Portugal. The Man - Censored Colors Tipp



Stil (Spielzeit): Indie/Prog/Soul/60ies und 70ies Revival (53:20)
Label/Vertrieb (VÖ): Defiance Records/Cargo (05.09.08)
Bewertung: 8,5/10
Link: www.portugaltheman.net
www.myspace.com/portugaltheman

Und auf ein Neues: Jedes Jahr ein neues Album, jedes Jahr scheinbar nicht enden wollende Neuinszenierungen und Neuerfindungen, eine Idee schien dabei schon immer die nächste zu jagen – PORTUGAL.THE MAN aus Alaska sind ebenso für ihre Schaffenswut bekannt, sowie für das Gerücht, einen immer wieder neu zu überraschen und vor den Kopf zu stoßen. 
Und wie siehts 2008 aus? 
Das Quartett aus Wasila, Alaska, hält Wort: „Censored Colors“ ist neben dem Debüt „Waiter:'You Vultures!'“ (2006) und dem gefeierten „Church Mouth“ (2007) wieder zu einem opulenten Werk geraten, sperrig in der Einordnung, komplex in der Gestaltung, wieder erstaunlich anders und doch so erfrischend leicht und soulig wie noch nie zuvor. 
Jedoch greift die Band um Sänger und Gitarrist John Gourley einige Ansätze des Vorgängers erneut auf und garniert diese mit neuen Elementen – allerdings klingt dabei der Output diesmal mehr als zuvor nach einer psychedelischen Reise in Papas Plattenschrank: LED ZEPPELIN, DEEP PURPLE, BEATLES, QUEEN, sogar ELVIS und nicht zu vergessen PINK FLOYD. 

Bereits der Opener „Lay Me Back Down“ macht es einem nicht leicht und ist in seinem groovenden, klavierbegleitenden Trip doch nur der sanfte, galante Einführer in einen nahezu überquellenden und beeindruckenden Stilmix, der sich diesmal über 15 Tracks erstreckt, einem aber teilweisen wie ein einziger Song vorkommt. Allerdings hat man es sich diesmal zur Aufgabe gemacht, die Scheibe dramaturgisch in zwei Teile zu splitten: 
Mit erwähntem Eingang bietet man bis zu dem Beginn der zweiten Hälfte, welche mit einer vergleichsweise simplen „Intermission“ eingeleitet wird, noch relativ überschauliche Instrumentierung, auch wenn hier bereits ab dem ersten Song mit typischen Lied-Strukturen gebrochen wird. Es wir oft unter- oder gar komplett abgebrochen, um neu wieder anzusetzen, vorige Motive wieder aufzugreifen, oder sich einfach nur zu verlieren in der Spielwut. 
Auch fällt auf, dass sich PORTUGAL.THE MAN mehr denn je auf Experimente im Gesang eingelassen haben. Zwar bleibt Gourley noch Haupt-Vokalist, jedoch schweben nahezu in jedem Song Gospelchöre mit. Somit wird selbst einem relativ verhaltenen „Colors“ ein gewisser Pathos aufgesetzt, der auch nicht mehr verschwindet. Hierdurch schaffen es die bärtigen Käutze immer wieder, eigentlich simple Soul-Folk-Akkustik Songs wie großflächige Rockoperetten klingen zu lassen. Streicher, Saxophone, Bongos, Orgeln, Glockenspiele und diverse andere Instrumente tragen dazu auch einen nicht wesentlich geringeren Teil bei. 
In der ersten Hälfte ist darüber hinaus noch das tolle „Salt“ zu nennen, welches eigentlich bereits als grandioser Pop bezeichnet werden kann, ohne dabei wirklich Pop zu sein - zusätzlich kann sich hier die an sich gewöhnungsbedürftige Stimme mit einer zuckersüßen Gesangspartnerin messen. 
Rein vom Hörgenuss her mögen die ersten sechs Songs zwar sehr ruhig geraten sein, von den ursprünglichen Postcore-Wurzeln der Bandmitglieder merkt man zumindest absolut nichts mehr. Jedoch sind die Lieder relativ überschaubar und geradezu locker-leicht gelungen – tolle Songs für verregnete Herbsttage, die einem mit mehrmaligem Hören immer mehr gefallen und überraschen. 

Mit der zweiten Hälfte kommt man dann schon ein wenig ins Straucheln – typisch eigentlich für PORTUGAL.THE MAN. 
Zwar hat die Band auf elektronische Klänge - auf „Church Mouth“ noch zu finden- weitgehend verzichtet (die „Intermission“ hier mal ausgelassen), jedoch wird mit „New Orleans“ die zweite, ungemein sperrigere Hälfte des Werks eingeleitet (man beachte das absolut tolle Saxophon!). 
Ab hier fließen die Songs nur noch ineinander über, die Instrumentierung nimmt noch massiv zu, Experimentierfreude nimmt umgehend die schwebende Eingängigkeit ein und beschert somit dem Hörer streckenweise den einen oder anderen Orientierungsverlust - man merkt einfach nicht, wo ein Song aufhört und der nächste anfängt. Doch dies ist, vorausgesetzt man hat sich darauf eingelassen bzw. diese Eigenart akzeptiert, nicht mehr wirklich von Nöten, denn der Qualität tut all dies nämlich absolut keinen Abbruch. 
Somit ist „Censored Colors“ ein weiteres, vermutlich bald spaltendes Album. Die Radiotauglichkeit bzw. Poppigkeit, die sich mit dem Vorgänger andeutete, ist zwar in der ersten Hälfte hier noch weiterverfolgt worden, jedoch scheint die Band mit der zweiten Hälfte geradezu mit sich selbst zu brechen; eine inner-musikalische Metamorphose zu durchlaufen, die hier absolut beeindruckend ist. Weg von der Zugänglichkeit, hin erneut zu der Identität eines Musik-Chamäleons. 
Ein wahrhaft ereignisreiches Album, welches hoffentlich den Weg in viele verschiedene Plattenschränke finden wird – vielleicht direkt neben ein DEEP PURPLE Album? Den Vergleich braucht „Censored Colors“ zumindest nicht zu scheuen.