Flying Colors - s/t

flying colors st


Stil (Spielzeit): Progressive Rock/Pop Rock (59:35)
Label/Vertrieb (VÖ): Music Theories/Mascot (23.03.2012)
Bewertung: 7,5/10

flyingcolorsmusic.com

Zusammen mit Dave LaRue, Steve Morse und Casey McPherson spielen Knuddelteddy Neal Morse und der seit seinem Rauswurf bei DREAM THEATER unterbeschäftigte Mike Portnoy in einer neuen Band namens FLYING COLORS. Morse und Portnoy verbindet eine langjährige Freundschaft, beide sind bei TRANSATLANTIC aktiv, Portnoy trommelt(e) außerdem in Neals Soloband. Die erste Veröffentlichung des Quintetts ist voll von sonnendurchfluteten Gute Laune-Songs, die den langsam erwachenden Frühling musikalisch untermalen.

Kompositorisch ist der Einfluss von Neal Morse und Mike Portnoy deutlich zu spüren, die tragenden musikalischen Rollen übernehmen jedoch andere: McPherson ist für Gitarre und die Leadvocals zuständig, Steve Morse steuert gefühlvolle Gitarrensoli bei, LaRue zupft gekonnt sowohl ungewöhnliche als auch geradlinige Basslinien. Neal Morse hält sich an den Vocals überraschend zurück, überlässt McPherson zum Großteil das Feld und konzentriert sich stattdessen auf warme Keyboard- und Moogsounds, während Drumkrake Portnoy deutlich mehr gefordert ist und variantenreicher spielt als bei seinem verunglückten Projekt ADRENALINE MOB. "Flying Colors" sprüht vor Spielwitz und echter, ungekünstelter Freude, die aufkommt, wenn fünf begabte Musiker einfach drauf los spielen. Erwartungsgemäß sind FLYING COLORS der Progressive Rock-Sparte zuzuordnen, der Pop-Anteil vieler Tracks ist jedoch enorm hoch. Die Harmonien, oft an die BEATLES oder alte SPOCK'S BEARD erinnernd, sind Balsam für die Seele. Angefangen bei "Blue Ocean", das auf einer ungewöhnlichen Basslinie basiert und sich nach dem lockeren Beginn zu einem harmonischen Wohlfühl-Song mit herzerwärmender Bridge entwickelt, finden sich viele schöne, ruhige und schräge Momente auf "Flying Colors". "Shoulda Woulda Coulda", in dem sich alle Musiker austoben, fällt genau wie das angejazzte "Love Is What I'm Waiting For" und das rhythmisch komplizierte, proggige "Forever In A Daze" in die Kategorie "ausgefallen" (was nicht immer auch "gut" bedeutet), "Kayla", "Everything Changes" und das beschwingt-schunkelige "Fool In My Heart" hingegen sind so leicht zugänglich und poppig, dass man sie auch als "seicht" bezeichnen kann. Die zum Träume einladende, sparsam instrumentierte und mit mehrstimmigen Gesängen aufwartende Ballade "Better Than Walking Away" und das wunderschön leichtfüßige, warme "The Storm", für das sich hörbar Neal Morse verantwortlich zeichnet, besitzen da doch etwas mehr Anspruch und zaubern einem mit hörenswerten Harmonien wieder ein Lächeln ins Gesicht.

Das hektische "All Falls Down" trägt mit MUSE-Einflüssen deutlich die Handschrift Portnoys und muss sich als einziger Song den Stempel "nicht gelungen" aufdrücken lassen. Dazu ist der Song etwas zu sehr darauf bedacht, innerhalb von nur dreieinhalb Minuten das gesamte Können der Bandmitglieder vorzuführen. Beendet wird das FLYING COLORS-Debüt mit dem, was man sich von Anfang an gewünscht hat: Einem zwölfminütigen Prog-Epos, das viel leichter und spielerischer als "All Falls Down" zeigt, wozu die fünf Herren in der Lage sind. Bereits die einleitende, hochmelodische Gitarrenlinie macht klar, dass "Infinite Fire" den erhofften Geniestrich und das progressive Highlight des Albums darstellt. Zwölf Minuten pure Ohrenschmeichelei mit eingängigen Vocals und Gitarren, Tempowechseln, ausladenden Soli, sich wiederholendem Anfangsthema und allem, wofür der Name Neal Morse steht. Was für ein Ausklang!

Manchmal wünscht man sich, Neal Morses charakteristisch warme Stimme noch viel öfter zu hören, doch McPherson macht das Beste aus seinen Vocals. Welchen Sänger man bevorzugt ist eh eine reine Geschmacksfrage. Trotz zwei, drei  nicht überzeugender Songs und vielen extrem poppigen und balladesken Passagen ist "Flying Colors" mit farbenfrohen, sonnigen Kompositionen ein sehr gelungener Wegbegleiter für Frühling und Sommer!