zwischen ruhigem Blues und harten Black-Metal-Blastbeats und mysteriösen und fabelhaften Orgelsynthies bewegt sich „Stranger Fruits“ und bietet nicht nur Diversität durch die verschiedene Gewichtung der Genres bei den einzelnen Liedern, sondern auch durch die unterschiedlichen Kompositionsweisen: Von klassischem Songwriting eines Blues- oder Soul-Songs bis hin zur Nutzung gesprochener Wörter als rhythmisches Element, auf dem das Instrumental die Melodie beherrscht, ist alles zu finden.

Was wäre gewesen, wenn ...

Auf der Scheibe erzählt Gagneux eine bitter-düstere Geschichte: Im „Intro“ findet man sich auf einem Acker im Süden der USA wieder. Die Sonne brennt heiß auf die Schultern und mit Spitzhacke bewaffnet lockert man mit den anderen Sklaven die ausgedörrte Erde. Plötzlich beginnt einer der Arbeiter an, eine Melodie zu summen und alle stimmen ein – ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt sich. Etwas muss doch gegen diesen suppressiven Sklavenhalter unternommen werden! Und prompt wird seine Leiche in „Gravedigger’s Chant“ (wohl dem eindrucksvollsten Track) verscharrt.

Es wird klar: Man darf sich diese Ungerechtigkeit nicht gefallen lassen! Die Wut äußert sich in den zunehmenden Black-Metal-Anteilen und den immer schnelleren Blastbeats. Nach einer ruhigen Einlage mit „The Hermit“, begeben sich die Sklaven auf die Flucht aufs Schiff. Dabei spitzt sich die Musik auf einen epischen, ekelhaft erregenden Höhepunkt zu, bei dem die Sklaven (vermutlich) dennoch scheitern, ihrem Schicksal zu entkommen.

Die Reise endet mit den Orgelsounds einer satanistischen Spieluhr, deren Beat immer poppiger wird und sich irgendwo an der Grenze von niedlich und unheimlich befindet. Und genau ab diesem Instrumental „The Fool“ scheinen Gagneux die Ideen ausgegangen zu sein. Doch anstatt es bei den 11 Tracks zu belassen, füllte er das Album mit noch weiteren fünf Songs, die allesamt nicht in das Raster zu passen scheinen.

Experimente sind erwünscht!

Schlecht sind diese letzten Songs nicht. Die recht kurzen, experimentellen Lieder, in denen wohl die Möglichkeiten der völlig neuen kompositorischen Freiheit ausgekostet werden, beweisen, dass man mit der Grundlage, von der Gagneux ausgegangen ist, einiges anstellen kann und der Metal einiges mehr zu bieten hat, als man vielleicht denken mag. Dennoch hätte er diese Ideenschnipsel eventuell vorerst ausreifen lassen und zu richtigen Tracks heranwachsen lassen können, bevor er das Licht der Öffentlichkeit an sie heran ließ.

Fazit

So etwas wie ZEAL & ARDOR habe ich in meiner gesamten musikalischen Laufbahn noch nie kennengelernt. Mit seinem unglaublichem Ohrwurm- und Suchtfaktor bekommt man „Stranger Fruit“ wochenlang nicht mehr aus dem Kopf. Perfekt ist das Album nicht, denn manche Menschen haben anstatt zu wenig viel zu viele Ideen, weshalb man die Anzahl der Songs vielleicht erstmal hätte reduzieren können.

Dennoch, ZEAL & ARDOR ist ein Prozess, ein musikalisches Experiment, das den Gedanken eines einzigen Mannes entsprungen ist, der immer weiter an der Perfektionierung seiner Idee arbeitet und diese Ambition wird er hoffentlich noch weiterhin behalten. Unbekanntes, Fremdes fesselt immer und wird auch immer Willkommen sein – und das ist definitiv ein Album, das Aufmerksamkeit verdient hat.

Tracklist:

1. INTRO
2. GRAVEDIGGER'S CHANT
3. SERVANTS
4. DON'T YOU DARE
5. FIRE OF MOTION
6. THE HERMIT
7. ROW ROW
8. SHIP ON FIRE
9. WASTE
10. YOU AIN'T COMING BACK
11. THE FOOL
12. WE CAN'T BE FOUND
13. STRANGER FRUIT
14. SOLVE
15. COAGULA
16. BUILT ON ASHES