Gentle Giant - The Power And The Glory (Re-Issue)

Gentle Giant - The Power And The Glory (Re-Issue)
Steven Wilson arbeitet weiter daran, sich sowohl für den Prog der Gegenwart als auch den der Vergangenheit unverzichtbar zu machen. Nachdem der PORCUPINE TREE-Kopf bereits große Alben von (unter anderem) KING CRIMSON, YES und EMERSON, LAKE & PALMER neu gemixt hat, hat sich Wilson jetzt „The Power And The Glory“ von GENTLE GIANT vorgeknöpft.

GENTLE GIANT sind wohl nur Prog-Fans bekannt, die etwas tiefer in der Materie stecken. „The Power And The Glory“ war 1974 das sechste Album der Band und das zweite, nachdem Bandleader Phil Shulman das Handtuch geworfen hatte. Schon auf dem Vorgänger „In A Glass House“ hatten GENTLE GIANT daraufhin den Anteil akustischer Instrumente reduziert, mit „The Power And The Glory“ verfolgte die Band diesen Weg weiter und stellte Keyboards, Orgeln und E-Gitarren in den Vordergrund.

Das heißt jedoch nicht, dass GENTLE GIANT mit fetten Soundwänden und ausufernden Gitarrensoli arbeiten, im Gegenteil: Das, was man im Allgemeinen mit Rock assoziiert, findet hier kaum statt. GENTLE GIANT haben vielmehr einen sehr durchlässigen Sound.  Neben den klassischen Rockinstrumenten kommen zwar auch und durchaus gleichberechtigt Violine, Cello und Saxophon zum Einsatz, trotz alledem klingen die Stücke auf „The Power And The Glory“ alles andere als überladen oder episch. Das Schlagzeug beispielsweise ist so reduziert und klar, dass es in Verbindung mit dem knackigen Bass einen grundsätzlich funkigen Groove unter die Stücke legt. Dieser Eindruck ist nicht immer so extrem wie beim Opener „Proclamation“, der mit sperrig hüpfenden Keyboards beginnt. Er zieht sich aber grundsätzlich auch durch Stücke wie das schon eher Progrock-typische „The Face“. Der Hang zu Dissonanzen und der klare, hohe und etwas seltsame Gesang, der offensichtliche Hooklines vermeidet, geben dem Album, allen voran dem sperrigen „So Sincere“, einen leichten Jazz-Vibe.

Wie der Remix von Steven Wilson im Vergleich zum Original klingt, kann ich nicht beurteilen. Der neue Sound von „The Power And The Glory“ ist aber sehr warm und frisch und tut der beschriebenen Luftigkeit sehr gut. Wie viele Instrumente auch immer in das Zusammenspiel einsteigen und sich im Laufe eines Stücks umeinander flechten – immer ist alles wunderbar präsent, sei es nun die Hi-Hat oder die Hammond-Orgel. A propos: Das ruhige, wunderbare „Aspirations“, das mit jener Orgel beginnt und dann von Bass und Akustikgitarre begleitet wird, ist nicht nur ein Beispiel für die großartige Virtuosität, die GENTLE GIANT in vielen Stücken auszeichnet. Es zeigt auch, mit welchem Herzblut, Sachverstand und Respekt sich Steven Wilson an diese alten Alben setzt – bei diesem Sound bekommt man eine wohlige Gänsehaut. Schön, dass einer der beiden Bonustracks die Instrumentalversion von „Aspirations“ ist.

Inhaltlich setzt sich „The Power And The Glory“ übrigens mit Macht und Korruption auseinander, weshalb der Band damals die Spielkarte mit dem Pik-König als Cover passend erschien. Auf LP-Größe wirkt das bestimmt ganz gut, in der CD-Version finde ich die Optik arg unauffällig. Aber zum Glück gibt es das Re-Issue in diversen Versionen, sodass man auch heute wieder zum Großformat greifen kann. „The Power And The Glory“ kommt in diesen Varianten auf den Markt:

CD (Stereo Mix)

DVD + CD

Blu Ray + CD

(DVDs enthalten Instrumentalmixe und animierte Videos)

180g Gatefold LP