Moment mal: Coverversionen, dargeboten auf verstärkten Celli, die sich teilweise anhören wie E-Gitarren? Klingt verdächtig nach den Finnen APOCALYPTICA, die 1996 als reine METALLICA-Coverband anfingen und sich – ergänzt von Drums, Gastsängern und mit Eigenkompositionen – zu einer festen Größe im Metal-Bereich mausern konnten. Das Konzept hinter 2CELLOS mag einem zwar bekannt vorkommen, doch Unterschiede zu APOCALYPTICA gibt es zur Genüge.
So braten die klassischen Instrumente nicht ganz so heftig wie bei den Kollegen aus Finnland, klingen dafür aber gerade in ruhigen Stücken deutlich sehnsuchtsvoller und emotionaler. Zudem sind die Coverversionen so bearbeitet, dass sie perfekt auf nur zwei Celli zugeschnitten wurden: Eines übernimmt den Rhythmus, das andere Leads und Soli, wobei das Duo auch während eines Songs seine Rollen tauscht. Mitunter kommen auch mehrere Spuren zum Einsatz (anders könnte man z.B. "Thunderstruck" gar nicht vertonen), in der Regel sind es aber nur zwei virtuos gespielte Celli, die man hier hört.
Auf ihrem dritten Longplayer "Celloverse" vertonen die kroatischen Cellisten nicht nur rockige Nummern wie “The Trooper” (IRON MAIDEN), “Thunderstruck” (AC/DC), "Hysteria" (MUSE) und “Live And Let Die” (eigentlich PAUL MCCARTNEY, bekannter in der Version von GUNS 'N ROSES), sondern auch aktuelle Chart-Hits wie “! Will Wait” und “Wake Me Up”. Zu der bunten Mischung gesellen sich noch die Eigenkomposition “Celloverse” und zwei Beiträge von einem der besten Filmsoundtracks ever: “Inception”.
Auf die Cello-Versionen der Hans Zimmer-Kompositionen war ich ganz besonders gespannt. 2CELLOS haben sich nämlich neben dem treibenden “Mombasa”, das wie die Faust aufs Auge zu ihrem Stil passt, die Gänsehaut-Nummer “Time” ausgesucht. Und was soll ich sagen? Dieser absolut perfekte (!) musikalische Abschluss für einen außergewöhnlichen Film funktioniert auch statt mit komplettem Orchester "nur" mit Celli wunderbar, die hier freilich nicht bei zwei Spuren bleiben. Vielleicht fehlt ein wenig die durchschlagende Dramatik am Schluss, dafür klingt das Cover von 2CELLOS aufgrund der beschränkten Instrumentierung erdiger und transparenter.
Hauser und Sulic sind Meister ihres Fachs. Das wird einem auch dann klar, wenn man von klassischer Musik oder dem Cellospiel keine Ahnung hat. Schaut euch nur mal den Live-Clip zu “Where The Streets Have No Name” oder den Konzertmitschnitt des Exit Festivals 2014 am Ende dieses Reviews an, und ihr seht, dass die beiden Kroaten nicht nur virtuos vorgehen, sondern ihre geballte Leidenschaft in die Songs stecken - was dazu führt, dass die Cello-Bögen ziemlich fix zerfasern. Leidenschaft hört man auch auf dieser CD: “Thunderstruck” etwa ist absolut fantastisch! Ich meine, diese unsterblichen Licks kann man einfach nicht kaputt machen. Auch, wenn eine Bauernhof-Band mit Banjo und Amboss sich diese Rockhymne vornimmt, kann nichts schief gehen, weil das Original einfach so unfassbar gut ist. Aber 2CELLOS bringen ihre ganz eigene Note mit ein und gestalten ihr Cover nicht weniger treibend als das AC/DC-Original. Es klingt, als würden sich die beiden Cellisten die Finger blutig spielen – einfach grandios!
Spannend ist auch das Mashup des “Wilhelm Tell”-Themas mit MAIDENs “The Trooper”, welche das Duo sehr gekonnt vorträgt. Die beiden übernehmen die galoppierenden Riffs des Originals einfach auf ihre Celli und sorgen so dafür, dass man sofort mit dem Fuß wippt und den Kopf schüttelt. Selbst die Gitarrensoli sind so perfekt umgesetzt, dass man sich unweigerlich fragt, was zum Teufel die beiden Kroaten da eigentlich mit ihren Instrumenten anstellen. Auch “Live And Let Die”, auf dem sich Piano-Star Lang Lang die Ehre gibt, und den prägnanten MUSE-Song “Hysteria” vertonen 2CELLOS sehr gekonnt. Und dass Pop-Songs wie “I Will Wait” und “Wake Me Up” in einer rein instrumentalen Version nur gewinnen können, sollte sowieso klar sein.
Dem Titeltrack, von Hauser und Sulic selbst komponiert, merkt man die klassische Ausbildung des Duos am meisten an. Auch diese Nummer ist ganz konsequent auf ein Lead- und ein Rhythmus-Cello (darf ich das so nennen?) zugeschnitten und eine leichte, poppige, ein wenig an den Stil von U2 erinnernde Nummer, die einen schönen Abschluss markiert. Komplettiert wird die Tracklist von "Shape Of Things" (STING), "They Don't Care About Us" (MICHAEL JACKSON) und dem melancholischen "Street Spirit" (RADIOHEAD).
Als Metal-Fan sollte man schon eine gewisse stilistische Offenheit besitzen, um “Celloverse” gut zu finden. Wer keine Scheuklappen hat und sich davon überzeugen lassen möchte, wie gut zwei versierte Musiker mit Celli ganze Songs so interpretieren, dass man andere Instrumente niemals vermisst, sollte sich das dritte Studioalbum von 2CELLOS unbedingt besorgen.
2CELLOS - Live At Exit Festival 2014:
Stjepan Hauser und Luka Sulic sind absolute YouTube-Stars, deren Videos bereits über 100 Millionen Mal gesehen wurden. Begonnen hat 2011 alles mit einem Cover des MICHAEL JACKSON-Hits “Smooth Criminal”, den das Duo auf ihren elektrisch verstärkten Celli neu interpretierte. Seitdem sind die beiden klassisch ausgebildeten Cellisten wohl die bekanntesten Musiker Kroatiens.
Chrischi
Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten
Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...