From First To Last - Heroine


Review

Stil (Spielzeit): Was halt nach Screamo so kommt (ca. 40 Minuten Wahnsinn)
Label/Vertrieb (VÖ): Epitaph/SPV (21.03.06)
Bewertung: 8,5 bis 9
Link: http://www.myspace.com/fftl
http://www.fromfirsttolast.com/
Das große Screamo-Freischwimmen geht weiter  -  Experiment geglückt!
FROM FIRST TO LAST waren eine dieser Bands, die bei EPITAPH einen Richtungswechsel deutlich gemacht haben und wesentlich „moderner“ klangen, als die meisten Label-Kollegen. Mit „Dear Diary, My Teen Angst Has A Bodycount“ setzten sie sich 2004 ziemlich schnell an die Spitze des Screamo-Genres. Typische Emo-Gitarren trafen auf sehr hohen und leidenden Gesang, einen wahnsinnigen Drummer, viel Geschrei (unterstützt von der halben Band, was ein deutlicher Pluspunkt war) und wirklich gute Songs, die auf der Höhe der Zeit aber doch den meisten Konkurrenten ein wenig voraus waren.
Nachdem das Wort „Emo/Screamo“ in bestimmten Kreisen mittlerweile beinahe schon zu einem Schimpfwort geworden ist, fingen die ersten Bands an, sich vom typischen Genre-Sound zu verabschieden. Die Label-Nachbarn von MATCHBOOK ROMANCE hätten sich dabei in meinen Ohren lieber nicht so weit aus dem Fenster lehnen sollen, während THRICE sich wirklich neu erfunden haben und mit „Vheissu“ auf der ganzen Linie überzeugen konnten. Nun sind also FFTL dran. Und sie haben ihre Aufgabe mit Auszeichnung bestanden. Bevor man sich wirklich mit der Musik des Vierers (zur Zeit ohne festen Bassisten) auseinandersetzt, kann man auch bereits andere Hinweise deuten, die einen Wechsel bei FFTL anzeigen: Produziert wurde „Heroine“ von ROSS ROBINSON, der u.a. bereits SLIPKNOT, AT THE DRIVE-IN und die BLOOD BROTHERS unter den Fittichen hatte und dem irgendwie immer noch dieser Nu Metal-Beigeschmack anhaftet. Zusätzlich wird der Bass laut Booklet von einem gewissen Wes Borland eingespielt, den ich persönlich bei LIMP BIZKIT verorte.
Und ja, der neue Sound hat auch irgendwie leichte Anleihen aus dem Nu Metal-Sektor (aber keine Sorge – das ganze geht gut aus). Die Gitarren klingen anders, viele elektronische Spielereien und Programmings sind auf dem Album zu finden. Auch das Songwriting hat sich gewandelt. Hier ist bis auf einige wenige Ausnahmen kaum noch etwas von einer typischen „Screamo-Band“ zu hören. Insgesamt ist die Platte vor allem eins: düster! Auch wenn zwischendurch mal eine richtig flotter Hüpfer streckenweise an alte Zeiten erinnert („Shame Shame“) klingt dies hier doch vor allem wie die Vertonung eines klaustrophobischen Albtraums, einer schlechten Droge, die dich immer weiter nach unten zieht – wobei der Albumtitel „Heroine“ voll zur Geltung kommt. Zu jeder Sekunde scheinen FFTL Haken zu schlagen und mit den Hörgewohnheiten des Publikums zu spielen. Unterstützt von einem total kranken Schlagzeuger, der sein Set nach allen Regeln der Kunst vermöbelt, die Takte verschiebt und einfach ein riesen Arbeitstier zu sein scheint. Bei „The Crows Are Coming For Us“ wird dann von den Drums her auch mit geschickten Auslassungen gearbeitet, bevor die Band in einen fast schon gospelartigen Call-And-Response-Part mündet. Wirklich ganz großes Kino. Wenn man sich das erste Video zu „The Latest Plague“ anschaut, werden die Albtraum-Vermutungen auch noch optisch stark unterstützt. Hier passt wirklich alles zusammen!
Aber auch die Stimme tut ihr Übriges: Sonny Moore leidet und winselt und zaubert immer wieder grandiose Melodien hervor und jagt einem mit seinen gesungenen Selbstzweifeln eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken („Waltz Moore“). Auch die Texte, die sich um Bulimie, Sucht, Verlust, Entfremdung und Ausweglosigkeit zu drehen scheinen, ziehen einen immer weiter in diesen schwarzen Strudel, den FFTL „Heroine“ genannt haben. Hier finden sich durchaus einige Zitate, die jemand mit Liebeskummer oder anderen Seelenqualen seinem verhassten Spiegelbild entgegen schreien möchte.
Einzig die nach meinem Geschmack etwas überbordende Elektronik stört mich etwas, z.B. wenn bei „Waves Goodbye“ das beinahe kanonmäßige Gerüst des Songs über ein paar einzelnen Akkordzerlegungen in elektronische Spielereien übergeht und dabei regelrecht zerfranst. Der Bass hat hier auch seine ganz eigene Spielweise und schiebt sich dadurch teilweise ganz gut in den Vordergrund, was allerdings gut zu den Songs passt. Nur wie gesagt, wäre der Sound etwas fokussierter auf die typischen Bandinstrumente gewesen, wären meine Luftsprünge wohl noch höher ausgefallen.
„Heroine“ braucht unter Umständen mehrere Anläufe bis es sich einem öffnet – aber das lohnt sich dann auch voll und ganz. Hier zeigt sich eine Band, die nicht alles, aber seeehr vieles anders machen wollte, dabei aber immer noch Arsch tritt wie Hölle. Ein bisschen offene Ohren sollte man aber schon mithaben und nicht nur eine „Dear Diary..“ Teil 2 erwarten. Denn das würde eine Enttäuschung bedeuten und somit diesem großartigen Werk nicht gerecht werden.
Anspieltipps: „Mothersound“ „Afterbirth“ „The Crows Are Coming For Us“ „Walz Moore“