Paradise Lost - Tragic Idol Tipp

Paradise Lost Tragic Idol

Stil (Spielzeit): Gothic Metal (46:00)
Label/Vertrieb (VÖ): Century Media (20.04.2012)
Bewertung: 9/10

paradiselost.co.uk

Neun Punkte für "Faith Divides Us, Love Unites Us" waren definitiv ein bis anderthalb zu viel und im Nachhinein eine Fehleinschätzung, auch wenn das gute Album PARADISE LOST weiter auf den richtigen Kurs (zurück-) gebracht hat. Laut Note wäre die neue Scheibe eigentlich genauso gut wie der Vorgänger. Ist sie aber nicht. "Tragic Idol" ist weit besser!

Vom Death-/Doom-Beginn der Bandkarriere über stilprägende Klassiker ("Icon", "Draconian Times") und poppige Electroausflüge ("Host", "Believe In Nothing") bis hin zu den letzten, wieder härteren Outputs haben die Briten eine weite Reise hinter sich. Spätestens mit dieser CD haben sie wieder zu ihrem ureigenen Sound gefunden. Nein, das ist nicht ganz korrekt, denn PARADISE LOST orientieren sich zwar so deutlich wie seit 15 Jahren nicht mehr an ihren Klassikern, haben sich aber hörbar weiter entwickelt. Trotzdem, oder auch gerade weil viele der "Tragic Idol"-Nummern so sehr an die Neunziger-Meisterwerke erinnern, ist das zwölfte Studioalbum der Truppe aus Halifax ein richtig genialer Düsterhammer. Nennt es Revival, Comeback oder PARADISE LOST 2.0: Mit "Tragic Idol" nähert sich das Quartett seiner ruhmreichen Geschichte so weit an, wie es ohne sich selbst zu wiederholen möglich ist. Wenn man als Band einfach wieder Bock auf etwas ganz Ähnliches hat, was man früher so perfekt beherrschte, muss das ja nicht unbedingt gut gehen. Im Falle von PARADISE LOST tut es das aber. "Tragic Idol" steckt wie die Klassiker voller Schwermut und Düsternis. Es wird getragen von Greg Mackintoshs fantastischer Leadgitarre, die die besten Melodien seit vielen, vielen Jahren abwirft, und Nick Holmes' Vocals, die so rau wie lange nicht mehr klingen. Auf allzu hohe Tonlagen verzichtet der Sänger, doch gerade die tiefen, kräftigen Vocals sorgen für eine zusätzlich morbide Stimmung. Die fetten Riffs, die sich Aaron Aedy und Mackintosh aus dem Ärmel schütteln, hätten streckenweise auch zu VALLENFYRE gepasst, Mackintoshs oldschooligem Death Metal-Projekt. Hier schließt sich der Kreis.

Wer sich den Ohrwurm "Honesty In Death", die famosen Melodiebögen in "In This We Dwell", "Fear Of Impending Hell" oder das erhabene "Worth Fighting For" anhört, bekommt PARADISE LOST in Reinform. Trocken, klar und mächtig produziert sorgt "Tragic Idol" für Regen, für Nebel und Wolken, für bittersüße Momente, für quälende Glückseligkeit. Bombastische Elemente und elektronische Spielereien lassen sich auf dem neuesten PARADISE LOST-Werk nur noch erahnen, die zehn Songs sind herrlich straight und zumeist simpel. Nur der brettharte Einstieg "Solitary One" ist vertrackter und erschließt sich nicht sofort, belohnt den Hörer nach mehrmaligem Hören aber mit wundervoll schmerzhaften Momenten und einer Stimmung, an der man sofort heraus hören kann, wer hier am Werke ist.

Damit erfüllen PARADISE LOST ihren Auftrag nicht nur pflichtgemäß, sondern auf typisch unnachahmliche Weise und höchstem Niveau. Die Briten beschwören eine ganz eigene Schwermut und Melancholie herauf, und das mit der größtmöglichen Intensität, die man sich wünschen kann. Ganz nebenbei stechen sie selbst ihre letzten zwei, drei mehr als nur gutklassigen Alben aus und erleben ihren zweiten musikalischen Frühling (oder doch eher Herbst?). Must-Have!