AC/DC - Power Up Tipp

AC/DC - Power Up
    Hard Rock

    Label: Columbia
    VÖ: 13.11.2020
    Bewertung:8/10

    AC/DC im Web


Seit "Rock Or Bust" (2014) ist viel passiert: Brian Johnson verlor zeitweise sein Gehör, Phil Rudd genoss zu viele Drogen und steckte im Hausarrest, Cliff Williams wollte nicht mehr. Und dann starb auch noch Malcolm Young. Und doch: 2020 sind AC/DC im fast originalen Line-up wieder da. Und feiern ihre Wiederauferstehung mit "Power Up".

Die zwölf brandneuen Tracks des (international gezählten) 16. Studioalbums sind schnörkellos, einfach und erwartbar. Alles Adjektive, die nichts Gutes verheißen, im AC/DC-Kosmos aber als Qualitätsmerkmale gelten. 41 Minuten lang rocken Angus Young, sein Neffe und würdiger Malcolm-Nachfolger Stevie Young sowie die zurückgekehrten Cliff Williams, Phil Rudd und Brian Johnson die Bude auf ihre unverwechselbare Art.

AC/DC: Eine Konstante, auf die man sich verlassen kann

"Realize" eröffnet das Album mit melodischen Gitarrenleads, vor denen Brian Johnson so inbrünstig schreit, dass ich beim Schreiben dieser Zeilen eine fette Gänsehaut bekomme. Dann geht's direkt in die Vollen: pumpender Bass, simple, effektive Drums, Gitarrengeschrammel und ein Sänger in Topform. Die Spannung entlädt sich in einem Gänsehaut-Refrain mit melodischen Licks und "Thunderstruck"-ähnlichem "Ah-ah-ah-ah". Der Opener wirkt wie ein Befreiungsschlag und transportiert eine von einem gniedelnden Angus-Solo untermalte, unmissverständliche Message: AC/DC sind wieder da!

Mit dem bluesigen, bassbetonten "Rejection" geht's etwas zurückhaltender, aber nicht weniger eingängig weiter, bevor "Shot In The Dark" folgt. Die seit längerem bekannte erste Single punktet mit einem gnadenlos eingängigen Einstieg und ist ein absoluter Ohrwurm mit einem AC/DC-Vibe, wie er im Buche steht. Herrliche Erkenntnis: "A shot in the dark beats a walk in the park." Und nein, mit dem Shot ist kein schnelles Abspritzen gemeint, ihr Schmierlappen, sondern ein Kurzer, ein Schnäpschen, ein kleines Schlückchen. Wohl bekomm's!

Liebliche Gitarren und ein für die Australier beinahe schon fast vertrackter Rhythmus eröffnen "Through The Mists Of Time". Die leicht wehmütige Wohlfühl-Hymne irgendwo zwischen "Moneytalks" und "Anything Goes" nistet sich ganz tief in den Gehörgängen ein. Ganz im Gegensatz dazu steht "Kick You When You’re Down", ein knochentrockener, reduzierter Midtempo-Blues-Groover, dessen Refrain mit seinem "Oh no!" ein wenig an KISS (!) erinnert.

Das knurrende "Witch’s Spell" entwickelt sich nach mehrmaligem Hören zu einem der Highlights auf "Power Up", weil es so schön cool, smooth, räudig und mit einem mörderischen Groove versehen ist. So geht's auch mit "Demon Fire" weiter, das auf einer unverwechselbaren, an "Safe In New York City" erinnernden Gitarrenlinie und einem wahnsinnig treibenden Basss basiert und absolut typisch nach AC/DC klingt.

Feel in a rock 'n' roll mood

"Wild Reputation" bildet mit seinem entspannten Groove einen krassen Gegensatz zum Titel. Brian Johnsons tief gebrummeltes "And I'm comin' down main street" sorgt für wohlige Gänsehaut, die Nummer bleibt trotz eingängiger Licks insgesamt allerdings etwas blass.

Der melodische Einstieg in "No Man’s Land" lässt Erinnerungen an "Mistress For Christmas" und zugleich die Bon-Scott-Ära wach werden – ein Dudelsack würde gut pasen. Danach wird's richtig schön dreckig-bluesig, es stellt sich eine Dauer-Gänsehaut ein. Das ist ein typisch einnehmender AC//DC-Rocker, bei dem man instinktiv mit dem Kopf nicken oder mit dem Fuß wippen muss.

Mit seinem treibenden Bass zeigt sich "System's Down" bissig und kraftvoll, der dreckige Refrain gefällt extrem gut. "Money Shot" braucht einige Durchläufe, bevor die Nummer als abwechslungsreicher, schmissiger Midtempo-Rocker zündet. Der pumpende Abschluss "Code Red" überzeugt mit eingängiger Gitarrenlinie und scharf herausgespuckten Textzeilen, verliert aber Boden beim Refrain, der nicht so recht zünden will.

Insgesamt bietet das von Brendan O'Brien druckvoll und transparent produzierte "Power Up" speziell in der ersten Hälfte eine gehörige Portion "The Razor's Edge"-Feeeling, auch durch den massiven Einsatz der herrlichen Backing Vocals.

Mit seiner bluesigen Ausrichtung, Abwechslungsreichtum durch groovige Midtempo-Hymnen und treibende Uptempo-Nummern und höllisch eingängige Refrains vor den gewohnten AC/DC-Trademarks ist die Scheibe für mich zusammen mit seinem Vorgänger "Rock Or Bust" das stärkste Album seit Mitte, mitunter sogar Anfang der Neunziger, selbst wenn es zum Ende hin ein wenig schwächelt.

"Power Up" ist AC/DC in Reinkultur

Ein besonderes Lob gebührt Brian Johnson: Der 72-jährige Sänger ist in absoluter Bestform und wechselt problemlos zwischen tiefen Bad-Boy-Vocals, dem dreckig klingenden Erzähler und seiner typischen Reibeisen-Stimme.

"Power Up" ist AC/DC in Reinkultur. Mir völlig wurst, von wem welche Ideen stammen, an welchen Riffs Malcolm mitgeschrieben hat oder wie alt das Material ist – die Australier liefern genau das ab, was man erwartet, und das ist im Falle dieser Band das größte Kompliment, das man ihr machen kann.

In diesem Sinne: Power up!

"Power Up" Trackliste:

Realize
Rejection
Shot In The Dark
Through The Mists Of Time
Kick You When You’re Down
Witch’s Spell
Demon Fire
Wild Reputation
No Man’s Land
Systems Down
Money Shot
Code Red

AC/DC Line-up:

Angus Young - guitars
Stevie Young - guitars
Brian Johnson - vocals
Cliff Williams - bass
Phil Rudd - drums