Odens Raven - Tod der Welt


Stil (Spielzeit): (vielleicht) Pagan Metal (30:34)
Label/Vertrieb (VÖ): Eigenproduktion (Sommer 08)
Bewertung: 8 / 10


Das ist ja mal eine interessante Variante des heidnischen Metalls… Und dazu noch aus deutschen, naja, bayrischen Landen.

Dass es hier nicht 08/15-Heidenstahl gibt, macht gleich schon das Artwork klar: Klar, der Bug des Drachenschiffes von Oseberg (vor wolkenverhangenem, blutrotem Himmel) linst uns vom Cover an; im gefalteten Inlett auf Hochglanzphotopapier: ein Helm aus nordischer Produktion inkl. Inhalt (aber ohne Restkörper)… so weit so typisch; aber weil photorealistisch, wirkt das Ganze –je nach Sichtweise– ebenso frisch wie befremdlich. Und bereitet den Betrachtet damit ganz vorzüglich auf das vor, was ihn musikalisch erwartet…

ODENS RAVEN sind ein sich als Projekt verstehendes Trio: Luke und Benny Stuchly, zuständig 1.) für voc. und 2.) für git. und b. Die Trommel rührt Herr Gunther Rehmer. Außerdem gibt’s noch einen Peddn Schmitt, welcher singend den Hintergrund füllt. Wer für die manierliche Synthie-Arbeit zuständig ist, bleibt vorerst Geheimnis.

Also: die Mucke ist wie das Cover: frisch und befremdlich. Einerseits bedient sie diverse Pagan- / Viking-Metal-Clichés, zum anderen betreten die Augsburger auch neue Ufer. Ganz dem epischen Inhalt gemäß, das sie in diesem „Hörspiel“ ausbreiten. ODENS RAVEN sind endlich mal ein Progress, i.e. Fortschritt im paganen Metal: Weder flötet uns hier der x-te Falkenbach-Klon auf Black Metal Basis entgegen, noch ist dies die nächste Aufforderung zur Off-Beat Polka über die finnische Seenplatte, es gibt auch keinen pseudo-heroischen Battle-Metal, keinen „Trve“ Old-School-Metal wie man ihn auf den Färöer liebt und nur wenig episch angehauchten Melodeath à la AMON ARMATH.

Wirklich typisch pagan sind allenfalls Lukes rauer Krächzgesang sowie einige schraddelige BM Riffs, die hintergründig bleiben ; dazu wie gesagt noch einige aus dem Melodeath, wodurch es jenen eher zarten Wink in Richtung AMON AMARTH gibt, was villeicht auch schon der Projektname nahelegt.

Tatsächlich erinnern sie mich eher an klassischen Epic (Heavy) Metal im moderner Rüstung; ein kleines bisschen wie die (Nord-) Irischen Perlen DARKEST ERA & SIROCCO –wobei auf die typischen Folk-Linien verzichtet wird und der Sound „zeitgemäßer“ ist.
Mit beiden gemein haben ODENS RAVEN hingegen den Instinkt für Dramatik und den Hang, selbigen frei von instrumentalem Firlefanz auszuleben.
Stattdessen wird schlicht guter Metal offeriert, mal schlicht, mal verspielt. Da wird dieselbe Akkordfolge 8-, 9-mal hintereinander weggeraspelt, was echte Spannung aufbaut, während die Drums immer dramatischer werden… So ist das Riffing von „Die letzten Helden“ einfach nur geil. Oder die Spannung ab Minute 6 vom Titeltrack oder das letzte Drittel von „Aegir“, das harmonische Lead vom „Goettersturm“ oder… Bennys unglamouröses, aber wirkungsvolles Spiel auf den sechs und vier Saiten, hat's mir wirklich angetan.

Ein weiteres „Kleines Bisschen“ erinnern sie an HELANGÅRs Debüt „Evening in Valhalla“, das sich ja auch nicht ohne Gegenwehr in die pagane Schublade stopfen lässt. Mit den Mannheimern teilen die Augsburger Schwaben den Hang zum Experimentellen, was sich hier zum einen in der ungewöhnlichen Kombination vom Gros der Gitarrenarbeit und Gesang, besonders aber in den atmosphärischen und sehr modernen Synthie-Interludien zeigt. Dazu noch einige relaxte, leicht progig anmutende Passagen und fertig ist ein spannender Stilmix, der mit jedem Umlauf logischer wird… Das ist jetzt nicht wild „progressive“, aber definitiv auch kein „true“ Pagan Metal mehr und aus heidnischer Perspektive irgendwie fortschrittlich.
Es ist soll nicht unterschlagen werden, dass das (Mini-)Album seine Schwächen hat: vor allem ist es viel zu kurz; und dann ist der Gesang sicher etwas zu monoton (ein Chor hier, eine Klarstimme da, hätten sicher nicht geschadet, um die Erzählungen noch stimmungsvoller zu gestalten und hätte der variablen Instrumentalarbeit besser entsprochen) und nicht zuletzt: es klingt erstmal recht ungewohnt, auch wenn die Bausteine geläufig sind… Was aber ja die eigene Schwäche ist; und, Hugin und Munin sei Dank: man wächst mit jedem Umlauf.

Ein Wort noch zum einzigen Text, der abgedruckt wurde (was ansonsten gesungen wird, weiß ich nicht; ich habe mich lieber auf die Musik, als auf die nur schwer verständlichen Texte konzentriert):
Der auf Deutsch erzählte Titeltrack bedient vordergründig erstmal die Clichés des nordischen Heldenepen; aber die Geschichte ist dem in Metaller-Kreisen durch Maiden bekannt gewordenen Gedicht „Rhyme of the Ancient Mariner" von Samual Taylor Coleridge in Sachen „Moral“ nicht unähnlich (auch ohne dass man einen Albatross einbaut) --- und folglich auch „sozialkritisch“ interpretierbar.
Interessanterweise wird hier eine Kurzgeschichte „runtererzählt“ – kein Strophe / Refrain Schema also. --- Das Textblatt sieht aus wie bei QUEENSRYCHEs „Operation Mindcrime“. Luke singt auf die Mucke drauf bzw. darüber weg, ganz wie er es braucht. Auch das schafft Spielräume für Dramatik.

ODENS RAVEN erweitern musikalisch wie textlich die Grenzen des Heidenreichs mit grundsoliden metallischen Mitteln. Puristen wird die Tendenz zur Moderne zwar verschrecken… na, und?
Das „Projekt“ selbst kommt jedenfalls sehr open-minded rüber; ich behaupte mal: es wird sich noch massiv entwickeln / verändern. Die Jungs haben definitiv ihre eigenen Grenzen mit „Tod der Welt“ noch nicht gefunden.
Womit wir bei der letzten Schwäche wären: auch das Album hat / die Stücke haben noch Potenzial (liegen lassen).
So gut der Aufbau im Grunde ist: nachvollziehbar und komplex, verspielt und zielorientiert; -- irgendwas fehlt. Vielleicht steckt hinter meinem Gejammer nur der Wunsch nach mehr; vielleicht stimmt aber auch dieses unbestimmte Gefühl: das kann doch noch nicht alles gewesen sein… Darum will auch mal nicht zu euphorisch werden und vergebe mal „nur“ 8 Punkte.

Wie auch immer, ich kann nur empfehlen, sich die 30 Min. für 6 € bei der Band (info@drone-zero.net) zu verschaffen, zumal die Eigenproduktion auch noch ordentlich abgemischt wurde. Was soundtechnisch am Gesang verschenkt wurde, hat man in den coolen Bass gesteckt… der macht mal richtig Spaß.

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