Mit über 11 Minuten hält der erste Song noch einige Wendungen und Überraschungen parat: Neben dem zurückhaltenden Einsatz von Violine und Cello erleben wir die Klasse einer Gast-Sopranistin und den ungewöhnlichen Auftritt eines Gast-Growlers. Wer mit sinfonischem Metal nichts anfangen kann, darf jetzt noch aussteigen … alle anderen erfreuen sich an einer Achterbahnfahrt durch den Musikkosmos – und das war erst der Auftakt!
Mit „Starborn“ wird’s jetzt etwas schneller, hier gefallen mir besonders der agile Bass und das akzentuierte Schlagzeugspiel. Die Strophe mündet in einen strahlenden, mehrstimmigen Refrain – episch! Es folgt ein schweres Riff und spannungsgeladene Doppelleads leiten den nächsten Titel ein … Aber nur kurz, dann lassen die Instrumente Raum für die schon fast exaltiert drängende Gesangslinie, die in einen fulminanten Chorus mündet. Das ist Opern-Dramatik, die ein weiteres Mal getoppt wird von den zwei Sopranistinnen. Ich bin beeindruckt – und werde vom folgenden „Through Ember Eyes“, begleitet lediglich von klassischer Gitarre, Piano und Kontrabass, sanft und etwas kitschig wieder auf den Boden geholt.
„Like Tears In Rain“ bringt uns Groove und die lauten Gitarren zurück, einmal mehr fühle ich mich bei den komplexen Gesangsmelodien und -strukturen an Warrel Dane erinnert. Doch nun die Zäsur: „Origins“ ist Heavy-Metal-Epik in Reinkultur und damit nicht immer meins. Das in fünf Kapitel unterteilte Titelstück präsentiert sich in fast 30 Minuten von einem echten Sinfonie Orchester und einem klassischen Chor begleitet und führt inhaltlich durch die Menschheitsgeschichte. Es geht „von unseren Anfängen, dem Kampf ums Überleben der uns unbekannten Welt, bis zur Eroberung des Planeten und den ersten Schritten ins Weltall“, wie die Kölner selbst schreiben – und das nicht immer frei von überbordendem Pomp.
Applaus für die kompositorische Leistung, aber mir ist das zwischendurch einfach zu viel des Guten. Zudem treten hier für mich die Schwachpunkte der Scheibe hervor: Die bisweilen recht seifigen Texte und der manchmal hakende Textfluss der Wörter, die stellenweise nicht so recht mit der Musik schwingen möchten … hier würde sich dann doch der Vorteil eines Muttersprachlers im Vergleich zum Rheinländer zeigen.
Am Ende bin ich jedoch beeindruckt von der Vielseitigkeit der Musik, dem Spektrum der Klänge und Ideen und ihrer fachmännischen Umsetzung. „Origins" ist überaus ambitioniert und überzeugt trotz kleinerer Schwächen und erhöhtem Kitsch-Faktor durch seine kompositorische Klasse. Ein Album, das Mut zur Größe beweist und seine Ambitionen überwiegend mit beeindruckender Souveränität einlöst.
HADEAN sind:
Andreas März - Sänger, Gitarrist, Texter, Komponist
Mario Althapp - Gitarrist, Schlagzeuger, Cellist
Nicolao Dos Santos - Gitarrist, Sänger, Komponist, Songwriter
Yannik Emmerich - Gitarrist, Sänger, Songwriter
Credits
Mastering: Jens Bogren
Orchester- und Chor-Mix: Roman Beilharz
Sopranistin: Anna Nesyba
Mix: Michael „Freio" Haas (Hadean) im bandeigenen Big Easy Studio
Mix-Feedback: Chris Broderick (ex-Megadeth, In Flames)