Avantasia - Ghostlights Tipp

Avantasia - Ghostlights
    Power/Melodic/Symphonic Metal

    Label: Nuclear Blast
    VÖ: 29.01.2016
    Bewertung:10/10

    AVANTASIA im Web


Was für ein Glück, dass Tobias Sammet nach der "Scarecrow"-Trilogie und dem eigentlichen Projektende gemerkt hat, dass er ohne AVANTASIA nicht kann. Immerhin erscheint mit "Ghostlights" nun das bereits 7. Studioalbum eines Projektes, das zu einem der erfolgreichsten in der deutschen Metal-Geschichte zählen dürfte.

Auch auf dem Nachfolger zu "The Mystery Of Time" bleibt Sammet seinem Konzept treu: Die verschiedenen Charaktere seiner Story besetzt er mit zum großen Teil prominenten Gastsängern. Die eingespielte Instrumentalmannschaft hat sich nicht verändert, bei den Vokalisten können Jorn Lande, Bob Catley und Ronnie Atkins beinahe schon als "Stammgäste" bezeichnet werden. Musikalisch knüpft der neue Output nahtlos an "The Mystery Of Time" an.

Auf knapp über 70 Minuten klingen AVANTASIA so abwechslungsreich wie nie zuvor: Neben Ohrwürmern mit MEAT LOAF- und QUEEN-Anleihen (die erste Single "Mystery Of A Blood Red Rose", das abschließende "A Restless Heart And Obsidian Skies") kommen wir in den Genuss von atmosphärisch dichtem Storytelling (der Gänseheuat-Ohrwurm "The Haunting" mit TWISTED SISTER-Frontmann Dee Snider), arabisch angehauchter Dramatik (der Stampfer "Seduction Of Decay", in dem der ehemalige QUEENSRYCHE-Sänger Geoff Tate so gut klingt wie seit vielen Jahren nicht mehr), einem Gothic-Hit ("Draconian Love" mit Herbie Langhans, der betörend schmachtet) und einer Ballade mit elektronischen Sprenklern ("Isle Of Evermore" mit WITHIN TEMPTATION-Elfe Sharon Den Adel). Das von Tobi und NIGHTWISH-Bassist Marco Hietala gesungene "Master Of The Pendulum" ist der heftigste Song des Albums, fällt im Vergleich zu den anderen Großtaten aber ganz leicht ab.

Daneben finden sich typische Power Metal-Granaten wie das stark an EDGUY erinnernde "Babylon Vampyres" mit WARRANT-Sänger Robert Mason, "Ghostlights" (was für ein Kracher!) und "Unchain The Light", in denen Michael Kiske im Chorus für den urtypischen AVANTASIA-Klang sorgt. Die beiden letztgenannten Nummern hätten problemlos auf die ersten beiden "The Metal Opera"-Scheiben gepasst. Die dramatische Halbballade "Lucifer" mit einem Duett von Tobi und Jorn Lande ist ein kurzer, aber intensiver Höhepunkt, der längste ist das Epos "Let The Storm Descend Upon You", in dem sich mit Tobi, Jorn Lande, Ronnie Atkins und Robert Mason gleich vier hochkarätige Sänger die Ehre geben. Der abwechslungsreiche Zwölfminüter ist der Ausnahmesong dieses Albums: Der Chorus ist allerfeinstes Melodic Metal-Futter, der Song in jeder Sekunde schlüssig, die Abwechslung stimmt, der Bombast passt wie die Faust aufs Auge. Was für eine erhabene AVANTASIA-Großtat!

Auch auf "Ghostlights" passen die Sänger perfekt zu den jeweiligen Songs. Nicht nur Bob Catley, Jorn Lande, Ronnie Atkins und die schon für die "The Metal Opera"-Scheiben engagierte Sharon Den Adel, auch die Neuverpflichtungen Geoff Tate, Dee Snider, Herbie Langhans, Marco Hietala und Robert Mason machen einen hervorragenden Job. Der Rest der eingespielten Mannschaft, darunter Gitarren-Mastermind Sascha Paeth und die bezaubernde Amande Somerville, agiert auf gewohnt hohem Niveau. Als letztes i-Tüpfelchen stimmt auch noch die Produktion.

Dass Tobias Sammet radiotaugliche Hits ebenso wie komplexe Epen komponieren kann und sich gerade an erstgenannten Nummern manchmal die Geister scheiden, ist nichts neues mehr. Wenn man "Ghostlights" eins vorwerfen möchte, dann höchstens, dass es einen Tick zu lang ausgefallen ist. Das tut meiner Begeisterung für das siebte AVANTASIA-Album aber keinen Abbruch: Tobias Sammet hat es geschafft, mit seinem bewährten Konzept und unverschämt eingängigen, durchdachten und abwechlsungsreichen Songs mal wieder für offene Münder zu sorgen.