Lullacry - Where Angels Fear

Lullacry where angels fear

Stil (Spielzeit): Gothic Metal/Rock (45:06)
Label/Vertrieb: Audioglobe/Soulfood (27.04.2012)
Bewertung: 6/10

lullacry.com

Es gibt Geheimtipps, die man sich mal auf Verdacht kauft, weil ein Magazin die Scheibe in den Himmel lobt. Beim Hören will man auf die Knie fallen und dem Rezensenten dafür danken, dass er einen auf eine Scheibe brachte, die auch zehn Jahre nach ihrer Veröffentlichung kein bisschen an Qualität eingebucht hat. So ging es mir im Jahre 2001 mit "Be My God" von LULLACRY, das für mich auch heute noch eines der besten Gothic Metal-Alben aller Zeiten darstellt, weil einfach alles auf der Scheibe stimmt: Die typisch finnische Melancholie, die rockige und gleichermaßen melodische Röhre von Frontfrau Tanya und Melodien, zum Sterben schön und anbetungswürdig. Und jetzt, sieben Jahre nach dem letzten Longplayer "Vol. 4", veröffentlichen LULLACRY, die seit 2002 mit Tanja Lainio über eine neue Frontfrau verfügen, endlich ein neues Album.

Den Wechsel der Frontfrau habe ich seinerzeit gar nicht so richtig mitbekommen, da ich es immer versäumt habe, mir "Crucify My Heart" und eben "Vol. 4" anzuhören – vielleicht aus Angst, dass nach "Be My God" nichts gleichwertiges veröffentlicht werden kann. Zumindest im Falle von "Where Angels Fear" sehe ich meine Befürchtungen bestätigt: Mit der Genialität von "Be My God" hat der neue Output der Finnen nicht mehr viel zu tun. Das liegt sowohl an Sängerin Tanja Laionio, die zwar technisch einen ordentlichen Job macht, mit ihrer dünnen Stimme ihrer Vorgängerin aber nicht das Wasser reichen kann, als auch am Songwriting, welches das typische "Hach, ist das geil"-Gefühl vermissen lässt – und zwar zu oft, als dass man hier von Ausnahmen reden könnte. Das gute "Antidote To You", das schwere, traurige "A Thousand Suns", "Feel My Revenge", "Gone Are The Days" und "I Am" lassen erkennen, dass hinter "Where Angels Fear" immer noch (fast) dieselben Leute stecken wie hinter "Be My God".

Davon abgesehen herrscht für Freunde gepflegter finnischer Melancholie leider magere Kost: Weder sind die schnellen, harten Nummern so brachial wie noch Anfang 2000, noch sind die Balladen so herzergreifend wie ein "Into Your Heart". Stattdessen wird durchschnittliche Kost abgeliefert, die nicht unbedingt schlecht ist, aber eben auch alles andere als zwingend. Es fehlen einfach die Killermelodien, die LULLACRY zu etwas ganz besonderem gemacht haben.

Einem Meisterwerk wie "Be My God" einen adäquaten Nachfolger an die Seite zu stellen, ist LULLACRY zumindest mit "Where Angels Fear" nicht geglückt. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch, vielleicht sind die beiden Vorgänger das, was ich eigentlich von LULLACRY hören wollte. So oder so bleibt "Where Angels Fear" ein leicht zugängliches, aber uninspiriertes Gothic Rock/Metal-Werk mit deutlich zu rar gesäten hörenswerten Momenten und einem furchtbaren Cover.

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