Orden Ogan - Gunmen Tipp

Orden Ogan - Gunmen

Ich muss gestehen, ich habe ORDEN OGAN bisher immer als die kleine Band von umme Ecke aus'm Sauerland wahrgenommen, die Vorband mit den Autoreifenkostümen. Nach der ersten Headlinertour letztes Jahr und dem neuen Album muss ich mich da langsam etwas neu justieren. Am Grundkonzept hat sich nichts geändert, aber es steht ein ganz anderes Selbstbewusstsein dahinter.

Man spürt Entwicklung

Auf dem neuen Album "Gunmen" verschlägt es Band-Eddie Alister Vale in den Wilden Westen. Während er sich als Revolverheld durchschlägt, läuft die Band zu einer Form auf, die ich so auf den alten Alben nicht wahrgenommen habe. ORDEN OGAN waren schon immer eine solide Band: Ein funktionierendes Konzept, aber ohne individuelle Auffälligkeiten, ein fetter Gesamtklang, dem sich jedes Instrument unterordnet, ohne hervorzustechen – das hat bisher gut funktioniert, auf Platte wie live. Das neue Album rüttelt daran auf den ersten Blick nicht, es klingt definitiv wie ORDEN OGAN, aber bei genauem Hinsehen haben die einzelnen Musiker deutlich mehr Luft, ohne dass es dabei die Band auseinander drückt.

FORT FUN! SCHLAGZEUG! FORT FUN! SCHLAGZEUG!

Auffällig ist als erstes das Schlagzeug, das man in einem Sauerländer Freizeitpark aufgenommen hat. Meine Augen haben im Promomaterial wegen des ganzens Wirbels um die Trommel mehrere Kilometer rollend zurück gelegt – aber verdammt ist die Band zu Recht begeistert! Dirk Meyer-Berhorn ist mir bisher nicht als herausragender Schlagzeuger aufgefallen. Halt jemand, der trommeln kann, aber er ist richtig produziert, etwas hervorgehoben und mit der Gelegenheit zu zeigen, dass er mehr als Doublebass kann, ein – ich möchte ungern sagen überraschend – guter Schlagzeuger und Musiker.

Und auch Sänger Seeb hat, neben der offensichtlichen Entwicklung die er als Produzent durchlaufen hat, etwas mehr Raum zur Entfaltung bekommen. Der Klangteppich, den er übersingt, wirkt über weite Teile etwas zurück genommener als auf den alten Alben. Der Gesang in den Strophen ist deutlich solider, überzeugter, kräftiger und gefühlt in einem deutlich tieferen Register als früher. Man kann eben auch Power-Metal singen, wenn der Stimmbruch nicht spurlos an einem vorüber gegangen ist, nur halt nicht in den Höhen, die das Klischee vorgibt. Bleiben nur die Chöre und Refrains, die teilweise nicht ganz seine Lage sind. Die sind aber eher Aufgrund der Befürchtung, was damit live passiert, als durch ihren Klang auf Platte ein Problem.

Die Gitarrenarbeit klingt technisch deutlich besser und ist bis zur Perfektion unperfekt gemischt. Die Soli sind aufwendiger, stärker und gefühlt zahlreicher als auf den letzten Alben, ohne dabei zu aufdringlich zu werden oder ihren Platz zu verlieren, und die akustischen Passagen klingen nach Lagerfeuer statt nach Studio.

Und wie klingt das Album?

Schon vor dem Hören fällt auf, dass es das erste ORDEN OGAN Album ohne eigenen Intro-Track ist. Dafür wird der Titeltrack "Gunmen" recht ausführlich, hymnisch und orchestral eingeleitet, bevor Gitarren und Doublebass das ganze aufgreifen. Typisch wird das Tempo in den Strophen angezogen, bevor es im Refrain wieder gemütlicher wird. Insgesamt klingt der Titel wie der große, erwachsene Bruder von "Ravenhead".

"Fields Of Sorrow" klingt, als wäre es fast eine Ballade geworden, aber eben nur fast. "Forlorn And Forsaken" ist ein wunderbar archetypisches Beispiel für einen ORDEN OGAN Song und das erste Mal, dass die Snare, über die im Vorfeld so viel geredet wurde, richtig glänzen kann. "Vampire In Ghost Town" ist rhythmisch ein bisschen IRON MAIDEN und wunderbar zum Mitsingen, allerdings sind die Stellen, an denen man im Refrain live brüllen soll, etwas zu offensiv markiert. "Come With Me To The Other Side" fängt mit wunderbaren akustischen Gitarren, Gastsängerin und ordentlich Schnulz im Text an und ist dann doch plötzlich der erste Titel auf dem Album, der richtig Schwung aufnimmt.

"The Face Of Silence" geht dann etwas offensiver mit dem Westernthema um. Ich frage mich ehrlich, ob ich schon mal die Kombination aus akustischer Gitarre und Doublebass gehört habe. "Ashen Rain" ist einer der eingängigsten Titel des Albums und sticht schon beim ersten Hören positiv heraus. "Down Here" fällt dann allerdings hauptsächlich durch das Horn und das wiehernde Pferd im Intro auf, wird allerdings auch mit "Ashen Rain" und "One Last Chance" von den, meiner Meinung nach, stärksten Titeln des Albums eingerahmt.

"One Last Chance" fängt schon durch die Einleitung das Ohr und ist insgesamt mein Highlight des Albums. Der letzte Titel, der das Album krönt – oder wie Ovid sagt: "Finis Coronat Opus" – verpasst um drei Sekunden den Titel "Längster ORDEN OGAN Song", mischt eine gute Portion Hymne und Ballade und hat das Glück, dass er insgesamt ziemlich gut klingt, sonst würde er mir als massiv überlanges Outro zum Album ziemlich auf die Nerven gehen.

Meine Lieblings- ORDEN OGAN bisher

Insgesamt ist "Gunmen" ein starkes Album, meine größten Probleme mit ORDEN OGAN – die eine oder andere Wiederholung, die man sich hätte sparen können und Gesangspassagen, die live grenzwertig werden – haben sich zwar nicht gelöst, dafür gehören sie zu sehr zum Stil, aber sich soweit reduziert, dass sie mich nicht übermäßig stören. Es ist das erste Album der Band, bei dem mir die individuelle Qualität der einzelnen Musiker und die Produktion des Albums als hervorragend auffallen. Insgesamt also für mich das bisher stärkste Album von ORDEN OGAN.

... und können bitte mehr Bands ihr Schlagzeug so mischen? Ich habe in letzter Zeit vermehrt das Gefühl, dass Putzeimer und Topfdeckel zum Trend werden.

Tracklist

01. Gunman
02. Fields Of Sorrow
03. Forlorn And Forsaken
04. Vampire In Ghost Town
05. Come With Me To The Other Side (feat. Liv Kristine)
06. The Face Of Silence
07. Ashen Rain
08. Down Here (Wanted: Dead Or Alive)
09. One Last Chance
10. Finis Coronat Opus