Queensryche - American Soldier Tipp

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Stil (Spielzeit): Progrock (1:00:37)
Label/Vertrieb (VÖ): Rhino Records / Oktober Promotions (27.03.09)
Bewertung: 9/10

Link: http://www.queensryche.com

Wie definiert eine Band, die schon lange auf den Bühnen der Welt unterwegs ist, sich selber neu? Man frage seinen Vater. Besonders wenn man Geoff Tate heißt, seines Zeichens Sänger der Progrocker von QUEENSRYCHE ist und einen Vater hat, der Vietnam- und Koreakriegsveteran ist.
Queensryche waren schon immer bekannt für kontroverse Themen, sie haben schon Ende der 8oer auf dem bis heute unerreichten Konzeptalbum "Operation Mindcrime I" darüber gesungen, das Weiße Haus niederzubrennen. Und zeigten den brennenden Star Spangled Banner in den Videos. Was ihnen nicht nur Freunde bescherte.

„...und manchmal verlieren die Leute den Blick dafür, wo wir herkommen. Sie sitzen im Schoß ihres Luxuslebens in einem Land, das auf über dreieinhalb Millionen Toten gegründet wurde..."

So beginnt "American Soldier". Kaum eine Nation hat durch ihre Kriegstreiberei in den letzten fünfzig Jahren mehr für Unruhe gesorgt als die USA. Und der nachdenkliche Tate fing eines Tages an, mit seinem Vater über dessen Erlebnisse in den beiden Kriegen Korea und Vietnam zu reden. Im Laufe der Zeit begann er Interviews mit anderen Soldaten zu führen. Auch aus dem aktuellen Kriegsgeschehen. Was bewegt einen jungen Mann? Warum meldet man sich freiwillig zu einem Einsatz in ein Land von dem man bisher nicht mal ansatzweise ahnte, wo es sich befindet? Was geht in einem vor? Wird man seine Familie je wieder sehen?

"American Soldier" gibt die Antworten, auf die man aus menschlicher Sicht gewartet hat. Wie Tate betont, ist dieses Konzeptalbum keinesfalls politisch zu sehen. Aber durchaus moralisch.
Die erneute Zusammenarbeit mit Jason Slater, der schon bei "OMII" verantwortlich zeichnete, spürt man. Er und Tate ergänzen sich in ihrem Bedürfnis, die Zuhörer wach zu rütteln.

Das Album läuft bei mir seit Tagen in Endlosschleife. Es ist kein Werk welches man mal so nebenbei hören kann. Keinesfalls. Es sitzt einem auf der Schulter und im Gehirn und flüstert Erlebnisse, schreit Entsetzen und Trauer und auch Hoffnungen. So erging es mir beim letzten wirklich guten Album der Band: Queensryche sind wieder da wo sie nach "Empire" aufhörten. Von Anfang bis Ende wird man mitgerissen von den Feinheiten und Details, für die Queensryche spätestens mit "Mindcrime" berühmt geworden sind. Der Stil ist düster/melancholisch. Ausgefeilte filigrane Gitarrenarbeit von Michael Wilton, der erstmalig alle Gitarren alleine eingespielt hat, ergänzt sich mit den kraftvollen und präzisen Drums von Scott Rockenfield. Originalzitate aus den Interviews mit den Soldaten sind zwischen und in den Songs eingefügt. Das ängstliche Atmen eines jungen Mannes schraubt sich in die Seele. Sein Herz donnert. Bis es aufhört. Gitarren die wie Sirenen klingen. Arabische Instrumente die die Fremdheit des Landes betonen. An einem vorbeizischende Granaten. Kinderstimmen. Schritte im Wüstensand. Man dreht sich beim Hören ängstlich nach hinten um.

Es ist wie ein Film. Ein furchterregender, verstörender, mitfühlender, todtrauriger Kriegsfilm. Und alles übertönt und betont von dem musikalischen Können dieser intelligenten Musiker. Tates Stimme ist hier endlich wieder auf dem absoluten Höhepunkt. Man merkt bei jedem Song wie sehr ihn dieses Thema bewegt hat und wie wichtig es ihm war und ist, dass der Hörer sich selber ein Bild machen kann. Wer auf Metalkracher wartet tut dies vergebens. Wer aber auf Progrock der allerfeinsten Sorte gewartet hat und wem "Operation Mindcrime II" irgendwie zu unfertig vorkam: Hier sind Queensryche wieder. Besser denn je.

"American Soldier" endet mit dem Tod. Der Vater wird seine kleine Tochter nicht wieder sehen. "Remember Me" sollte man sich nicht in traurigen Momenten anhören. "Home Again" auch nicht. Man sollte hier den Lyrics und dem Spiel von Wilton besser gefasst gegenübertreten. Wobei in "Home Again" auch mein einziger Kritikpunkt vorkommt: Emily Tate singt die Rolle der Tochter. Und klingt leider wie jemand aus der Vorrunde von DSDS. Mit gutem Willen kann man es aber auch als charmant unbeholfen betrachten. Aber schade dass der wunderbare Song durch das regelmäßige neben-der-Spur-Singen des Töchterleins dadurch beeinträchtig wird.
Ändert aber nichts daran, dass "American Soldier" für mich jetzt schon einer der Höhepunkte des Jahres darstellt. Queensryche haben ihr zweites Meisterwerk abgeliefert.