Dragonforce - Inhuman Rampage


Review


Stil (Spielzeit): Speed-Power-Metal (56:07)
Label/Vertrieb (VÖ): Noise/Soulfood (13.01.06)
Bewertung: Schnell. Eingängig. Klasse. (8/10)
Link: www.dragonforce.com
Tragen Sie einen Herzschrittmacher? Missfallen Ihnen die Laute von Waschmaschinen im Schleudergang, Helikoptern oder Nähmaschinen? Schmeißen Sie Ihren Game Boy immer dann in die Ecke, wenn Super Mario es nach überstandenem Endgegner endlich ins Bonusspielchen geschafft hat? Neigen Sie zu Epilepsie? Stehen sie auf CANDLEMASS? Dann empfehlen wir Ihnen ganz offen, sich der unter dem Titel „Inhuman Rampage“ geführten, neuesten Veröffentlichung der Gruppe DRAGONFORCE keinesfalls auf Hörweite zu nähern, da andernfalls schwere gesundheitliche Schäden die Folge sein dürften. So, der Teil wäre abgehakt. Es folgt die Ansprache für alle Anderen, idealerweise Liebhaber anspruchsvollen Power-Metals:
Geht zum Schrank. Öffnet die Schatulle mit den Familienerbstücken. Nehmt Oppas güldene Manschettenknöpfe und tragt sie zum Pfandleiher. Mit den gewonnenen 150 Euro bewegt ihr euch in angemessenem Tempo zur Scheiblettenbude eurer Wahl. Dort angekommen bittet ihr den freundlichen Angestellten, euch zehn Exemplare des neuen DRAGONFORCE-Albums auszuhändigen. Ja, ZEHN! Diese verschenkt ihr an all eure Freunde. Dankenswerterweise solltet ihr daraufhin in zehn verschiedenen Testamenten äußerst wohlwollend bedacht werden, was euch in die glückliche Lage versetzen wird, diesen Vorgang beliebig oft zu wiederholen.
Spaß beiseite. Was DRAGONFORCE uns dieser Tage kredenzen, ist ganz großes Kino. Man braucht sich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, um zu behaupten, dass sich die bewährte Mischung aus klassischen Power-Metal-Elementen, brachial schnellen Doublebass-Gewittern, eingängigen Melodien und diesmal sogar vereinzelten Thrash- sowie Nu-Metal-Momenten verkaufen dürfte wie Wasserspender in der Sahara, zumal außerdem an der Gesamtproduktion nicht ein Funken auszusetzen ist. Das Motto heißt von der ersten Sekunde an „Druck“ in allen Instrumentengruppen. Dass DRAGONFORCE zudem spieltechnisch keine Gefangenen machen, hatten sie mit den beiden Vorgängeralben ja bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt, doch „Inhuman Rampage“ belegt darüber hinaus eine enorme Fortentwicklung in punkto Songwriting. Nie klangen die Engländer verspielter, experimentierfreudiger und gleichzeitig insgesamt schlüssiger.
Dabei macht gerade die Mischung aus epischer Größe, für sich genommen fast schon schmalzigen Mitsingparts und schierer, unglaublicher Geschwindigkeit den Reiz der Scheibe aus. Beispiele anführen zu wollen erscheint fast schon lächerlich – denn alle Stücke können als solche dienen. Ein erster Höhepunkt wird mit Storming The Burning Fields erreicht, weiterhin hervorzuheben das Gänsehaut erzeugende Cry For Eternity und die erfrischend andere Ballade – ja, Ballade – Trail Of Broken Hearts, die das Gesamtbild erfreulich stilvoll abzurunden weiß.
Doch kommt auch diese Rezension ganz ohne Kritik leider nicht aus: Wenn sich DRAGONFORCE auch in allen belangen auf höchstem Niveau bewegen, so lassen sie es doch gelegentlich ein wenig an Abwechslung vermissen, gerade im Bereich der Strophengestaltung. Aber gut, man hat eben im Grunde eine reinrassige Speed-Metal-Platte vor sich, wenn auch kräftig gewürzt mit diversen prickelnden Beigaben. Kurz gesagt: Wenig Groove, viel Drive. Wen dieses allerdings nicht stört, wird an „Inhuman Rampage“ sehr lange Freude haben. Und wem nach der anstehenden Tournee nicht ordentlich der Nacken brennt, ist vermutlich auch nicht mehr zu helfen – derjenige möge dann vielleicht doch erwägen, auf CANDLEMASS umzusatteln. Jedem Tierchen sein Pläsierchen.