Judas Priest - Firepower Tipp

Judas Priest - Firepower

Seit einem halben Jahrhundert sind JUDAS PRIEST untrennbar mit der Geschichte des Heavy Metal verwoben. Das wird sich auch mit Studioalbum Nummer 18, "Firepower", nicht ändern. Ganz dem knackigen Titel entsprechend feuern Halford, Tipton, Faulkner, Hill und Travis eine Stunde lang aus allen Rohren und zeigen dem Großteil der jungen (und alten) Konkurrenz, wie klassischer Metal zu klingen hat. 

Dass die Zeit nicht spurlos an dem Quintett vorbei gegangen ist, musste jüngst Gitarrist Glenn Tipton erfahren: Wegen seiner Parkinson-Erkrankung kann er seine Kollegen nicht mehr auf Tour begleiten. Doch obwohl man (natürlich) keine Songs a la "Painkiller" erwarten darf, machen JUDAS PRIEST auf ihrem neuen Album keine Gefangenen und gehen kompromisslos wie eh und je zu Werke.

"Firepower" ist der musikalische Inbegriff von "traditionell"

"With weapons drawn we claim the future / And then seep out through every storm": Passender als mit "Firepower" kann man kaum in ein traditionelles Heavy Metal-Album starten. Begleitet von einem sirenenhaften Schrei brettern Tipton und Faulkner mit einem klassischen Riff los, bevor Travis und Hill einsteigen und Halford die titelgebende Feuerkraft beschwört. Das treibende "Lightning Strike" erinnert im fantastischen Refrain und mit seinen harmonischen Leads überraschend deutlich an IRON MAIDEN und macht das perfekte Einstiegs-Doppel komplett.

"Evil Never Dies" wartet im Gegenzug mit bedrohlichen Riffs und subtilem Horror-Feeling, das durch den Zwischenteil mit Erzählcharakter zusätzlich an Stimmung gewinnt. Der Chorus ist simpel, aber effektiv. "Never The Heroes" überzeugt als mitreißende Midtempo-Hymne mit heroischem Refrain zum Fäuste recken und erstklassigen Melodien. Stadionrock trifft auf epischen Metal.

Streifzug durch die eigene Historie

Mächtige, diabolische Gitarren, schwebende Choräle und treibender Rhythmus prägen das diabolische "Necromancer". So würde es vermutlich klingen, wenn "Night Crawler" in der Spätneunziger-Ära mit Tim Ripper Owens aufgenommen worden wäre. Das satt groovende "Children Of The Sun" gefällt mit einem markant-rockigen Riffs, die Strophen spannen einen Bogen zu "Dragonaut". Mit dem spannenden Break nimmt die Dramatik des Songs mit hypnotischem Chorus weiter zu.

Das kurze Instrumental "Guardians" mit Pianoklängen und melancholischen Gitarren würde auch prächtig als Ausklang funktionieren, bereitet aber stattdessen den Weg für "Rising From Ruins", das wie ein 2018er Pendant zu "Blood Red Skies" wirkt. Treibende Riffs, packender Aufbau, Chorus, Strophen mit Akustikgitarren-Untermalung - das alles erinnert so sehr an die beste Nummer auf "Ram It Down", dass man sich Nostalgie-Tränen aus den Augenwinkeln wischen muss. Halfords gespenstisch gute Vocals, ein famoses Tipton-Faulkner-Duell und der mit dezenten Keyboards untermalte Instrumentalteil mit epischen Gitarrenleads machen aus dem fünfeinhalbminütigen Track die packendste Midtempo-Hymne auf "Firepower".

Ein heimliches Album-Highlight ist das beim ersten Hören recht unscheinbar wirkende "Flame Thrower". "Grinder" trifft auf Riffs, die zu den besten der Ripper-Ära gehört hätten, und ein unverschämt rockiges Break. Man fragt sich unweigerlich, wieso zum Teufel die Briten diese Nummer nicht schon vor 35 Jahren aufgenommen haben. Das schleppende "Spectre" schleicht "like thief in the night" aus den Boxen und versprüht mit doomigen Riffs, einem an MEGADETH erinnernden Zwischenteil und dramatischem Chorus eine düster-bedohliche Atmosphäre.

Im klassischen "Traitors Gate" besticht das Duo Tipton/Faulkner mit abwechslungsreicher Gitarrenarbeit, während Rob Halford mit einem ungewöhnlichen "Ohohoh"-Part überrascht. Das kurze, knackige "No Surrender" entpuppt sich mit kompromisslos pumpendem Bass, luftigen Riffs und Ohrwurm-Refrain als ins Jahr 2018 teleportierte Achtziger-Rock-Nummer, nur um gleich darauf von den tonnenschweren Grooves und doomigen Riffs in "Lone Wolf" kontrastiert zu werden, das klingt, als hätte Zakk Wylde im Studio vorbei geschaut. Den mit fast sechs Minuten längsten Track des Albums haben sich JUDAS PRIEST für den Abschluss aufbewahrt: Bei "Sea Of Red" handelt es sich um eine epische Halbballade mit dramatischem Spannungsaufbau, in der Halford - auf "Firepower" ohnehin in bestechender Form - über sich selbst hinauswächst.

Souveräne Umsetzung, fette Produktion

Auf ihrem 18. Studioalbum machen JUDAS PRIEST alles noch ein gutes Stück besser als auf dem bärenstarken Vorgänger "Redeemer Of Souls". Die 13 Songs sind abwechslungsreich, spannend und auf konstant hohem Niveau, die Produktion von Rückkehrer Tom Allom und Andy Sneap ist oldschoolig, wuchtig und direkt. Das Duo Tipton/Faulkner schüttelt sich mächtige Riffs, rasend schnelle Soli und epische Leads aus dem Ärmel, die Rhythmus-Fraktion Hill/Travis sorgt für ein druckvolles Fundament mit pumpenden Bassläufen und knackigen Drums.

Halford bewegt sich meist in mittleren Tonlagen, singt variabel und absolut sicher. Im Gegensatz zum Vorgänger sind auch höhere Tonlagen kein Problem, selbst wohldosierte Screams kommen punktgenau. Im Alter von 66 Jahren ist das durchaus eine Erwähnung wert und verdient großen Respekt. Ebenso die Leistung Faulkners, der als Ersatz von K.K. Downing keinen leichten Einstand hatte, der Band aber zweifellos eine Frischzellenkur verpasst hat.

Die beste PRIEST-Scheibe seit ... ?

Ob "Firepower" jetzt die beste PRIEST-Scheibe seit ______________  (hier bitte persönlichen Favoriten eintragen) ist oder nicht, entscheidet allein ihr. Mit einem Streifzug durch die bisherige Band-Historie in 13 bärenstarken, abwechslungsreichen Songs, knackigem Sound und einer absolut souveränen Leistung der Musiker ist diese großartige Scheibe für mich schon jetzt eines der überragenden Metal-Highlights 2018.

Trackliste

01. Firepower
02. Lightning Strike
03. Evil Never Dies
04. Never The Heroes
05. Necromancer
06. Children of the Sun
07. Guardians
08. Rising From Ruins
09. Flame Thrower
10. Spectre
11. Traitors Gate
12. No Surrender
13. Lone Wolf
14. Sea of Red

Band

Rob Halford - Vocals
Glenn Tipton - Guitars
Richie Faulkner - Guitars
Ian Hill - Bass
Scott Travis - Drums