Manowar - The Lord Of Steel

Manowar-The-Lord-of-Steel

Stil (Spielzeit): True Metal (47:40)
Label/Vertrieb (VÖ): Magic Circle Music (16.06.12)
Bewertung: 6,5/10

manowar.com

Ein MANOWAR-Album objektiv zu beurteilen ist nicht nur schwierig, sondern unmöglich. Die bisherigen Rezensionen zu "The Lord Of Steel" sind meist einseitige Lobeshymnen eingefleischter Hardcore-Anhänger oder voreingenommene Hasskommentare verprellter Ex-Fans. Ich gehöre weder zur ersten noch zur zweiten Sorte, liebe und schätze sowohl die alten Großtaten wie auch "Louder Than Hell", betrachte die Entwicklung der Band spätestens nach "Warriors Of The World" aber sehr kritisch - ganz zu schweigen von den mittlerweile nur noch peinlichen Aussagen eines gewissen Joey DeMaio, der ständig für Fremdschämfaktor hoch zehn sorgt.

Kaum etwas, das die selbsternannten Kings Of Metal in den letzten Jahren fabriziert haben, konnte mich wirklich überzeugen, auch wenn die Hoffnung nie ganz gestorben ist. Denn selbst auf dem Quasi-Hörspiel und bisherigen Tiefpunkt "Gods Of War" kristallisierten sich noch ein paar ganz gute Nummern heraus. Widmen wir uns daher vorsichtig dem zwölften Studioalbum, das bisher nur digital und ab Ende Juni als Beilage des britischen Metal Hammers erhältlich ist. Das erschreckend einfallslose Cover ist schnell abgehakt (vielleicht wird ja der regulären Edition, die im September erscheinen soll, ein schönes Ken Kelly-Cover spendiert?), die Songtitel sind typisch MANOWAR, der Sound ist eine mittelschwere Katastrophe. "All songs written, engineered, recorded, edited and produced by Joey DeMaio" steht im digitalen Booklet, und genauso hört sich das Ergebnis leider auch an - nämlich wie das Ergebnis von jemandem, der einfach alle Instrumente selbst eingespielt oder programmiert und am Computer zurechtgebastelt hat.

Der Bass: Bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, steht weiter im Vordergrund als Drums, Gitarren und Vocals zusammen und beeinträchtigt den Hörgenuss extrem. Das Schlagzeug: Klingt nach Plastik, kalt, steril. Donnie Hamzik wird viel zu wenig Freiheit gelassen, zu selten darf sein abwechslungsreiches Schlagzeugspiel aufblitzen. Die Gitarren: Haben gegen den übel verzerrten Bass kaum eine Chance. Das wird besonders im Solo des Titeltracks deutlich, das beinahe völlig von dem wummernden Viersaiter übertönt wird. Das ist besonders schade, schüttelt sich Karl Logan doch einige richtig spritzige Riffs aus dem Ärmel. Und ja, auch ich mag die Soli von Ross The Boss lieber, einfach weil sie mehr Feeling und Seele besitzen. Karls Alleingänge sind technisch deutlich ausgeprägter (manche würden es als "Griffbrettgewichse" bezeichnen) und klingen einfach anders. Man sollte sich aber vor Augen halten, dass der Blondschopf bereits seit 18 Jahren und damit mehr als doppelt so lange zur Band gehört wie Ross. Zu guter Letzt die Vocals: Eric Adams ist seit jeher eine sichere Bank und die Konstante der Band. Das ist auch auf "The Lord Of Steel" nicht anders, selbst wenn kaum Screams zu hören sind, er mehr bellt als singt und überhaupt die höheren Tonlagen vermeidet. Charakteristisch und ausdrucksstark sind seine Vocals aber nach wie vor.

Bereits nach den ersten Songs fällt auf: Im Gegensatz zu "Gods Of War" kommt das neue Album völlig ohne Orchesterbombast und – zum ersten Mal seit "Into Glory Ride" – Instrumental aus. Stattdessen haben MANOWAR zehn schnörkellose Nummern aufgenommen, die im krassen Gegensatz zum Vorgänger stehen. Einzig Chöre und Keyboards, die vereinzelt für leichte Erhabenheit sorgen, sind geblieben. Insgesamt erinnert die Ausrichtung an "Louder Than Hell" von 1996, was nach dem über die letzten Jahre hinweg aufgebauten "Noch größer, noch majestätischer, noch bombastischer"-Anspruch ziemlich überrascht. Von dem, was sich MANOWAR eigentlich vorgenommen hatten (weitere Konzeptalben der Asgard-Saga, Zusammenarbeit mit Wolfgang Hohlbein), ist nichts mehr übrig geblieben. Rifforientierter Metal statt Keyboardorchester, Tempo und Drive statt Unterbrechungen durch Hörspielpassagen, aggressiver Gesang, straighte Riffs - "The Lord Of Steel" ist nicht nur aufgrund der unkonventionellen Veröffentlichungspolitik ein ungewöhnliches, weil so schon lange nicht mehr gehörtes Album. Die melancholische Halbballade "Righteous Glory" ist die einzige Ausnahme in Richtung Epik und definitiv ein Albumhighlight. Der Chorus, die Gesangsleistung von Eric Adams, die Atmosphäre - alles stimmt. Mit viel gutem Willen kann man selbst darüber hinweg sehen, dass die Amerikaner sich fleißig bei LED ZEPPELINs "Stairway To Heaven" bedienen.

Mit Ausnahme der sechsminütigen Halbballade finden sich auf "The Lord Of Steel" ansonsten nur Songs, die von der Doublebass nach vorne gepumpt werden, und entweder schnell oder im gehobenen Midtempo gehalten sind. Das kernige Riff des pfeilschnellen und eingängigen Titeltracks ist schon beinahe eine Offenbarung; das den Fans gewidmete "Manowarriors" überrascht mit einem rockigen Touch, den man seit "Battle Hymns" nicht mehr gehört hat, und Gangshouts im Refrain. Mit seinem melodischen Refrain (eine der besten Gesangsharmonien des gesamten Albums) besitzt auch "Touch The Sky" mehr Rock- als True Metal-Vibes. Das druckvolle "Expendable", in dem Hamzik endlich mal zeigen darf, dass er viel mehr als nur starres (von DeMaio vorgegebenes?) Doublebass-Gekloppe beherrscht, besitzt einen gehörigen Punch, während "El Gringo" für mich zuerst die Tradition an langweiligen, simpel aufgebauten Songs nach Schema F fortführte. Im Albumkontext stellt sich der Soundtrack-Beitrag aber als echte Wohltat heraus. Das Western-Thema haben MANOWAR schon mit Songs wie "Outlaw" behandelt, das ist also nichts Neues. Gesangslinie, Refrain, Riffs und die eingängige Gitarrenharmonie sind typisch MANOWAR, einzig die durchgängig benutzte Kirchenglocke nervt ein wenig.

Abgesehen von einigen allgemeinen Kritikpunkten (zu oft wiederholte Refrains, eintönige Drums, zu häufiges Bedienen aus der eigenen Vergangenheit, "Produktion") sind das gute bis starke Nummern, bei denen der Langzeittest zeigen wird, wie sie sich gegen älteres Material behaupten können. Was auf "Gods Of War" gefehlt hat, lässt auf "The Lord Of Steel" den Daumen aber wieder leicht nach oben zeigen: Drive, Power und Metal sind zurück. Allerdings trüben der durchschnittliche Vampir-Track "Born In A Grave", das doomige und von einer zu langen Instrumentalpassage eingeleitete "Black List", der Totalausfall "Annihilation" und "Hail, Kill And Die" den für mich überraschend positiven Eindruck des Albums.

Über die klischeetriefenden und simplen Songtexte braucht man sich nicht mehr aufzuregen - auch nicht über "Hail, Kill And Die", das in "Blood Of The Kings"-Manier mit Album-und Songtiteln spielt, gegen den "Kings Of Metal"-Abschluss sowohl textlich als auch musikalisch aber ganz kläglich den Kürzeren zieht. Wären die schwachen Songs zwei Klassen besser, die grausige Produktion auf "Battle Hymns MMXII"-Niveau, die Soli inspirierter, das Drumming variabler und würden die Songs Eric Adams mehr Spielraum zugestehen, hätte "The Lord Of Steel" die triumphale Rückkehr einer zuletzt arg angeschlagenen Band werden können. Aber trotz aller Kritikpunkte, und das soll die Essenz dieses Reviews sein: Die Formkurve zeigt erstmals nach langer Zeit wieder nach oben. Und damit hätten wohl die allerwenigsten (realistischen) Kritiker gerechnet.